Nicht wenige Kunden freuen sich über die Stille und Ruhe auf der Straße, die sonst eher für das Gegenteil berühmt ist: Partymeile, Längste Theke der Welt, was sehr beschönigende Bilder von dem sind, was sich nicht selten auf dieser Straße abspielt.
Aber der janusköpfige Buchhändler sieht nicht nur die Stille auf der Straße, sondern auch in der Buchhandlung. Ein Einerseits und Andererseits. Und diese Ruhe ist ja nicht die Ruhe vor dem Sturm, sondern die Ruhe vor der völligen Flaute, die einem wie ein Damoklesschwert über dem Nacken schwebt. Zum Glück sind die Kunden treu: Sie bestellen, sie holen ab, sie lassen sich Bücher schicken. (Unser Kollege fährt die Sendungen nachmittags mit dem Fahrrad zu den Empfängern und manche gehen per Post raus.)
„Super!“, möchte man sagen und sagt es auch dankbar im Hinblick auf die Kunden, aber schon fällt der Blick auf die Bücher, die ungesehen – nur der Blick des Buchhändlers streift sie Tag für Tag – auf den Tischen harren. Ihre Verführungskraft geht buchstäblich ins Leere. Kein Kunde, der plötzlich stehenbleibt, der stutzt, das Buch in die Hand nimmt, schon mit den Händen abwägt, es aufschlägt und – man hört schon den Seufzer des Buches: endlich Luft! – wieder zuschlägt und es vielleicht unter den Arm klemmt oder mit auf den Stapel legt, den er sich schon zusammengesucht hat.
Aber was nützen die Verführungskünste, wenn niemand sie wahrnimmt, und wie soll man sie wahrnehmen, wenn der Eintritt verboten ist? Der Buchhändler bemerkt es wohl und leidet mit seinen Büchern, doch hin und wieder gelingt es doch, das eine Buch, von dem der Kunde nicht weiß, dass er darauf gewartet hat, und von dem er nicht weiß, dass er erwartet wurde, ihm in die Hand zu drücken. Glückliche Momente in dieser schwierigen Zeit.
Die Bücher tiefschlafend, die Veranstaltungen eingefroren, abgesagt. Nicht alles lässt sich streamen, das neue Zauberwort, das doch nichts wirklich ersetzen kann. Im günstigsten Fall verschieben auf einen nicht sicher zu benennenden Zeitpunkt, so Ingo Schulze, Marcel Beyer mit Thomas Kling, Lutz Seiler, Jan Philipp Reemtsma, Nikolaus Heidelbach, Hanns Zischler, Monika Helfer, Stephan Kaluza und Denis Scheck, aktuell im März Anne Weber und Durs Grünbein.
Anlässlich von 15 Jahre Heine Haus als Literaturhaus Düsseldorf im Februar, mit einem kleinen Film aus besseren Veranstaltungszeiten, macht sich die Wehmut der Besucher Luft. Der Wunsch nach einem Morgen, der sein soll wie gerade noch gestern, artikuliert sich vehement, und die Hoffnung, die auch die unsere ist, nach realen Begegnungen und Erlebnissen mit und in der Literatur. Optimistisch planen wir neu und weiter, Katharina Hacker im Mai. Judith Hermann eventuell im Juli, einfach weiter.