Danach fragen Kunden Umgeblättert heute: „Warum wir 150 Jahre nach seinem Tod Franz Grillparzer wieder lesen sollten“

Jeden Morgen blättern wir für Sie durch die Feuilletons der führenden Tageszeitungen – damit Sie schnell einen Überblick haben, wenn Kunden ein bestimmtes Buch suchen oder Sie nach einer Idee für einen aktuellen Büchertisch:

 

„Von guten und bösen Imperialisten“: Ein Bildatlas und eine Anthologie sind die Bilanz eines Forschungsprojekts zur Geschichte des Kunstraubs. Dabei überlassen die Herausgeber allzu oft Ideologen das Wort. „Historischer Kontext ist eben das A und O in kulturgeschichtlichen Erzählungen, auch dort, wo es um translozierte Objekte geht. Deshalb ist es bedauerlich, dass keiner der beiden Bände ein Kapitel zur Geschichte der Kulturzerstörungen – also der Translokation ins Nichts – enthält. Noch bedauerlicher ist es, dass die Herausgeber an ein paar entscheidenden Stellen ihres Diskurses die Bühne den Ideologen überlassen haben.“
„Beute“. Eine Anthologie zu Kunstraub und Kulturerbe. (hrsg. von Bénédicte Savoy, Robert Skwirblies und Isabelle Dolezalek; Matthes & Seitz Verlag)
„Beute“. Ein Bildatlas zu Kunstraub und Kulturerbe (hrsg. von Bénédicte Savoy, Merten Lagatz und Philippa Sissis; Matthes & Seitz Verlag)

„Willkommen in der Postspätmoderne“: Gesellschaftstheorie unter Beschleunigungsdruck: Andreas Reckwitz und Hartmut Rosa pflegen schonenden Umgang miteinander. „Andreas Reckwitz und Hartmut Rosa fragen, was die Gesellschaftstheorie leistet. Das wäre sicher ein guter Titel für einen Sammelband mit Beiträgen zu allen aktuellen Gesellschaftstheorien mit ihren konkurrierenden Erklärungsansprüchen im Sinne eines tatsächlichen Leistungsvergleichs. Stattdessen stehen in diesem Buch zwei lange Kapitel beziehungslos nebeneinander, deren Autoren im Text selbst nie (Reckwitz) oder höchstens nebenbei (Rosa) auf die Gesellschaftstheorie des Ko-Autors eingehen.“
Andreas Reckwitz und Hartmut Rosa, „Spätmoderne in der Krise“. Was leistet die Gesellschaftstheorie? (Suhrkamp Verlag)

„Statt Brüssel“: Nikolaus Hasse mustert Bestimmungen des Europäischen. „Das vielleicht nicht überraschende, aber in der bündigen Behandlung lehrreich erreichte Resümee: Keine Essenz europäischer Kultur lässt sich be­stimmen, sondern ein Netz kul­tureller Formen und Praktiken. Was natürlich nicht gegen das euro­päische Projekt spricht, sondern nur zeigt, dass ihm die allzu großzügigen Beschwörungen eines einigenden kul­turellen Erbes gar nicht gerecht werden.“
Dag Nikolaus Hasse, „Was ist europäisch?“ Zur Überwindung kolonialer und romantischer Denkformen (Reclam Verlag)

„Zeit der Seher und Begabten“: Warum wir 150 Jahre nach seinem Tod Franz Grillparzer wieder lesen sollten. „Er ist der deutschsprachige Dramatiker des Krieges schlechthin, der Krieg bildet nicht bloß die Kulisse, den dramaturgischen Rahmen, er ist vielmehr das verheerende Ereignis, welches das Leben jedes Einzelnen bestimmt. Der Krieg ist von König Ottokars Glück und Ende bis zum Bruderzwist im Hause Habsburg stetig präsent, nicht als Spielfeld, auf dem der Held sich zu bewähren hat, sondern als blutdurchtränktes Schlachtfeld, auf dem jeder zugrunde geht, sei es, dass sein Körper zerhauen wird oder seine Seele zerbricht.

„Raus aus dem Stahlbad der Ironie“: Lea Schneider und Odile Kennel zerlegen in ihren neuen Essays über Scham und Lust alles, was der Philosophie seit der Aufklärung heilig ist. „Der bewährten Rationalität ist immer ein Gerüst von Macht und Herrschaft eingezogen, die Kreativität der Scham dagegen geht aus von Verletzlichkeit, kalkuliert das Risiko ein zu leiden oder auch der Gewalt zum Opfer zu fallen.“
Odile Kennel, Lust
Lea Schneider, Scham (Edition Poeticon, Nr. 15 und 16)

 

„Gogol in Kalkutta“: Die indische Schriftstellerin Shumona Sinha lebt in Paris und erzählt in ihrem erstaunlichen Roman Das russische Testament über die Kontinente hinweg. „Dieser Roman mit zwei sehr unterschiedlichen weiblichen Hauptfiguren, Tania aus Kalkutta und Adel aus Sankt Petersburg, enthält nicht nur Lebensbilder aus dem 20. Jahrhundert, er beschwört die universelle Kraft von Literatur. Während in den Medien noch engagiert debattiert wird, wie die weiße und eurozentristische Wahrnehmung geändert werden könnten, erzählt Shumona Sinha selbstverständlich über die Kontinente hinweg.“
Shumona Sinha, Das russische Testament. Roman (a. d. Franz. v. Lena Müller; Edition Nautilus)

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert