Das Autorengespräch Niklas Frank: „Wir Deutschen sind ein saukomisches Volk!“

Immer freitags hier ein Autorengespräch: Heute mit Niklas Frank über sein neuestes Buch Dunkle Seele, Feiges Maul bei Dietz.

Niklas Frank, 77, schrieb mit Der Vater , Meine deutsche Mutter und Bruder Norman drei Bücher über seine Familie. Sein Vater Hans Frank war Hitlers Reichsminister und Generalgouverneur von Polen, der 1946 in Nürnberg als Kriegsverbrecher hingerichtet wurde. Dies war an Anlass für Fragen an den Autor.

BuchMarkt: Endlich schreiben Sie mal ein Buch, das nicht mit Ihrer Familie zusammenhängt: Ihr neues Buch handelt von Entnazifizierung …

Niklas Frank:"Wir leben in einer Schönwetterdemokratie!"
Niklas Frank:“Wir leben in einer Schönwetterdemokratie!“

Niklas Frank: Die feiert 2016 ihr 70-jähriges Jubiläum: 1946 wurde das von den Siegern erfundene Programm zur Entnazifizierung der Deutschen in deutsche Hände gelegt.

Ein voller Erfolg?

Eine volle Pleite! Das Thema ist von der Zeitgeschichte schon längst als Misserfolg eingestuft worden.

Warum wärmen Sie das Thema dann wieder auf?

Weil ich kein Zeithistoriker bin, haben mich die Geschichten der Kleinnazis interessiert. 3,66 Millionen Entnazifizierungsakten liegen in den Landesarchiven. Ich bin dorthin gegangen und habe mir wahllos Akten von A bis Z reichen lassen. Die tollsten, absurdesten, witzigsten und widerwärtigsten Geschichten habe ich gefunden. Ich wusste gar nicht, was für ein saukomisches Volk wir Deutschen sind – allerdings unfreiwillig komisch!

Haben Sie etwa 3,66 Millionen Akten durchstöbert?

Natürlich nicht. Aber ein paar Tausend waren es schon. Übrig geblieben sind über 170 einzelne Geschichten, die den Wahnwitz der Entnazifizierung aufzeigen. Natürlich sind auch ein paar prominente Fälle dabei, wie Winfred Wagner, Annelies Ribbentrop, Oskar von Hindenburg, Lina Heydrich oder Emmy Göring und andere mehr.

Ihr Fazit?

Ich wundere mich, dass aus diesem Sumpf an Lug und Trug eine – zumindest bisher – so prima funktionierende Demokratie entstehen konnte. Es ist allerdings nur eine „Schönwetterdemokratie“.

Sie haben schon öfters diesen Spruch von sich gegeben: „Ich liebe Deutschland, aber ich misstraue uns Deutschen“…

Durch Klick auf Cover zum Buch

Stimmt. Dunkle Seele, feiges Maul zeigt, dass ein direkter Weg von der missglückten Entnazifizierung in das schwer rechtslastige Verhalten der schweigenden Mehrheit der Deutschen von heute führt.

Und diese schweigende Mehrheit wollen Sie mit ihrem Buch ansprechen?

Schön wär‘s, wenn‘s gelänge! Denn an meinen über 170 Geschichten über einzelne Volksgenossen und Volksgenossinnen könnte sie beispielhaft sehen, wie das feige Verhalten auch ihrer eigenen Eltern, Großelten und Urgroßeltern vor den Entnazifizierungskammern zur heutigen miserablen Haltung der Deutschen beiträgt.

Mit welchem Argument kann der Buchhändler Ihr Buch am besten verkaufen?

Wenn es der Buchhändler zuvor selbst gelesen hat, muss er sich noch Lachtränen aus den Augenwinkeln und Wutschaum von den Lippen wischen, während er dem Interessenten mit heiserer Stimme sagt: „Das ist das wahnwitzigste Buch über Entnazifizierung, das ich je hier im Laden stehen hatte! Dieser Niklas Frank ist zwar ein ekelhafter Nestbeschmutzer, aber dieser Einblick in unsere deutsche Seele ist ihm leider wirklich gelungen!“
Die Fragen stellte Franziska Altepost

 

In der letzten Woche sprachen wir mit Rosine de Dijn  über ihre Liebe zu Biografien

Kommentare (1)
  1. Ich habe das Buch gelesen, wenn auch nicht jedes Wort… manches habe ich auch überflogen. Ich finde es nach wie vor wichtig, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. 13 Prozent AFD im Bundestag, das ist nicht lustig. Leider teilen nicht alle dieses Interesse für die Deutsche Nachkriegsgeschichte und die 12 Jahre davor. Egal. Tapfer bleiben…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert