"Er hat die Eifel zur literarischen Landschaft gemacht" Jacques Berndorf

Der Autor Jacques Berndorf (eigentlich Michael Preute) ist am Sonntag im Alter von 85 Jahren in seinem Wohnort Dreis-Brück in der Vulkaneifel gestorben. Sein langjährige Freund und Verleger Ralf Kramp hat dazu auf Facebook einen berührenden Nachruf geschrieben:

Jacques Berndorf und Ralf Kramp: Zwei alte Freunde
Die literarische Welt kannte ihn als Jacques Berndorf, in Wahrheit hieß er Michael Preute, und bei uns nur „der Michel“. Jetzt ist das passiert, was irgendwann passieren musste, was uns aber dennoch immer unvorbereitet trifft: Unser Freund Michel ist seit gestern nicht mehr da – auch wenn er für uns natürlich immer da sein wird.
In den letzten Jahren ließ ihn die Gesundheit im Stich. Der Weitgereiste, den es in einem früheren Leben um den ganzen Erdball getrieben hatte, lebte sehr zurückgezogen mit seiner geliebten Frau Geli im beschaulichen Dörfchen Brück und hielt nicht mehr viel von ausschweifenden Touren durch die Eifel, von literarischen Veranstaltungen, von Festlichkeiten aller Art und Medienauftritten. Es wurde still um ihn, und jetzt ist seine markante Stimme endgültig verstummt. Aber jeder, der sie je gehört hat, wird sie für immer im Ohr haben. Diese raue, knarzige Stimme, die die Zuhörerinnen und Zuhörer bei den Lesungen faszinierte, die Geschichten vom Leben erzählte, von Land und Leuten, die mit brutaler Beiläufigkeit die harten Fakten präsentierte, die er als Journalist und Krimiautor recherchiert hatte, nur um gleich darauf eine muntere Katzen-Geschichte zum Besten zu geben. „Ihr dürft eines nicht vergessen …“, begann er jeweils, und dann kam wieder eine dieser Episoden, bei denen alles an seinen Lippen hing.
Es ist 29 Jahre her, dass ich Michel zum ersten Mal in seinem Häuschen in Berndorf besuchte. Damals erschien gerade sein zweiter Siggi-Baumeister-Krimi Eifel-Gold, der noch weit davon entfernt war, zum Bestseller zu avancieren. Schriftsteller waren für mich damals Menschen von einem anderen Stern. Einen leibhaftigen Krimiautor kennenzulernen war ein Erlebnis der außergewöhnlichen Sorte. Aber Latzhose und verwaschenes T-Shirt? Bollerofen und Zeitungsstapel, Pfeifenmief in jeder Ecke? Meine Vorstellung hatte ein wenig anders ausgesehen. Aber so war er. Ich habe ihn nie mit einem Schlips gesehen.
Heute bin ich genau doppelt so alt wie damals und sogar ungefähr in dem Alter, in dem Michel war als ich ihn kennenlernte. Fast all die wunderbaren Dinge, die seither in meinem Leben geschehen sind, hängen an allen Ecken und Enden irgendwie mit Michel zusammen. Die Bücher, die ich schrieb, weil er mich dazu ermutigte, die Veranstaltungen, bei denen er mich mit ins Boot nahm, all die tollen Menschen, die ich durch ihn kennenlernen durfte – nicht zuletzt meine Frau Monika … Heute lebe ich nur einen Steinwurf von dort entfernt, wo für ihn damals alles anfing. Michel hat in meinem Leben buchstäblich alles verändert. Das hat er, wie vieles andere, verdammt gut gemacht.
Was er hier in der Eifel, die er immer gerne den „schönsten Arsch der Welt“ nannte, hinterlässt, ist etwas, für das andere Regionen Bataillone von Touristikern, Beratern und Planungsbüros verschleißen. Er hat mit seiner unaufdringlichen, uneitlen Art etwas mit dieser Region gemacht, was ihr einen gewaltigen Schub verliehen hat. Er hat die Eifel im ganzen deutschsprachigen Raum zur literarischen Landschaft gemacht, zu einem Flecken, in dem sich spröde Schönheit und abgründige Gräueltaten zu einer unvergleichlichen Mischung vereinen. Die Eifel ist immer noch beschaulich und friedlich, aber er hat ihr ein schillerndes Kostüm verpasst, mit dem sie richtig Furore macht.
Man sollte nicht auf die Idee kommen, einen Platz oder eine Straße nach ihm zu benennen. So etwas lag ihm nicht. Er wurde mit Preisen geehrt, und Preise wurden nach ihm benannt – geschenkt. Das bedeutete ihm wenig. Was ihm wirklich wichtig war, das waren Freundschaften, und zwar solche, die nicht überstrapaziert wurden. Michel war ein Freund, auf den in jeder Situation Verlass war, einer, dem man grenzenloses Vertrauen schenken durfte. Er war einer zum Reden – und was noch prägnanter war – einer, mit dem man sehr gut und ausgiebig schweigen konnte.
Monika und ich werden Dich über alle Maßen vermissen, Michel. Und all das Lob, das jetzt über Dich verbreitet wird, das musst Du aushalten, wo auch immer es Dir zu Ohren kommen sollte. Du hast es verdient. Nur eines noch: Du warst ein lausiger Sänger. Wenn Du „Der alte Seebär“ geschmettert hast, wurde die Milch sauer.
Machs gut, Michel!
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