Danach fragen Kunden Umgeblättert heute: Ein „bemerkenswert schönes Debüt“

Jeden Morgen blättern wir für Sie durch die Feuilletons der führenden Tageszeitungen – damit Sie schnell einen Überblick haben, wenn Kunden ein bestimmtes Buch suchen oder Sie nach einer Idee für einen aktuellen Büchertisch:

  • „Attacken in Oxford“: Zur eigenen Stimme finden in einer Männerdomäne: Zwei Bücher widmen sich vier englischen Philosophinnen, die prominente Positionen ins Visier nahmen. „Philosophische Aussagen erheben gewöhnlich Anspruch auf Allgemeingültigkeit, entspringen aber stets einem spezifischen Kontext. Gleich zwei Bücher widmen sich nun vier bedeutenden Philosophinnen, deren Lebenswege sich in einem prägenden historischen Moment kreuzten. Als die Universität Oxford mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in den Notbetrieb wechselte und ein Großteil der männlichen Studenten sowie viele Wissenschaftler zum Militär gingen, blieben Elizabeth Anscombe, Philippa Foot (damals: Bosanquet), Iris Murdoch und Mary Midgley (damals: Scrutton) zurück.“
    Clare Mac Cumhaill und Rachael Wiseman, The Quartet. Wie vier Frauen die Philosophie zurück ins Leben brachten (aus dem Englischen von J. Hagestedt, F. Lachmann und A. Thomsen; Verlag C. H. Beck)Benjamin J. B. Lipscomb, The Women Are Up to Something. How Elizabeth Anscombe, Philippa Foot, Mary Midgley, and Iris Murdoch revolutionized Ethics (Oxford University Press)
  • „Kontrastierende Soziologien in Kooperation“: Parallelaktion in Sachen Demokratieförderung: Fabian Link untersucht Entwicklungslinien der westdeutschen Sozialwissenschaft nach 1945. „Manche wertvolle Einsicht droht in diesem Textmassiv unterzugehen. Dabei verdeutlicht dieses Buch doch faktenreich, wie kontaminiert das Feld der Sozialwissenschaften in der Bundesrepublik war und wie es gleichwohl zu Kooperationen zwischen Trägern, Mitläufern und Opfern des NS-Regimes auf dem Feld der Soziologie in der Bundesrepublik kommen konnte – ob sie nun einem Denkkollektiv angehörten oder nicht.“
    Fabian Link, Demokratisierung nach Auschwitz. Eine Geschichte der westdeutschen Sozialwissenschaften in der Nachkriegszeit (Wallstein)
  • „Barfuß im Wald“: Dorota Danielewicz erzählt von Frauen, die aus Belarus flohen. „Zwar ähneln sich die Geschichten: meist eine recht unpolitische Vergangenheit der Protagonistin, Teilnahme an friedlichen Protesten, dann ein paar Tage im Gefängnis, schließlich die Flucht vor dem Termin der Gerichtsverhandlung und die Einsamkeit im Exil. Doch in den Details zeigt sich die individuelle Erschütterung, durch die das kollektive belarussische Trauma jenes Sommers auch für Außenstehende greifbar wird.“
    Dorota Danielewicz, Der weiße Gesang. Die mutigen Frauen der belarussischen Revolution (Europa Verlag)

  • „Leben, unbeschönigt“: Claude Sautet machte Filme, die nüchtern, nachdenklich und stets rauchumnebelt wirken. Seine Gespräche mit Kritiker Michel Boujut sind jetzt als Buch erschienen. „In den Gesprächen mit dem Kritiker Michel Boujut, die über zwanzig Jahre nach dem Tod Sautets zum ersten Mal auf Deutsch erscheinen, wird der Regisseur einmal gefragt: ‚Worum geht es in dem neuen Film?‘, und er erwidert, dass er diese Frage nie beantworten könne.“
    Claude Sautet. Regisseur der Zwischentöne. Gespräche mit Michel Boujut (Alexander Verlag)
  • „Nach Hause, aber wohin?“: Die Kindheit in Niederbayern, der Motorradunfall des Vaters: In Johannes Laubmeiers Debüt versucht sich einer zu erinnern – an eine Vertrautheit, die es womöglich nie gab. „Ein Marterl, das wissen die Bayern und ihre Touristen, ist eine Tafel an einem Baum, einem Felsen oder auf einer kleinen Säule, die anzeigt, dass just an diesem Platz jemand jäh ums Leben gekommen ist. (…) Wie nebenbei beschreibt der Erzähler ein paar Marterl, die er im Umland von A. entdeckt. Aber in Wahrheit ist dieser Debütroman selbst das Marterl – und ein bemerkenswert schönes dazu.“

