Geheimnisse eines Agenten Teil 20 Thomas Montasser: Der Agent, der mich liebte

An dieser Stelle schreibt Literaturagent und Autor Thomas Montasser regelmäßig über Absonderlichkeiten des Literaturbetriebs. Zu dem gehören bekanntlich auch die Autoren – und die sind oft besonders geheimnisvolle Wesen:

Agenturen befinden sich in der Nahrungskette des Literaturmarktes ganz am Anfang: Sie sind die Ersten, die ein Projekt kennenlernen, die mit Autorinnen und Autoren über Inhalt und Form sprechen, sich Gedanken machen müssen zu Umfang, Terminen, Vermarktung … Womit wir direkt zwei entscheidende Begriffe in einem Satz vereint finden: Autoren und Vermarktung. Die beiden sind schlicht nicht voneinander zu trennen. Im Gegenteil: Der Legende nach sprach früher das Werk für sich, und die Feuilletons rezensierten ausgiebig das Werk an sich.

Heute sind es „die Medien“, und sie berichten über alles, nur nicht über das Werk. Vorgeblich interessant ist dabei der Autor (z.B. „war früher selbst mit dem mächtigen Springer-Chef befreundet“ oder „hat seiner 63 Jahre jüngeren Geliebten kürzlich den Laufpass für eine noch jüngere gegeben“) bzw. die Autorin („liebt selbst Fesselspiele und Dominanz“ oder „lebt mit 13 Katzen, zwei Männern und fünf Beutekindern bei Schwenningen“). Was auch die Agenturen immer wieder mit der Frage konfrontiert: Wie zum Henker machen wir aus dieser Schnarchnase mit dem überragenden Talent eine irgendwie verkäufliche Rampensau? Qualität? Darüber sprechen wir später.

Autorenviten sollten geprägt sein von Aha-Effekten. Je härter das Schicksal, je dreister die Blendung, je bizarrer die Vorlieben, umso wahrscheinlicher, dass sich jemand dafür interessiert. Das Problem ist natürlich, dass die wirklich, also wirklich interessanten Dinge ja ohnehin kaum jemand verrät. Aber selbst wenn: Wer weiß schon, ob’s stimmt? Hat dieser schmierige Franzose jetzt eigentlich tatsächlich in einem Pornofilm mitgespielt oder hat er’s nur behauptet? Hat er den Produzenten wirklich verklagt oder ist das nur ein PR-Trick? Andererseits: Er beruft sich auf Trunksucht. Das klingt in seinem Fall irgendwie glaubwürdig. Wiederum andererseits: Wer würde den denn im Ernst besetzen? So oder so – es ist eine perfekte Publicitystory. Abgeschmackt, schmierig, irre, also genau richtig für die Berichterstattung von Bild bis Zeit! Und sie haben sich’s ja auch nicht nehmen lassen, darüber zu schreiben.

Wobei die hohe Kunst der PR heute natürlich nicht mehr die klassischen alten Medien sind, sondern alles, was online passiert. Blogs und Bots und Podcasts und natürlich jede Menge Social Media. Wer sich heute um einen Verlagsvertrag bewirbt und nicht auf Facebook, Insta, TikTok und Konsorten vertreten ist, ist ja kaum noch verkäuflich. Also – um mal wieder im Bild der Nahrungskette zu bleiben – auch für die Agenturen nicht.

Das Autorenideal ist eine Art „integrierte Multimediaheldin“. Ja, weiblich am besten. Und eben mit eigener Digitaltruppe, mit einer verrückten Vita, bevorzugt bärtig, aber geschminkt, oder weiblich, aber mit Bart. Gerne mit irgendeinem Identitätsding („Autor*in will nicht ER genannt werden und auch nicht SIE, aber schon gar nicht ES, sondern UH.“) und möglichst öffentlichkeitsgeil. Bipolar ist auch super, bevorzugt mit exhibitionistischen Schüben, aber bitte möglichst nur bisschen suizidal veranlagt.

SO WAS kann man gut verkaufen. Wenn Sie sich als Autorin fragen, was Sie tun müssen, damit die Agenturen Sie lieben, formulieren Sie:

Kulu Pokin wurde als Mann geboren, lebte nach einer Geschlechtsumwandlung mehrere Jahre in einem Ursulinerinnenkloster in Sofia und arbeitete anschließend in Berlin, Rio und Kuala Lumpur in Strip-Clubs und Bongo-Bars, um schließlich mit einer Königspython und einem aus dem Kasseler Zoo ausgerissenen Eselspinguinpärchen in ein Baumhaus in Südfrankreich zu ziehen. Sie hat 3.8 Mio. Follower auf Instagram. TikTok musste wegen der Aufrufe ihrer Posts mehrmals offline gehen, um nicht zu explodieren.

