Der Ruhland Verlag hat ein paar Gedanken zusammengefasst: „Zum zweiten Mal ist nun der Deutsche Verlagspreis vergeben worden, mit dem außergewöhnliche verlegerische Profile kleiner und unabhängiger Verlage ausgezeichnet werden sollen, Verlage, ‚die unsere Kulturlandschaft so facettenreich gestalten, die mit ihren Werken neue Ideen hervorbringen und gesellschaftliche Debatten anstoßen. Das Buch ist ein Kulturgut und der Deutsche Verlagspreis ein klares Bekenntnis dazu!‘
Auch in diesem Jahr haben wir uns wie viele andere Verlage mit diesen Zeilen angesprochen gefühlt; auch in diesem Jahr wurden wir und viele andere Verlage nicht berücksichtigt. Darüber enttäuscht zu sein, heißt nicht, den Siegern ihren Sieg nicht zu gönnen; dazu Fragen zu stellen, heißt nicht, damit zu den ewigen Nörglern zu gehören. Ungeachtet der Tatsache, dass wir eine Initiative zur Stärkung der unabhängigen Verlage begrüßen und jedem ausgezeichneten Verlag diese Würdigung von ganzem Herzen gönnen, möchten wir diese Gelegenheit nutzen, um ein paar Gedanken zusammenzufassen.
Von den nun ausgezeichneten Verlagen wurden 27, also fast die Hälfte, in beiden Jahren ausgezeichnet; insgesamt wurden bisher hundert Verlage ausgezeichnet – gut 230 Verlage wurden dabei nicht berücksichtigt, von
denen sicherlich sehr viele so wie wir auch die offiziellen Kriterien genauso erfüllen wie die ausgezeichneten Verlage und die sich nun wie wir fragen, woran es liegen mag, dass man wieder leer ausgeht. Die Worte, mit denen die Sieger gewürdigt werden, treffen sicherlich in vielen Punkten auch auf viele der nicht gewürdigten Verlage zu.
Sehr viele unabhängige Verlage arbeiten stetig daran, ihr Programm weiterzuentwickeln und unter verschärften Bedingungen die Hürden der Aufmerksamkeit in den Medien und am Buchmarkt zu nehmen und für den Erfolg seriöse Kooperationspartner zu finden. Dabei erleben unabhängige Verlage oft genug, dass ihr Engagement ins Leere geht. Auf den Bestenlisten und unter Preisträgern sind kaum echte berraschungen zu finden, nämlich so gut wie nie unbekannte Autoren und Verlage – dabei ist der Bekanntheitsgrad ja nicht zwangsläufig abhängig von der Qualität, sondern oft Resultat von Werbeetat und Verflechtungen. Dass die Etablierung eines Verlags und seiner Autoren Knochenarbeit ist, ist jedem klar, natürlich auch, dass Buchhändler keine Ladenhüter einkaufen wollen und Vertriebsprofis nur dann interessiert sind, wenn für sie auch etwas drin ist. Wenn aber das, was man nicht kennt, im Vorfeld bereits aussortiert wird, einfach weil man es nicht kennt und weil es noch keine Verflechtungen gibt, dann ist es für unabhängige Verlage nicht oder nur im absoluten Glücksfall möglich, sich zu etablieren – und das trotz Qualität.
Darüber hinaus machen unabhängige Verlage oft genug die Erfahrung, dass die eigenen Titel zwar Beachtung finden – am Ende hat man aber unsere Expertise abgegriffen, jedoch ohne uns oder die herangezogenen Titel überhaupt zu nennen. Bei der Entscheidung über den Verlagspreis hat sich die Jury wohl kaum nur auf die Selbstdarstellung in den Bewerbungsunterlagen berufen, sondern aufgrund eigener Wahrnehmung des Verlagsprogramms entschieden. Hierbei muss man sich aber in Erinnerung rufen, dass viele der unabhängigen Verlage im Buchhandel nicht geführt werden und eine enorme Hürde zu nehmen haben, um in einer stark segmentierten Welt bemerkt zu werden, damit eine solche Wahrnehmung im Hinblick auf das eigene Verlagsprofil überhaupt entstehen könnte. Die eigentlich auf viele unabhängige Verlage passenden Begründungen des Verlagspreises lassen vermuten,
dass es eh nur um den Verlagsnamen geht, denn hätten bestimmte Dinge wirklich herausgestochen, würde man diese dann nicht explizit benennen? Gerade das ist es doch, was bekannt zu machen wäre, nämlich: Was genau hebt diesen und jenen Verlag von den anderen ab? So aber entsteht der Eindruck, dass auf die wirklichen Besonderheiten weder Wert gelegt noch diese entsprechend berücksichtigt wurden.
Es stellt sich überhaupt die Frage, wie eine Jury anhand der geforderten Bewerbungsunterlagen die 335 Verlage angemessen kennenlernen und eine faire Entscheidung treffen könnte? Und ist die Leistung der nicht gewürdigten Verlage denn wirklich nicht auf demselben Level wie die der gewürdigten Verlage? Was fehlt denn genau bei den nicht gewürdigten Verlagen? Oder gibt es doch weitere Auswahlkriterien, die nicht bekanntgegeben werden – während viele der offiziellen Auswahlkriterien gar nicht seriös beurteilt werden können, weil man sich nicht in angemessener Weise mit den gut 330 vorgestellten Programmen beschäftigen kann? Der Verlagspreis lässt viele unabhängigen Verlage, die im Tagesgeschäft schon oft genug durch’s Raster fallen, erneut durch’s Raster fallen – obwohl der Verlagspreis ein Preis gerade für die unabhängigen Verlage sein will, für die ‚facettenreiche Kulturlandschaft‘.
