Eigentlich sollte sein jetzt schon zehnter „Herbie Feldmann“-Krimi bereits im Vorjahr im vom ihm geführten KBV Verlag erscheinen. Jetzt erst aber ist „Ein Grab für zwei“ endlich raus und „gleich auf Platz 14 de Independent Bestsellerliste eingestigen“ freut sich Ralf Kramp. Das war Anlass für das heutige Autorengespräch – etwa zu den Fragen: Wann findet ein Verleger Zeit zum Schreiben, und wie hat er bisher die Einschränkungen durch Corona überstanden?
Ralf, das ist wohl nicht jedem im Handel klar, Du bist nicht „nur“ Verleger, sondern auch Autor…
Ralf Kramp: Das stimmt. Ich trenne das tunlichst, damit nicht der Verdacht entsteht, meine Bücher würden im Selbstverlag erscheinen. Ich war zuerst Autor und habe dann später den Verlag übernommen. Bei KBV habe ich ziemlich genau dieselben Freiheiten und Pflichten wie die anderen Autorinnen und Autoren. Im April hätte ich als Autor mein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum gehabt. Und mein Herbie Feldmann ermittelt auch schon zum zehnten Mal in der Eiffel.
Wie kam es zu der Verspätung, hattest Du nicht genug Zeit zum Schreiben?
Zeit zum Schreiben hätte ich ja nun wirklich in rauen Mengen gehabt. Schönes Wetter einen großen Garten, eine gut durchgeplottete Geschichte … aber mir ging es so wie wohl bei vielen Kolleginnen und Kollegen: Der Kopf war einfach nicht freizukriegen. Ständig dieses Warten auf Neuigkeiten, andauernd diese Unsicherheit.
Die Pandemie …
Ja, natürlich. Ständig war ich mit Corona beschäftigt. Stillstand allenthalben. Und als dann im Sommer mal gerade kein Lockdown war (betraf uns ja alles gleich in mehrfacher Hinsicht: Kriminalhaus mit Café, Buchhandlung, Ferienwohnung, Autorenlesungen … alles zu und weg) musste man sich darum kümmern, dass zügig wieder alles anlief und schnell alles mitnehmen, was mitzunehmen war, bevor der nächste Lockdown drohte.
Und wie hast Du da das überstanden?
Ich muss und will gar nicht jammern. Es geht uns gut, wir haben auch finanzielle Unterstützung bekommen, und meine Frau und ich haben sogar in der zwangsweisen Entschleunigung ein paar Vorteile für uns entdeckt. Aber die Entstehung des Romans hat sich eben doch extrem gezogen.
Worum geht es denn diesmal?
Dieses Mal verschlägt es meinen Herbie Feldmann an einen ungewöhnlichen Ort. Er ist ja ein unsteter Geist, der alles ausprobiert und nichts so richtig gut kann. Ich habe für ihn diesmal eine alte Tankstelle als Zentrum des Geschehens gewählt.
Schwingt da bei Dir Nostalgie aus der Kindheit mit?
Tankstellen haben mich schon früh fasziniert. In meiner Kindheit gab es in unserer Nachbarschaft eine LKW-Werkstatt mit Zapfsäulen. Der Besuch einer Tankstelle war immer mit Süßigkeiten verknüpft und mit dem Geruch von Öl und Benzin, den ich liebe. Ich bin gern unter Menschen, und da war für mich eine Tankstelle schon immer eine wunderbare Begegnungsstätte für die kuriosesten Typen.
Deine Tankstelle von früher als Lost Place?
Wenn auch der Spritpreis immer tagesaktuell mit dem großen Weltgeschehen verknüpft ist, neigen unabhängige Tankstellen aber auch mitunter dazu, sich schleichend in kleine Museen zu verwandeln. Die angebotene Ware (außer dem Sprit) muss nicht permanent ausgetauscht werden, die Duftbäumchen haben kein Verfallsdatum, die Bremsbeläge werden nicht schlecht. Tankstellen sind Orte, an denen sich der Staub vielleicht etwas leichter über die Dinge legt als anderswo.
Und kann man diesen Lost Place auch auf einer Landkarte finden?
Er liegt in einer besonders entlegenen Ecke der Eifel, an einer fiktiven ehemaligen Hauptverkehrsstraße, die in den Siebzigern durch den Autobahnbau gekappt wurde. Wer hier nicht gezielt hinwill, kommt nicht hin. Hier nagt der Zahn der Zeit ungestört an allem, und alles rostet vor sich hin. Eingebettet ist das alles in eine ganz reale Eifellandschaft. Nur einen Steinwurf entfernt ist beispielsweise eine bekannte Wildbrücke. Die ist im Roman der Schauplatz eines wirklich dramatischen Geschehens.
Und da geht es drunter und drüber…
Ja, wie es sich für einen Krimi gehört, kriegen die Leserinnen und Leser es mit Mord und Totschlag zu tun, denn der einsame Ort wird mit dem Fund eines Skeletts über Nacht zu einem interessanten Fleckchen Eifel-Erde. Polizei und Presse reisen an, weil alle ein Römergrab dort vermuten.