    Johannes Laubmeier, Das Marterl (Tropen)

  • „Endstation Untergang“: Anastasia Samoylova entzaubert Florida als subtropischen Fiebertraum. „Überall kriecht und wuchert und suppt das Ende der Zivilisation in Samoylovas Florida durch die Fugen und Risse. Menschen sind da eher Statisten im Drama ihres eigenen Untergangs.“

    Anastasia Samoylova, Walker Evans, Floridas. Mit einer Kurzgeschichte von Lauren Groff. Essay von David Campany (Steidl)

  • „Was lesen Sie … Steffen Mau?“: „Ganz oben auf meinem Stapel liegt Stephan Malinowskis Die Hohenzollern und die Nazis, diesjähriger Gewinner des Deutschen Sachbuchpreises. Das Buch ist Sittenporträt und Milieustudie der prominentesten Familie des deutschen Hochadels mit ihren vielfältigen, oft schamlosen Versuchen, an Einfluss zu gewinnen. Da steckt viel soziologische Analyse drin, etwa die Frage, wie anstrengungsloser Wohlstand auf unlautere Weise gemehrt und verteidigt werden kann. Toll recherchiert, sprachlich elegant, fast krimihaft geschrieben.“
  • „Diese verdammte Uneigentlichkeit“: Carla Kaspari hat einen der wenigen guten Twitter-Accounts. Und jetzt ihren ersten Roman. „Der Roman erinnert dabei mit seiner auf eher dunkle Art humorvollen Perspektive auf ein studentisches Milieu und der so präsenten weiblichen Körperlichkeit fast ein wenig an den Bestseller Normale Menschen der gleichaltrigen Irin Sally Rooney. Einen Teil des Welterfolgs von Rooney kann man Carla Kaspari nur wünschen, den besseren Twitter-Account hat sie schon.“
    Carla Kaspari, Freizeit (Kiepenheuer & Witsch)

 

  • „Spiel noch einmal für mich, Habanero“: Schmalz, Rebellion, Identitätspolitik: Jens Balzer untersucht den deutschen Pop und seine Sprache. „Der Kulturjournalist Jens Balzer entwickelt sich langsam, aber sicher zum Genealogen der deutschen Popkultur. (…) Sein neues Buch Schmalz und Rebellion. Der deutsche Pop und seine Sprache ist eine prägnante Genealogie der deutschen Popmusik von den 50ern bis in die Gegenwart. Da Popkultur ein transnationales Phänomen ist, liegt es nahe, den Fokus auf die Texte zu legen: Wie wurde in Deutschland die Popkultur lokalisiert?“
    Jens Balzer, Schmalz und Rebellion. Der deutsche Pop und seine Sprache (Duden)
  • „Mehr als eine Fähigkeit“: Die Buchbranche leidet, zeigt gute Nerven und hat einen konkreten Vorschlag für die Politik. „Eine gebeutelte Branche mit guten Nerven zeigte sich bei der Vorstellung der Wirtschaftszahlen für das vergangene Jahr. Der Buchhandel sei bisher ganz gut durch die schwierige Pandemie-Zeit gekommen, betonte Börsenvereinsvorsteherin Karin Schmidt-Friderichs, die Branche habe ihre Resilienz unter Beweis gestellt, ihre Begeisterungs- und vielleicht auch ihre Leidensfähigkeit. Gleichwohl zeichne sich nach einem soliden Plus von 3,5 Prozent für 2021 ein – gemessen an den ersten Monaten – schlechtes Jahr 2022 ab.“
  • „‚Fast täglich hört eine Epoche auf'“: Frische Beobachtungen, aufblühende Erinnerungen: Neuer und gesammelter poetischer Realismus des Dichters Jürgen Becker, der am Sonntag seinen 90. Geburtstag feiert.
    Jürgen Becker, Gesammelte Gedichte 1971-2022 (hrsg. v. Marion Poschmann; Suhrkamp)Jürgen Becker, Die Rückkehr der Gewohnheiten – Journalgedichte (Suhrkamp)
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