Will man mit diesem Preis also nur einige wenige dieser Facetten,
einige wenige nach eng gesteckten Kriterien als etabliert angesehene unabhängige Verlage unterstützen? Dann lohnt sich aber für die anderen die Mühe nicht, sich überhaupt zu bewerben; dann sollte man die eigentlichen Ziele für die Verteilung öffentlicher Gelder auch offenlegen.
Jenen Medienleuten, Buchhändlern und Vertriebspartnern, die uns und unseren Autoren und Titeln bisher eine ehrliche Chance gegeben haben und geben und uns damit helfen, unser Verlagsprofil zu schärfen, danken wir an dieser Stelle ausdrücklich! Den anderen unabhängigen Verlagen, die wie wir viel vorhaben, starke Titel produzieren und wie wir dennoch oftmals durch’s Raster fallen, möchten wir Mut zusprechen und sie einladen, mit uns ins Gespräch zu kommen, denn als unabhängiger Verlag wissen wir das Engagement anderer unabhängiger Verlage in besonderer Weise zu würdigen und hoffen für uns alle, dass wir das Buch auf alte und neue Weise hochhalten können.“
Mit freundlichen Grüßen aus dem Ruhland Verlag
Kaarina Kyröläinen
Danke, sehr geehrte Frau Kyröläinen, für diese offenen und ehrlichen Worte. Was Sie über die Verlage und deren Behandlung schreiben, gilt konsequenterweise leider auch für viele unbekannte Autoren. Und sollte nicht gerade dieser Verlagspreis helfen, aus dem Bereich der Unbekanntheit zu steigen? Das Gegenteil scheint der Fall!
Dennoch machen wir alle weiter! Kunst treibt, man kann nicht anders! Haben Sie eine sonnige Juniwoche! Beste Grüße von einer wenig bekannten Autorin, Silvia Lenzing / Wiehl
Danke für diese Worte. In der Tat ist es geradezu lächerlich, unter dem Motto, Diversität fördern zu wollen, fast die Hälfte der Preise an Preisträger von 2019 zu vergeben. Der Kinzelbach Verlag (seit 33 Jahren am Markt, international bekannt) fiel auch wieder durchs Raster. Mut wäre gut, aber irgendwann werde ich müde und resigniere. Preise gehen oftmals nicht an die besseren, sondern an die besser vernetzen Verlage. Dabei hatte ich wirklich auf die neue Jury gesetzt.
Dem kann ich nur zustimmen. Alle Verlage, die in diesem und im vergangenen Jahr gewonnen haben, sind ohne jeden Zweifel preisverdächtig – auch mehrfach. Trotzdem hätte ich es als fair empfunden, wenn ausgezeichnete Verlage für drei Jahre von der Teilnahme ausgeschlossen gewesen wären, damit auch andere, ebenso engagierte Verlage, eine Chance haben.
Oder aber: Verlage, die bereits mit 20.000 Euro ausgezeichnet wurden, dürfen sich in den Folgejahren ausschließlich um einen der drei Hauptpreise bewerben, die Preisträger der 60.000 Euro sind für fünf Jahre gesperrt. Auch das fände ich fair.
Wenn alles so bleibt wie jetzt, scheint es mir auch eher eine verdeckte Verlagsförderung für die etabliertesten unabhängigen Verlage zu sein. Und wir bräuchten zwar dringend eine systematische Förderung wie Österreich und die Schweiz, aber dann doch bitte für alle!
Sehr gut! Genauso fühle ich mich auch als Autorin. Immer wieder tauchen dieselben Namen in den Besprechungen auf.
Der Leipziger Buchpreis machte es ebenso deutlich.
Sowohl Ingo Schulze als auch Lutz Seiler hatten den Preis schon einmal bekommen.
Als gäbe es keine anderen großartigen Erzähler, und als wären all die
Unabhängigen Verlage nicht den Blick in ihr Programm wert.
Und trotzdem: Weiter im Text!
Ich bin ja kein Verleger, aber dass nun der Deutsche Verlagspreis 2020 nur ungefähr 7 Monate nach dem Deutschen Verlagspreis 2019 vergeben wurde, fast siebzig Preisträger benannt wurden, ungefähr die Hälfte der 2020-Preisträger auch 2019-Preisträger waren – das stimmt mich doch wenig freudig. 20.000: das ist üppig, von den 60.000 für einen Spitzenpreis kein weiteres Wort. Schön schön, die Gewinner werden sich wohl überwiegend verdientermaßen freuen, aber der Deutsche Verlagspreis hat was von einer Gießkanne, deren Tülle breit verteilt – und manche bekommen doppelt und bald vielleicht dreifach Wasser, aber andere wieder und wieder nicht. Mal abgesehen von den Fragen, wie glaubwürdig die Jury derart viele Anträge tiefgehend durcharbeiten kann, und welche konkreten Kriterien da zur Anwendung kamen: sagen wir, wie es ist: dieser Preis ist nicht durchdacht! Entweder man macht aus ihm eine echte Spitze, oder man lässt es, oder man sorgt für Wasser für alle. Es hätten ja Kategorien sein können: die einen ragen heraus, die anderen sind sehr gut, die dritten sind gut – und wer sich noch unterhalb der Mitte müht, bekommt dafür eine eben kleinere Anerkennung. Und man sollte gleich gar nicht jedes Jahr solche Preise auf die bisherige Weise austeilen. Denn wer jetzt einen Preis bekommt, hat damit wahrscheinlich deutlich bessere finanzielle und damit eben doch auch verlegerische Möglichkeiten, als die, die leer ausgingen. Und wer zweimal gewinnt, hat dann zweimal bessere Möglichkeiten…