Ich weiß von Dir, die Eifel ist voll von Überresten römischen Lebens.
Aber Du warst immer noch nicht bei mir. Du verpasst viel: Gräber, Straßen, Wasserleitungen … Ganze Villenkomplexe sind in den letzten Jahrzehnten ans Tageslicht befördert worden. Wenn man weiß, wie unwirtlich die Eifel noch zu Beginn des vorigen Jahrhunderts gewesen sein muss, kann man sich kaum vorstellen, dass sich einmal die sonnenverwöhnten Römer hier wohlgefühlt haben sollen, aber so war es wohl. Dass nach diesem Knochenfund in der Nähe der Tanke plötzlich die Hölle los ist, könnte ein Segen sein, denn das bedeutet ja Umsatz. Aber den Leuten, die die Tankstelle betreiben, sind alles andere als begeistert.
Du arbeitest gern mit Zitaten aus Literatur, Film und Fernsehen. Was ist in „Ein Grab für zwei“ versteckt?
Das Vergraben der Leiche zu Beginn ist schon mal ein Hinweis. Man erinnert sich sehr schnell an einen Film, in dem auch schon einmal ein Toter Schwierigkeiten machte. Bei mir gibt es dieses Mal auch Vögel auf dem Klettergerüst und eine Verfolgungsjagd im Maisfeld, und spätestens wenn Herbie sich bei einer Fete auf einer Dachterrasse in Mechernich „über den Dächern mit Pizza“ wiederfindet, ahnt man, dass man auf der Spur von Alfred Hitchcock ist. Mal gucken, wie viele Zitate die Leute entdecken.
Der Tankstellenbesitzer nennt sich Rost-Horst. Seine Kumpels sind der frisch aus dem Knast entlassene Kleinganove Zorro und der dicke Verkaufswagenfahrer Schmal. Du versorgst Deine Leser wieder mal mit jeder Menge schräger Typen.
Ich glaube, das ist meine Spezialität. Ich habe ein Faible für skurrile Gestalten. Diese Leute machen unser Leben bunt. Jeder kennt sie, und von ihnen erzählt man sich Geschichten, wenn sie schon lange nicht mehr da sind. An Tankstellen trifft man sie häufig an, das sind ihre Hauptquartiere. Da trinken sie ein Schnäpschen und reden am helllichten Tag wunderbar dummes Zeug, das ist toll. Mein Herz hat schon immer für die Loser geschlagen.
Ein Grab für zwei ist der zehnte Herbie-Feldmann-Roman, aber das ist nur ein Bruchteil Deiner Werke – gehen Dir nicht langsam die Ideen aus?
Insgesamt ist es mein 32. Buch. Mein erster Krimi, „Tief unterm Laub“ erschien vor genau 25 Jahren. Dass mir so lange die Ideen nicht ausgehen würden, konnte ich vor einem Vierteljahrhundert noch nicht ahnen. Neben meinen Krimis habe ich in dieser Zeit auch Kinderkrimis geschrieben, Kurzkrimibände, Schauergeschichten, und mehrere Romane und Theaterstücke in Gemeinschaftsarbeit mit lieben Kolleginnen und Kollegen. Und ein paar neue Projekte sind auch schon in Sicht.
Und woher nimmst Du neben Verlag, Kriminalhausund all den anderen Betätigungen die Zeit für das Schreiben?
Mein Schreibrhythmus hat sich geändert. Früher ging es erst abends los, wenn die restliche Welt zu Bett gegangen war. Dann war es dunkel vor den Fenstern, und meine fürchterliche Neugier konnte da draußen nichts mehr entdecken, was mich vom Schreiben ablenkte. Heute geht das irgendwie nicht mehr. Ich brauche mehr Schlaf. Dafür nehme ich mir heute mehr Zeit am Stück, ganze Tage, in denen ich nur schreibe (und verzweifelt versuche, mich nicht ablenken zu lassen) und währenddessen andere Dinge an meine wunderbaren Mitarbeiterinnen delegiere.
Ach, da muss ich auch noch wissen: Im Prolog gibst Du Tipps zum Vergraben einer Leiche. Dort ist die Rede von der idealen Platzwahl über das richtige Werkzeug bis hin zur Wetterlage, die man stets im Auge haben sollte. Das Ganze liest sich ein wenig wie ein regelrechter Ratgeber … hast Du praktische Erfahrungen auch als Bestatter?
Ich habe schon Katzen, Hühner und andere Haustiere vergraben, die irgendwann verstorben sind, aber bei menschlichen Körpern muss ich mich dann doch auf meine Fantasie verlassen. Ich habe versucht, mich in diese Situation hineinzuversetzen und sehr gewissenhaft auf jedes kleine Detail zu achten. Wenn es glaubwürdig klingt, ist es mir wahrscheinlich gelungen. Andererseits: Wer will mir denn da auch einen Fehler nachweisen? Höchstens ein Bestatter. Ich glaube, es ist verdammt mühselig, eine Leiche in der Erde zu versenken. Allein das ist für mich schon ein Grund, es so schnell nicht zu tun.
Die Fragen stellte Christian von Zittwitz