Seit dem 6. Dezember 2017 (Nikolaustag) fragen wir wieder bis zum 6. Januar 2018 (Heilige Drei Könige) in der Buchbranche herum: „Wie war Ihr Jahr?“ Heute beantwortet Buchhändler und Betriebswirt Thilo Schmid, der bereits 2015 die Leitung des Gesamtvertriebes der Verlagsgruppe Oetinger übernommen hat, unseren „anderen“ Fragebogen:
1) Welcher Tag war ihr schönster in diesem Jahr?
Ein Tag Ende März, an dem wir während einer sowie schon motivierenden Verkaufskonferenz die Nachricht über die Doppel-Bestsellerplatzierungen von ALEA AQUARIUS Band 3 (Platz 1) und ANIMOX Band 2 (Platz 10) bekamen – eine „Trendwende“, die eine seitdem anhaltende, positive Entwicklung der Verlagsgruppe einläutete…
2) Worüber haben Sie sich 2017 am meisten geärgert?
Privat: Über den Deutschland beschämenden Erfolg der AFD
Beruflich: Über das Ansinnen einiger Marktteilnehmer, die Wertschöpfungskette einmal mit Gewalt zu zerreißen, um sie dann – alleine und auf dem eigenen Faden – wieder aufzufädeln. In letzter Konsequenz würde daraus dann eine Wertschöpfungsschlinge für den Verbraucher.
3) Was war 2017 Ihr schönster Erfolg?
An den richtigen Stelle den ausreichenden Mut, die nötige Phantasie und in der Verlagsgruppe die richtigen Gefährtinnen und Gefährten gehabt zu haben, um vermeintlich Unabänderliches zu ändern und neue Wege zu gehen.
4) Und Ihr traurigster Misserfolg war…?
Dass es uns nicht gelungen ist, noch mehr Handelspartner davon zu überzeugen, unseren Büchern eine längere Halbwertszeit zu gewähren und unsere Backlist stärker zu berücksichtigen.
5) Ihre schönste Buchhandlung in diesem Jahr?
Während einer ausgiebigen „Buchhandlungs-Erkundungs-Reise“ quer durch Deutschland im Sommer diesen Jahres landeten wir durch Zufall auch in einer kleinen, gerade neu eröffneten Buchhandlung: Nicolibri in Schlangen.
Die Inhaberin Nicole Bettermann hat mich mit ihrem Optimismus, ihrem Enthusiasmus und ihrer kreativen Kompetenz nachhaltig beeindruckt und (wieder) ermutigt. Sie repräsentiert für mich einen zeitgemäßen, intelligent vernetzten, engagierten und in Wort, Tat und Sortiment inspirierenden Buchhandel – ganz nah an den Menschen vor Ort. Eine Bereicherung!
6) Von welchem Thema wollen Sie (warum) im neuen Jahr nichts mehr lesen?
Von dem Thema: “ ……………… „, weil es lähmend unkonstruktiv ist und nervt.
(WOW – das Wünschen funktioniert ja jetzt schon !!!)
7) Und über welches Thema wollen Sie mehr lesen?
Über erfolgreiche, branchen- und institutionsübergreifende Initiativen gegen den Frequenzrückgang in den Innenstädten und über Projekte wie Paulina Fröhlichs „Kleiner 5“.
8) Welchen Fehler aus diesem Jahr möchten Sie im kommenden Jahr vermeiden?
Zu viele „Ein-Schritt-vor-zwei-Schritte-zurück-Momente“ zu dulden.
9) Und welchen Fehler werden Sie trotzdem wiederholen?
Meinem Bauchgefühl zu oft zu misstrauen.
10) Welches Buch hat Ihnen in diesem Jahr besonders viel Freude gemacht?
Besonders aufgewühlt, irritiert, begeistert, beschämt und beschäftigt hat mich das Buch HERZ AUF EIS von Isabelle Autissier, übersetzt von Kirsten Gleining, das im Mare Verlag erschienen ist… für mich ein „Lebensbuch“.
11) Welches wird ihr wichtigstes Buch im neuen Jahr?
Der erste Teil der Trilogie NEVERMOOR von Jessica Townsend. DAS Buch der Messe 2016. Bereits in 28 Länder verkauft, wird es – übersetzt von Franca Fritz und Heinrich Koop, mit einem wirklich sensationellen Cover von Eva Schöffmann -Davidov- im Februar 2018 bei Dressler erscheinen und STRAHLEN… Ein einzigartiges, magisches, unglaublich fantasievolles und bildgewaltiges Erzähluniversum voller Wunder! Das wird was, wenn sich die Pforten zu NEVERMOOR endlich öffnen…
12) Von wem würden Sie auch gern mal die Antworten auf diesen Fragebogen lesen?
Von dem Dichter Reiner Kunze, dessen Antworten (und Fragen) mir immer Orientierung waren. Bei einer persönlichen Begegnung vor vielen Jahren hat er mir u.a. den anstrengenden Rat „Lassen Sie sich nicht korrumpieren“ mit auf meinen Weg gegeben…
13) Und welche Frage, die wir nicht gestellt haben, hätten Sie gern beantwortet?
Wen werden Sie im nächsten Jahr besonders vermissen?
Hier können Sie die auch beantworten: Meine ehemalige Kollegin Dorothea Rechenberg, die in diesem Jahr gestorben ist. Sie hat meiner Familie und mir nicht nur ihre wunderbare Freundschaft geschenkt, sondern mich auch gelehrt, mich selbst nicht so wichtig zu nehmen. Eine kluge, wortgewandte Sparringspartnerin, die einige schmerzhafte Treffer gelandet hat. Von ihr stammt u.a. die geistreiche Feststellung, dass, wenn man (z.B. in Verhandlungen) das sichere Gefühl hat, gerade einmal wieder schlauer als ALLE anderen zu sein, 100%ig etwas ganz O B E R F A U L ist…
Gestern beantwortete Jürgen Brandt unseren „anderen“ Fragebogen. Morgen sprechen wir mit David Mesche über sein Jahr 2017.