Kommentare (20)
  1. Lieber Kollege, Ihre Kolumne ist meistens durchaus kurzweilig und unterhaltsam, doch diesmal finden wir das nicht.
    Die Selbstbezeichnung von Autor:innen so auf die Schippe zu nehmen und darzustellen, als wäre es einfach nur ein Marketinggag, finden wir unangemessen.
    Wir möchten an dieser Stelle festhalten, dass Sie mit Ihrer Einschätzung des Marktgeschehens und der beteiligten Autor*innen auf keinen Fall für unsere Agentur sprechen.

    Agentur Schlück

  2. Es ist erstaunlich, wie viel Misogynie und Transfeindlichkeit Sie in so wenige Worte gequetscht kriegen. Vielleicht bleiben Sie in Zukunft lieber bei Themen, die Ihnen vertrauter sind. Die bösen neumodischen Medien oder Lebensrealitäten außerhalb Ihrer eigenen als weißer cis-Mann Ü50 sind es offensichtlich nicht.

    • Toller Kommentar! Das ist eine super Ergänzung zu meiner Glosse. Und in Sachen Kurzform kann ich echt noch von Ihnen lernen: Ein ganzes Paket an Misandrie, Rassismus und Altersdiskriminierung in nur sechs Zeichen zu packen – genial! Aber natürlich nehme ich Ihre Zeilen nur so ernst, wie Sie meine nehmen sollten. Danke, dass Sie diesen Sack Steine in mein Glashaus geschleppt haben!

      • Ihr Kommentar zeigt noch einmal mehr, wie wenig Sie von diesen Themen verstanden haben und wie wenig Sie sich Ihres Privilegs bewusst sind. Die Definition von Rassismus sollten Sie vielleicht auch noch einmal nachschlagen, bevor Sie mit dem Begriff um sich werfen.

      • Ich lege Ihnen mal die Lektüre „Frauenliteratur“ von Nicole Siefert nahe. Da können Sie ganz wunderbar und auf Fakten basierend nachlesen, wie männliche Literatur in der Vergangenheit und auch heute noch bevorzugt wird. Ich glaube zwar anhand Ihrer Kommentare nicht, dass Sie in der Lage sind, wirklich in sich zu gehen und sich zu reflektieren oder sich gar für diesen beschämenden Text zu entschuldigen, but who knows.

      • Spannend, wie Sie als sehr privilegierte Person (weiß, männlich) auf Minderheiten rumhacken, und wenn sie dann dafür kritisiert werden laut Rassismus schreien. Rassismus gegen weiße existiert übrigens nicht. Und Satire tritt nicht nach unten.

      • Die Kommentarschreiberin hat in ihrer Antwort auf Ihre „Glosse“ lediglich Fakten aufgezählt und absolut berechtigte Kritik geübt. Aber ich bringe Ihnen liebend gerne ein weiteres Fachwort bei und erkläre es sogar, damit es nicht zu weiteren Missverständnissen kommt. Der sogenannte „Whataboutism“, den Sie in Ihrer Antwort praktiziert haben, ist die außerordentlich lästige Angewohnheit von Menschen, von Kritik abzulenken, indem man auf ein anderes Problem aufmerksam macht, das zwar durchaus relevant ist, in diesem Kontext aber keine Rolle spielt. Diese Personen haben meistens weder die Fähigkeit, Kritik anzunehmen und zu überdenken, geschweige denn sich in Selbstreflexion zu üben, was gerade Sie als Schriftsteller und Literaturagent können sollten. Dass es sich bei Ihrer Kolumne nicht um Satire handelt, sollte jedem empathischen Menschen bewusst sein.

  3. Soll das Satire sein?
    Nochmal zum Nachlesen: Satire heißt, von unten nach oben zu treten. Von oben nach unten zu treten, ist einfach nur schlechter Charakter.

  4. „Liebes“ Buch Markt Magazin,

    Lesen Sie Ihre Artikel eigentlich nach dem Schreiben nochmal auf Korrektur durch? Ich finde nämlich sehr viele grammatikalisch und unmenschlich falsche Fehler. Da fragt man sich, ob sie zwischen den Zeilen lesen. Wie kann man so respektlos gegenüber anderen Menschen sein? Solchen Leuten die so über andere Menschen denken weil wir eben NICHT alle gleich sind sollte man garnicht erst die Möglichkeiten geben Artikeln verfassen zu können. Sehr enttäuscht.

