Alan Bennetts Roman „Die souveräne Leserin“ über die Leselust der Queen war vor mehr als zehn Jahren ein Bestseller. In „Der Souveräne Leser“ schreibt der Autor nun über die eigenen Lese-Obsessionen, aber erreichen die derzeit den Leser? Das war Anlass für ein „Autorengespräch“ mit seiner Verlegerin Dr. Susanne Schüssler:
Mein Kultsender Deutschlandfunk Kultur war fast euphorisch über das Lesevergnügen mit dem neuen Bändchen von Alan Bennett, er beeindrucke wieder „mit viel Fantasie“ . Aber hat der „Der Souveräne Leser“ noch vor Corona im Buchhandel gezündet?
Susanne Schüssler: Wir haben ungeheuer Glück gehabt, alle unsere wichtigen Neuerscheinungen sind seit Anfang März draußen beim Handel. Und der unabhängige Buchhandel war vor zehn Jahren schon in der Hauptsache verantwortlich für den Erfolg von Die souveräne Leserin. Der unabhängige Buchhandel ist für uns zentral.
Das sagen gern alle Verlage…
… aber bei uns ist es mehr als ein Lippenbekenntnis. Die Buchhändler wissen es, wie wichtig sie uns sind, dass wir auf ihre Freude an der Lektüre unbekannter Autoren bauen, auf ihren Enthusiasmus diese dann zu empfehlen, auf ihre Sachkenntnis bei der Auswahl der Bücher. Wir freuen uns über ihre Rückmeldungen und unterstützen sie mit Leseexemplaren, meterweise SALTO-Leinen, mit maßgeschneiderten Aktionen und Dekomaterialund mit fairen Konditionen.
Und auch jetzt in Coronazeiten jetzt mit verlängertem Zahlungsziel, wie wir hören..
Damit sind wir sicher nicht allein. Und wir sind bei prolit in bester Hand, wenn es darum geht, solche Fragen abzustimmen. Wie viele meiner Kollegen sind wir begeistert von Berichten über und aus diesen Buchhandlungen: Sie sind unglaublich kreativ, um ihre Kunden unter extrem erschwerten Bedingungen weiterhin zu beraten und die Bücher an die Frau und den Mann zu bringen: Sie schwingen sich aufs Fahrrad, hängen Tüten vor die Tür, verabreden klandestine Übergaben …
… Schockstarre bringt ja auch nichts.
Genau, aber Aktivität hilft in schwierigen Zeiten. Derzeit ist die Solidarität groß und das Buch immerhin mancherorts als „Lebensmittel“ angesehen. Auch wenn sich ökonomisch unterm Strich manches nicht rechnet, zahlt es sich am Ende – hoffentlich – aus: Ich wünsche den Buchhändlern Kunden, die sich noch länger daran erinnern, wer sie mit Büchern versorgt hat und wer nicht.
Wie ist denn Ihre Grundstimmung jetzt?
Verhalten zuversichtlich. Toll ist auch, dass bisher wenig remittiert wird, und das was zurück kommt sind in normalem Masse ältere Titel. Und dass „Klassiker“ nachbestellt werden, Bücher, die man schon längst gelesen haben wollte, von den „Gärten der Finzi-Contini“ von Bassani bis Michel Houellebecqs „Ausweitung der Kampfzone“ oder Francesca Melandris Roman „Alle, ausser mir“. Da hüpft das Herz der Verlegerin – die Backlist ist uns wichtig.
Wie aber die aktuellen Frühjahrstitel verkaufen, die die Kunden eben nicht in ihrer Buchhandlung liegen sehen?
Was offensichtlich hilft, sind gute Besprechungen: Ende Januar erschien Marina Frenks Debüt „ewig her und gar nicht wahr“. Einige Veranstaltungen mit der Autorin-Sängerin-Schauspielerin fanden statt, fast zwanzig weitere mussten wir absagen. Zum Glück gab es enthusiastische Presse: Und selbst in den letzten drei Wochen wurde der Titel kontinuierlich weiter bestellt. Schwieriger ist es für eine Reihe wie SALTO, die man „sehen“ muss.
Warum muss man die sehen??
Im März haben wir ja das wunderbare Buch Der souveräne Leser von Alan Bennett ausgeliefert. Das liegt nun in Stapeln in allen Buchhandlungen – und kein Leseschwein sieht es. Es ist ja in gewisser Weise selbsterklärlich: Bennett at his best, witzig, frech und selbstironisch erzählt von seinen Leseerfahrungen und gibt wie in der „Souveränen Leserin“ en passant Lektüretipps. Aber dann ist es ein so schön gemachtes, knallrotes Leinenbändchen, das man gern in die Hand nimmt und beschnüffelt. Kann man jetzt nicht. Und auch mit dem Verschenken ist es so eine Sache, man wird ja zu niemanden eingeladen. Aber Bennett hat seine treuen Fans in der Presse und bei den Bloggern.
Ihr Wunsch also jetzt?
Mein Tipp für Buchhändler als Angebot für ihre Kunden: Zu Ostern ein Buch an jemanden zu schicken – es darf gern ein SALTO-Bändchen sein – , dem man gern ein kleines Geschenk machen möchte. Drei Fliegen mit einer Klappe: Man selbst freut sich über die gelungene Überraschung, der Beschenkte ebenso, und die Buchhandlung macht den bitter nötigen Umsatz!
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Die Fragen stellte Christian von Zittwitz