Juni also. Und ein schöner Sommerabend. Dieser Netzrückblick wird etwas reduzierter daherkommen, es gibt genau zehn Leseempfehlungen aus der Welt der Literaturblogs. Das hat selbstverständlich keineswegs damit zu tun, dass ich den Abend lieber mit einem Glas eiskalten Rosé auf dem Balkon verbringen möchte statt vor dem Notebook. Aber die zehn Lektüretipps sind so unterschiedlich, dass sie beispielhaft stehen für die bunte Szene der Literaturblogs – und diese Kolumne möchte wie jeden Monat dazu einladen, sie flanierend zu entdecken.
TraLaLit ist eigentlich kein Blog (mehr), sondern ein Online-Magazin zum Thema Literaturübersetzungen. Das einzige, soweit ich weiß und es ist immer einen Besuch wert. Im Beitrag »Übersetzende als Hauptfiguren« geht es um fünf Romane, in denen Übersetzerinnen oder Übersetzer zentrale Rollen spielen.
Ende Mai hat die Schriftstellerin Jenny Erpenbeck mit ihrem Roman »Kairos« als erste Deutsche den International Booker Prize gewonnen. In seinem Blog AISTHESIS bespricht Lars Hartmann das Werk. Ausführlich, präzise, lesenswert.
Im Blog Pan Tau Books (was für ein schöner Name übrigens, ich habe sofort einen der Serienhelden meiner Kindheit vor Augen) stellt Svenja Dieken den Roman »aufrappeln« von Judith Poznan vor. Und macht neugierig darauf.
Sandra von Siebenthal bespricht auf Denkzeiten das Buch »Abhängigkeit« von Tove Ditlevsen. Und erinnert mich daran, dass es – zusammen mit den anderen beiden Bänden der Kopenhagen-Trilogie – schon länger ungelesen bei mir im Regal steht. Höchste Zeit, das zu ändern.
Mordechaj Gebirtig war einer der wichtigsten jüdisch-polnischen Dichter des 20. Jahrhunderts, dessen auf jiddisch geschriebene Lieder und Gedichte Zeugen des Untergangs einer Welt sind. 1942 wurde er in Krakau von einem der vielen Mörder in Wehrmachtsuniform erschossen. Die Jüdische Historische Kommission in Krakau gab 1946 einen schmalen Nachlassband heraus – der als Nachdruck zur Zeit kostenlos erhältlich ist. Im Blogbeitrag auf Bücheratlas wird ausführlich darüber berichtet. Und wer mehr über Mordechaj Gebirtig erfahren möchte, dem sei das Buch »Es brennt« aus dem homunculus Verlag empfohlen.
»Jena 1800« von Peter Neumann ist eines dieser Bücher, die uns einen wunderbar lebendigen Einblick in eine spannende Zeit vermitteln. Im Blog erzaehlwas.de wird es vorgestellt.
Im Blog Leselebenszeichen geht es um historische Rosen. Zwar würde ich nicht unbedingt sagen, dass ich einen grünen Daumen habe – aber dieses Buch ist eine wahre Augenweide.
Im Blog buchpost wird Michaela Karls Biographie über Maeve Brennan besprochen, die den wunderbaren Titel trägt: »Ich würde so etwas nie ohne Lippenstift lesen«.
Ein Krimi, der 1920 in Niederschlesien spielt? Das klingt für mich persönlich schon nach einem Must-Read. Nach der Besprechung im Blog Kaliber .17 umso mehr.
Margot Friedländer ist eine der beeindruckendsten und inspirierendsten Persönlichkeiten unserer Zeit. Im Blog altmodisch:lesen wird ihre bereits 2008 erschienene Autobiographie vorgestellt.
So, das waren die zehn Leseempfehlungen und ich hoffe, ich habe nicht zu viel versprochen. Als Bonustrack gibt es zum Ende noch einen Hinweis auf meinen eigenen Blog Kaffeehaussitzer, in dem ich die leinengebundene Neuausgabe von Kafkas Erzählungen bei S. Fischer mit dem alten Taschenbuch vergleiche, dass mich schon mehr als mein halbes Leben begleitet. Und warum bei aller Schönheit des Leineneinbands das verschrammte, zerknickte und angegilbte Taschenbuch immer ein Teil von mir sein wird. Es ist papiergewordene Erinnerung, wertvoll und unersetzlich.
Und jetzt wartet der Balkon, ein eiskalter Rosé und ein später, schöner Sommerabend. Wir lesen uns wieder.
Uwe Kalkowski ist seit über 30 Jahren in der Buchbranche tätig und kennt sie aus unterschiedlichen Perspektiven: Als Buchhändler, als Absolvent des Studiengangs Verlagswirtschaft in Leipzig und als Mitarbeiter verschiedener Verlage. Seit August 2019 arbeitet er als Produktmanager für den Eichborn Verlag in Köln. In seinem Blog Kaffeehaussitzer schreibt er über Bücher, Literatur und Leseerlebnisse und stellt in der monatlichen Kolumne »Kaffeehaussitzers Netzrückblick« auf buchmarkt.de lesenswerte Fundstücke aus den unterschiedlichsten Literaturblogs vor. »Vollkommen subjektiv, handverlesen und rein persönlich ausgewählt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, denn eine solche kann es in einer so vielschichtigen Szene gar nicht geben«, wie er sagt.