    • Liebe Frau Schill,

      um die Grammatik anderer anzukreiden, sollten Sie sich noch einmal mit den Regeln der Zeichensetzung befassen.

      Dem Rest Ihres Kommentars stimme ich im Großen sogar zu.

  5. Offenbar ist es immer noch salonfähig aus einer privilegierten Position heraus verletzliche Minderheiten abzuwerten und das dann Kunst zu nennen.

    Das in einer Zeit zu tun, in der trans Menschen einem starken Zuwachs von (teils lebensbedrohlichen) Angriffen ausgesetzt sind, zeugt von absoluter Ahnungslosigkeit oder offener Transfeindlichkeit.

  6. Mir fehlen die Worte. Wer so denkt, sollte das zumindest für sich behalten und nicht auch noch eine Plattform geboten bekommen. Davon abgesehen das es peinlich genug ist, sich aus einer privilegierten Position heraus über andere zu Stellen und diese klein zu reden.

    Und das in einer Branche, die sich schimpft bunt und offen zu sein, die sich an anderen Stellen gegen Rechts ausspricht. Aber Transfeindlichkeit, lustig machen über soziale Krankheiten und Frauenfeindlichkeit scheint wohl noch gesellschaftlich aktzeptierter Hass zu sein?

    Gut, dass der Name hier zumindest offen unter dem Beitrag steht, sodass im geschäftlichen Umfeld zumindest jeder weiß mit welcher Art Mensch man zu tun hat.

  7. Ich finde keine Worte dafür, dass dieses Stück zusammengewürfelter Buchstaben das Licht der Öffentlichkeit finden durfte.

    Vielleicht wäre ein Austausch mit marginalisierten Menschen hilfreich, damit das Verständnis einsetzt, wie respektlos dieser Beitrag ist.

    Und um nur einen der vielen, vielen Fehler zu korrigieren: Bitte verwenden Sie niemals den Begriff „Geschlechtsumwandlung“. Trans Männer sind Männer, trans Frauen sind Frauen. Da wird überhaupt nix umgewandelt. Das Wort, das Sie suchen, nennt sich Geschlechtsangleichung. Wozu es aber notwendig sein soll, dieses Wort in einer Vita von Autor*innen zu verwenden, erschließt sich mir nicht.

  8. Der Autor von heute fühlt sich von der Medienpräsenz von Schreibenden, die im angestaubten Buchmarkt aufgrund ihrer Identität (weiblich, queer, trans) bisher nicht verlegt werden, bedroht, weil das tatsächlich Stimmen sind, die gelesen werden wollen. Anstatt sich also mit den eigenen Privilegien auseinanderzusetzen und sich zu fragen warum dieses Marketing so gut funktioniert und es wichtig geworden ist, wie sich Schreibende politisch engagieren und eintreten, schreibt er lieber in seinem kleinen Kämmerchen einen beleidigten, frauenfeindlichen, transfeindlichen Brief, weil es ja nicht sein kann, dass andere Menschen mehr Aufmerksamkeit bekommen als er selbst.

    Das ungefähr wollten Sie doch ausdrücken, oder? Wie von den anderen Kommentierenden hier schon so schön verdeutlich wurde, ist es überhaupt nicht cool, nach unten zu treten.
    Schon absonderlich, das sowas veröffentlich werden durfte.

  9. … und genau solche Artikel sind der Grund dafür, warum viele sich gar nicht trauen, über ihre Identität und ihre Lebensrealität zu sprechen. Aber das ist wahrscheinlich genau das, was Sie wollen. Immer schön nach unten treten! Die komischen Minderheiten sollen sich mal lieber wieder verziehen und die Bühne vollständig den normalen Leuten (sprich: weiß, männlich, hetero und neurotypisch) überlassen, so wie es sich gehört! /s

  10. Ist das noch ironisch oder schon paradox, dass sich hier über nicht erstzunehmende Autoren & Autorinnen lustig gemacht und ausgelassen wird – während dieser äußerst niveauvolle Beitrags selbst kaum ernstzunehmen ist?
    Kommen Sie schon, über Pronomen herzuziehen, Respektlosigkeit und das Narrativ der schlimmen neuen „Medien“ haben doch schon lange ausgedient. Ein bisschen mehr Miteinander würde dieser Branche wirklich gut tun!

  11. Möchte sich wirklich niemand für diesen verletzenden Text entschuldigen? Weder der Verfasser noch die Redaktion?

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