Sandra Thoms (Verlegerin Bedey & Thoms Media) ärgert sich über die Registrierungsbedingungen für Anbietende beim Kulturpass:
Stellen Sie sich vor, die Regierung möchte, dass sich Jugendliche gesünder ernähren. Also beschließt sie, allen Jugendlichen zum 18. Geburtstag einen Ernährungsgutschein zu schenken. Der Branchenverband der Ernährungsindustrie ist begeistert und will natürlich, dass dieses Geschenk auch möglichst vielen seiner Mitglieder zugutekommt. Daher vereinbart er, dass der Gutschein nur für Hafermilch eines bekannten Markenherstellers ausgegeben werden darf. Diese Hafermilch bekommt man in den Regalen aller Supermärkten. Tolle Förderung des Markenherstellers und tolle Förderung der Supermärkte! Nun erscheint Hafermilch aber nicht einfach so im Supermarktregal. Irgendjemand produziert sie. In diesem Fall der große Markenhersteller, der somit gefördert wird. Alle kleinen, unabhängigen Produzenten gehen leider leer aus.
Jetzt stellen Sie sich einmal vor, es gibt einen Kulturpass. Der darf aber nur von Buchhandlungen vergeben werden, Verlage dürfen sich auf dem Vergabeportal nicht registrieren. Nun führen Buchhandlungen Bücher großer Markenhersteller oder bereits geförderter, literarischer Unternehmen. Kleine, unabhängige Verlage sind die Ausnahme im Sortiment jeder Buchhandlung. Ebendiese kleinen und unabhängigen Verlage, die das Risiko von Debüts auf sich nehmen, die die Zielgruppe kennen, für die unzählige Fans nach Leipzig pilgern, die sind gemeint. Die werden in dem System bedauerlicherweise nicht mitgedacht. Dabei wäre es so einfach: Man würde einfach das Portal auch für Verlage mit einem gewissen Jahresumsatz freischalten. Aber der Branchenverband der Buchindustrie heißt ja auch „Börsenverein des deutschen Buchhandels“ und nicht „Verband für die Vielfalt und Wirtschaftlichkeit der Kulturbranche rund um das Buch“. Vielleicht liegt einfach da mein Denkfehler …
Aktuell bin ich auf der Suche nach einer Buchhandlung in Hamburg oder Frankfurt. Hat hier jemand einen Tipp für mich? Unabhängiger Klein-Verlag lohnt sich einfach nicht mehr. Wie schön wäre da eine Buchhandlung, die nur Miete und Lohnkosten tragen muss (liebe Kolleg*innen, nicht falsch verstehen, auch das müssen Bücher erst einmal erwirtschaften, daher meine Hochachtung für jede funktionierende Buchhandlung). Im Gegensatz zum Verlag, der zusätzlich zu Lohn- und Mietkosten noch die Herstellkosten des Buches und das verlegerische Risiko der Rücksendungen tragen muss.
Liebe Frau Thoms,
der Denkfehler fängt für mich schon bei den Worten „Unabhängiger Kleinverlag“ im Zusammenspiel mit „auch für Verlage mit einem gewissen Jahresumsatz“ an.
Wann ist ein Verlag denn Kleinverlag und bis wohin? Soll die Grenze wie beim Deutschen Buchpreis einfach mal eben so bei 3 Mio gezogen werden? So dass Jahr für Jahr die Verlage bezuschusst werden, die darunter liegen und die Verlage, die gerade darüber liegen in die Röhre gucken und dadurch beim Rechteeinkauf benachteiligt werden? Ich halte überhaupt nichts von diesen Pauschalisierungen und halte die Vorgehensweise für wettbewerbsrechtlich verwerflich.
Wenn, dann sollte es eine Förderung für alle sein, die sich für das Lesenlernen einsetzen, damit überhaupt weitere Leser zu Kunden werden können. Leseförderung im Sinne der Unterstützung von Schulbibliotheken, bei denen die Kinder- und Jugendlichen in Lesegruppen abstimmen, was für die Bibliothek gekauft werden sollte – das wäre aus meiner Sicht der richtige Ansatz.
Buchhandlungen und Feuilletons, sind teilweise viel zu fixiert auf die immer gleichen Verlage, was überaus sichtbar in den zur Zeit wöchentlich erscheinenden „potentiellen Herbstbestsellern“ erkennbar ist. Immer die gleichen Konzernverlage, deren Titel genannt werden und die natürlich mit extrem viel Geld eingekauft wurden.
Den Blick auf die Lieblingsbuchhandlungen in verschiedenen Städten halte ich für einen guten Weg – eben Buchhandlungen, die den Wert der unabhängigen Verlage erkennen. In Hamburg gibt es einige dieser Lieblingskunden…
Lieber Jan,
ich weiß ja, dass wir verschiedene Auffassungen von Größe haben. Aber ein Kleinverlag macht sicher keinen Jahresumsatz von drei Millionen Euro. Die Jahresumsätze von wirklichen Kleinverlagen bewegen sich eher im unteren hunderttausender Bereich. Aber darum geht es hier wohl auch gar nicht…
Aus eigener Erfahrung stimme ich Frau Thoms zu, dass Kleinverlage, deren Publikationen eben so gut wie nie in die Buchregale der Buchhandlungen erreichen, im System nicht mitgedacht werden. Das zeigt aber eben nur ein weiteres Mal, dass das „System“ für kleinere Verlage nichts taugt. Ein Schritt könnte die Bildung einer wirklichen Interessengemeinschaft kleiner, unabhängiger Verlage sein. Aber wer will das organiseren? Insofern bleibt uns wohl oder übel nichts anderes übrig, als den etwas steinigeren Weg zu gehen, um mit etwas mehr Kreativität unseren Umsatz zu gestalten. Ziel ist natürlich, eben kein Kleinverlag zu bleiben, um am großen „System“ mit zu profitieren.
Liebe Frau Thoms,
ich gehe davon aus, dass die Buchhandlungen keine Bücher in das Portal einpflegen, sondern dass es eine Schnittstelle in den Onlineshop der Buchhandlungen geben wird. Und dort sollte selbstverständlich der Vlb dargestellt sein – also auch Ihre Bücher! Im Übrigen entspricht den Herstellungskosten der Verleger bei den Buchhandlungen der Einkaufspreis der Bücher. Aus der restlichen Handelsspanne erwirtschaften wir Betriebs- und Personalkosten und -mit Glück- einen auskömmlichen Unternehmerlohn (ich glaube ich bin im SF-Genre gelandet). Viel Glück bei Ihren Unternehmungen, der Kulturpass ist eine Chance für alle.