Das schrieb mir ein Italiener über meinen Blog. Ich bekomme häufig solche Anfragen, von Lesern meiner Bücher, meines Blogs, von Facebookfreunden. Oft werde ich geduzt, das hat sich mit den Social Media so eingebürgert und ist okay für mich, obwohl ich vom Naturell her eigentlich mehr eine Siezerin bin.
Der Absender war Claudio Caiolo, ein in Berlin lebender italienischer Schauspieler und sogenannter Facebookfreund, der sich mir bei einer Buchpräsentation von „100 Seiten Mafia“ in Berlin als solcher vorgestellt hatte. Jetzt wollte er mich also in Venedig treffen, auch das kenne ich, es gibt ständig Leute, die nach Venedig kommen, mich treffen und etwas über Venedig erfahren wollen. Zugestimmt habe ich nur, weil ich dem – mir bis dahin unbekannten – Kollegen Wolfgang Schorlau gegenüber nicht unhöflich sein wollte.
Wir trafen uns im Vino Vino, einer kleinen Osteria unweit der Fenice. Bei dem weniger als eineinhalb Stunden dauernden Abendessen in Venedig kündigten die beiden Herren an, dass sie einen Krimi über Venedig schreiben wollten: ein kühnes Unterfangen, das mich einigermaßen verwunderte, weil Schorlau, wie ich schon bei der Getränkebestellung feststellen konnte, kein Wort Italienisch spricht und sich seine Italien-Kenntnis auf die eines durchschnittlichen deutschen Urlaubers beschränkt, ganz zu schweigen von der Kenntnis von Venedig. Aber für die sollte ja Caiolo zuständig sein, der auf seine, für ihn sicherlich aufregende, de facto aber mehr als dreißig Jahre zurückliegende Zeit in Venedig verwies. Natürlich ist der Mensch im jungen Alter besonders aufnahmefähig, aber in den dreißig Jahren, die nach seinem Aufenthalt vergangen sind, hat Venedig, wie ich bezeugen kann, einen tiefgreifenden Wandel durchgemacht.
Es schien mir so, als ob sich hier ein Blinder und ein Tauber zusammengetan hätten, um Tanzmusik zu machen. Aber warum auch nicht, gemeinsam ist man stark und des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Ich wechselte das Thema, auch weil mich die Hybris der beiden Herren etwas befremdete. Im Wesentlichen sprachen wir noch über das Antimafia-Crowdfunding, das ich in Deutschland ins Leben gerufen hatte, und das war es.
Ein Jahr später, als ich in Apulien am Strand lag, bekam ich eine Mail von Wolfgang Schorlau, in der stand:
Liebe Petra, verehrte Kollegin, im Anhang sende ich Dir Claudios und mein Werk.
Ich hoffe, es gefällt. Anmerkungen sind uns willkommen. Dir die herzlichsten Grüße aus Stuttgart. Mit den besten Grüßen Wolfgang Schorlau
Im Anhang ein pdf mit dem Titel „Manuskript“. Ich fand diese Mail einigermaßen kurios: Hätte darin etwas davon gestanden, dass ich irgendetwas mit dem „Werk“ zu tun haben könnte, hätte ich den Anhang vielleicht geöffnet. So aber sah ich gar keine Veranlassung – zumal mir ständig Leute etwas schicken, das sie über Venedig geschrieben haben, mal sind es Gedichtbände, mal Schilderungen von romantischen Spaziergängen, mal Fotosammlungen, mal kunsthistorische Auslassungen. Venedig beflügelt viele Menschen, sich auszudrücken, ich kann das gut verstehen. Und für „Anmerkungen“ bin ich nicht zuständig.
Danach habe ich die Angelegenheit schlichtweg vergessen. Bis zum Januar dieses Jahres, als mir eine Bekannte schrieb, dass sie einen demnächst erscheinenden Krimi lese, der in Venedig spiele, geschrieben von Schorlau/Caiolo, ein Krimi, der ihr den Eindruck machte, als hätten die Autoren aus meinem Blog und meinen Büchern abgeschrieben – und der am Ende überdies eine Danksagung an mich enthielte.
Danksagung? Wofür? Also öffnete ich den Anhang, las das „Werk“, und stellte fest, dass es mehr oder weniger hemmungslos meine Arbeit plündert: meinen Blog, meine Bücher, meine Krimis, ja sogar meine Facebook-Einträge. Am Ende dann die „Danksagung“:
„An diesem Buch haben viele mitgewirkt und ihnen schulden wir Dank. Petra Reski schenkte uns Zeit in Venedig und Stuttgart. Die Gespräche mit ihr waren lehr- und hilfreich und sind an vielen Stellen in dieses Buch eingeflossen. Herzlichen Dank, Petra.”
Diese Danksagung erweckt ebenso falsch wie beabsichtigt den Eindruck, dass ich mit dem Duo zusammengearbeitet hätte, und das ausgiebigst. Tatsächlich aber hat es keine Gespräche gegeben, sondern lediglich das erwähnte kurze Abendessen im Vino Vino, bei dem die beiden Herren keinen Mucks von sich gegeben haben, der mich darüber aufgeklärt hätte, dass sie beabsichtigten, mich und meine journalistischen/schriftstellerischen Arbeiten in ihrem „Werk“ zu verarbeiten, oder besser gesagt: zu verwursten.
Denn erschwerend kommt hinzu, dass sie nicht mal in der Lage waren, richtig abzuschreiben, der Platz reicht hier nicht, um das ganze Ausmaß der Schluderei zu dokumentieren, die sich in diesem Buch niederschlägt. Nur so viel: Jeder Tagestourist weiß, dass sich die Salutekirche nicht auf der Giudecca befindet. Und jeder durchschnittliche Tagestourist weiß auch, dass es sinnlos ist, vom Markusplatz aus gegen ein Kreuzfahrtschiff zu demonstrieren, weil es nicht in den Canal Grande, sondern in den Giudecca-Kanal einfährt. Dass ständig Boote tuckern und auch noch eine blonde Journalistin namens „Petra Mareschi“ vorkommt – geschenkt. Es gibt Millionen von hingehudelten Büchern über Venedig, auf eines mehr oder weniger kommt es da gar nicht an. Aber ich empfinde es als blanken Hohn, wenn die Hudelei auch noch mit meinem Namen gerechtfertigt wird.
Das Landgericht Hamburg hat eine einstweilige Verfügung erlassen, der zufolge dem Autorenduo verboten wurde, ihr „Werk“ mit der Danksagung an mich zu verbreiten. Aber weil von dem Verbot die „aufgebundenen und ausgedruckten Exemplare“ ausgenommen sind, somit die erste Auflage von „Der freie Hund“, drängte es mich, diese Hintergründe zu klären.
Auch, weil sich die Vorgehensweise dieser beiden Herren im Grunde nicht von denen der Kreuzfahrtschiffe unterscheidet, die durch die Lagune pflügen, auf Venedig herabblicken, den Mehrwert der Stadt plündern und nichts anderes hinterlassen als Feinstaub, Müll und Zerstörung.
Petra Reski
Venedig, 19. Februar 2020