Wie anfangen? Nach einem Monat, der unserer ohnehin zerbröselnden Welt erschütternde Nachrichten unsäglicher Grausamkeiten beschert hat. Es ist spätabends und morgen soll diese Kolumne online gehen – und das procedure as usual fällt mir schwer. Doch gleichzeitig ist für mich die Beschäftigung mit Büchern und mit Literatur genau das, was mir Halt gibt in dieser Zeit, die aus den Fugen zu geraten scheint – und vermutlich geht es vielen anderen Leserinnen und Lesern ebenso. Und daher wird es diesen Netzrückblick geben. Doch beginnen möchte ich mit dem Hinweis auf einen Artikel von Beatrice Frasl, den sie unter dem Titel »Was gesagt werden muss« in der Wiener Zeitung veröffentlicht hat. Mit der großen Bitte, diesen Text zu lesen und auf so vielen Kanälen wie möglich zu teilen. Es sind harte Worte, es geht um das unfassbare Leid der Opfer terroristischer Bestien, die in Israel wüteten, um den weltweit eskalierenden Antisemitismus, um das dröhnende Schweigen der ansonsten Dauerempörten – und sie treffen exakt ins Mark.
Im Blog literaturleuchtet war ein Beitrag in Arbeit, in dem es um Literatur aus Israel gehen sollte. Er ist dann einige Tage nach dem 7. Oktober online gegangen, mit einer brutalen Aktualität, die erschütternd ist.
Rund um die Frankfurter Buchmesse sind die Medien voller Buchtipps, doch bei genauem Hinsehen wiederholen sie sich oft und stammen meist aus den üblichen bekannten Verlagshäusern. Im Blog intellectures hat Thomas Hummitzsch eine feine Auswahl an lesenswerten Büchern aus unabhängigen Verlagen zusammengestellt. Es sind spannende Leseempfehlungen zusammengekommen; »Indie-Perlen in Bücherfluten« lautet der Titel des Blogbeitrags – und genau das sind sie.
Im Blog Literaturreich stellt Petra Reich Bücher aus Slowenien vor, dem diesjährigen Buchmesse-Gastland. Auch hier gibt es einiges zu entdecken.
Und im Blog literaturundfeuilleton werden gleich mehrere Titel aus der Buchpreis-Longlist hintereinander besprochen. Dabei sind der Preisträger-Titel »Echtzeitalter« von Tonio Schachinger, »Unschärfen der Liebe« von Angelika Overath, »Die Möglichkeit von Glück« von Anne Rabe, »Maman« von Sylvie Schenk und »Birobidschan«von Tomer Dotan-Dreyfus.
Nicole Seifert schreibt in ihrem Literaturblog Nacht und Tag über ein großartiges editorisches Projekt: Sie und Magda Birkmann sind die Herausgeberinnen der Reihe rororo Entdeckungen. Darin erscheinen pro Halbjahr drei Romane vergessener Autorinnen des 20. Jahrhunderts aus aller Welt. Und die ersten drei Bände liegen nun vor.
Im Blog Buch-Haltung ist für Marius Müller »Wie sterben geht« von Andreas Pflüger einer der besten Thriller des Bücherherbstes, wenn nicht des ganzen Jahres. Vor zwei Tagen habe ich den Roman beendet und kann dieser Aussage voll und ganz zustimmen.
In seinem Blog leseschatz hat Buchhändler Hauke Harder den Leseschatz des Jahres gehoben. Es ist das Buch, oder vielmehr das Gesamtkunstwerk »Lose Blätter« von Ragnar Helgi Ólafsson. Im Text gibt es eine ausführliche Begründung für die Entscheidung.
Marina Müller-Nauhaus ist eine der Literaturbloggerinnen, die den Bayerischen Buchpreis offiziell begleiten. In ihrem Blog Nordbreze schreibt sie darüber.
»Der Anfang vom Ende« von Mark Aldanow ist der Titel eines lange vergessenen und jetzt wiederentdeckten russischen Romans. Constanze Matthes stellt ihn in ihrem Blog Zeichen & Zeiten vor. Im auf Osteuropa spezialisierten Blog Literaturpalast rezensiert Tino Schlench den Roman »Was suchst du, Wolf?« von Eva Viežnaviec. Und im Blog read eat live gibt es eine eine wunderbare Besprechung des Romans »Das lügenhafte Leben der Erwachsenen« von Elena Ferrante.
Die Glockenbachwelle ist ein Podcast-Gemeinschaftsprojekt zwischen der Glockenbach-Buchhandlung in München und der Bloggerin Stephanie Sack. Es gibt eine neue Folge, diesmal sind die Illustratoren Dorothea und Jürgen Blankenhagen zu Gast. Im Blog Nur Lesen ist schöner gibt es mehr dazu – und natürlich den Link zum Hören.
Im Blog Bleisatz bin ich auf ein faszinierendes Projekt gestoßen, das mir sehr gut gefällt: Bloggerin Bettina Schnerr sammelt Zeitangaben-Zitate aus Büchern. Sie schreibt dazu: »Jeder Tag hat 1440 Minuten. In der Bleisatz-LiteratUhr sollte sich irgendwann jede dieser Minuten wiederfinden, denn Geschichten geschehen nicht nur rund um die Welt, sondern auch rund um die Uhr. Was ich hier sammle, sind die zugehörigen Sätze aus den Büchern, die ich lese. Egal, wie kurz die Sätze seien mögen.« Und es sind schon ziemlich viele Textschnipsel zusammengekommen.
Damit komme ich zum Ende, das war die Oktober-Kolumne 2023. Wir lesen uns in vier Wochen wieder.
Uwe Kalkowski ist seit 30 Jahren in der Buchbranche tätig und kennt sie aus unterschiedlichen Perspektiven: Als Buchhändler, als Absolvent des Studiengangs Verlagswirtschaft in Leipzig und als Mitarbeiter verschiedener Verlage. Seit August 2019 arbeitet er als Produktmanager für den Eichborn Verlag in Köln. In seinem Blog Kaffeehaussitzer schreibt er über Bücher, Literatur und Leseerlebnisse und stellt in der monatlichen Kolumne »Kaffeehaussitzers Netzrückblick« auf buchmarkt.de lesenswerte Fundstücke aus den unterschiedlichsten Literaturblogs vor. »Vollkommen subjektiv, handverlesen und rein persönlich ausgewählt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, denn eine solche kann es in einer so vielschichtigen Szene gar nicht geben«, wie er sagt.