Mira Valentin und Sophia Brandus darüber, welche Vorteile das Self-Publishing mit sich bringt und welchen Herausforderungen man sich als Autorin dabei stellen muss „Ein erfolgreicher Selfpublisher wird mit einem selbst veröffentlichten Buch immer mehr Geld verdienen als bei einem Verlag“

Sophia Brandus (Pseudonym) entdeckte bereits früh ihre Leidenschaft für historische Geschichten, woraus sich ihre Passion fürs Schreiben entwickelte. Ihre Liebe zu alten Büchern spiegelt sich auch in der Gestaltung ihrer Romane wieder. Die Entscheidung, ihre historische Romanreihe „Euch zum Urteil“, welche während der Zeit des Dreißigjährigen Krieges spielt, als Selfpublisherin  herauszubringen, war schnell gefallen. Band 1 Kein gerader Weg fand bereits eine große Leserschaft, Band 2 Mit geheiligten Mitteln erscheint Ende Juni. Und auch Mira Valentin gefiel schon damals der Gedanke, sich ihr eigenes Team für Lektorat, Korrektorat, Coverdesign, Buchsatz und Illustration zusammenzustellen. Ihre erfolgreich selbstverlegte Reihe „Enyador“ wird auch von den großen Buchhandlungen im Programm geführt. Wir sprachen mit den beiden Autorinnen über Herausforderungen, Schwierigkeiten und auch die Freiheiten, die das Self-Publishing mit sich bringt:

BuchMarkt: Was führte zu der Entscheidung, Ihre historische Romanreihe selbst zu veröffentlichen?

Sophia Brandus: „Möchte der Autor nicht auf Lektorat, Korrektorat, professionellen Buchsatz und Umschlaggestaltung verzichten, sollte er über die benötigten finanziellen Mittel verfügen, denn die anfallenden Kosten selbst zu tragen, erfordert eine nicht unerhebliche, mit dem Umfang des Werkes steigende Investition.“

Sophia Brandus: Der Entscheidungsprozess dauerte recht lange. Zunächst schickte ich mein Manuskript in einem ersten Anlauf an zehn Verlage. Zugleich war ich noch unschlüssig, welchen Weg ich einschlagen wollte, denn einerseits hatte ich einiges darüber gelesen, wie viel Aufwand damit einhergeht, ein professionelles Buch als Selfpublisher herausbringen, andererseits empfand ich die Freiheit, vollkommen selbst über den Text, die Auswahl des Titels sowie die Buchgestaltung zu entscheiden, als sehr verlockend.

Das ausschlaggebende Ereignis, welches letztendlich zu einem Entschluss führte, war unerwarteterweise das Interesse einer der angeschriebenen Verlage an meinem Manuskript. Mit der entsprechenden Rückmeldung ging die Anfrage einher, ob ich bereit wäre, meine Geschichte deutlich zu kürzen – obgleich lediglich eine Leseprobe vorlag. Als Autor empfand ich dieses Anliegen befremdlich, denn wie kann man wissen, ob ein Roman eine größere Kürzung verträgt, ohne ihn gelesen zu haben? Sicherlich kann man in einem jeden Text stets weiteren »Ballast« abwerfen, aber ich hatte zuvor bereits mit einer Lektorin zusammengearbeitet und um einiges gekürzt. Faktisch hing die Frage damit zusammen, dass der Verlag sich eine Obergrenze an Anschlägen gesetzt hat und mein Manuskript deutlich über dieser lag. Ich wollte meine Geschichte jedoch nicht in eine solche Zwangsjacke stecken, weswegen sich die Möglichkeit zu einer Zusammenarbeit schnell zerschlug. Dessen ungeachtet bestärkte mich die Anfrage, zu veröffentlichen, denn ich wusste, wie schwierig es in Anbetracht der zahlreichen unangefragten Manuskripteinreichungen ist, überhaupt das Interesse eines Verlages zu erregen. Das Manuskript verschwand dennoch erst einmal in der Schublade und ich schrieb weiter an den Folgebänden. Zugleich erstarkte das Verlangen, über meinen Text und das Buchlayout selbst entscheiden zu können. Mit dem Gedanken, dass mir jemand reinreden möchte, konnte ich mich hingegen zunehmend weniger anfreunden – und so entschloss ich mich letztendlich für diesen Weg.

Mira Valentin: “ Ich finde, es wäre an der Zeit, dass die Buchhändler da mal über ihren Tellerrand hinausdenken.“

Mira Valentin: Meine Entscheidung, ins Selfpublishing zu gehen, hatte zwei Gründe: Zum einen war ich bei meinem damaligen Verlag eher unglücklich, da ich sehr wenig Mitspracherecht hatte. Ich konnte mich weder für die Cover noch für die Klappentexte meiner Reihe begeistern, durfte aber kein Veto einlegen. Zum anderen packe ich wichtige Dinge gern selbst an. Als freie Journalistin war ich es seit Jahren gewohnt, eigene Entscheidungen zu treffen und im Team mit anderen Freien zu arbeiten. Der Gedanke, mir mein eigenes Team für Lektorat, Korrektorat, Coverdesign, Buchsatz und Illustration zusammenzustellen, gefiel mir.

Für mich gilt: Habe ich all diese Entscheidungen selbst getroffen und ein Buch floppt dennoch, dann kann ich damit leben und aus meinen falschen Entscheidungen lernen. Passiert jedoch das Gleiche bei einem Verlag, so mache ich diesen dafür verantwortlich und baue Frust auf.

Sie erwähnen das Buchlayout als einen Ihrer Beweggründe zum Selfpublishing. Wie wichtig ist für Sie die Gestaltung Ihrer Romanreihe?

Sophia Brandus: Die Gestaltung meiner Bücher war ein maßgeblicher Aspekt hinsichtlich der Entscheidung zum Selfpublishing, denn ich hatte dazu recht konkrete Vorstellungen entwickelt. Der Grundgedanke ist, jene Epoche, in welcher meine Romanreihe spielt, im Buchdesign optisch widerzuspiegeln – also Gestaltungselemente von Druckwerken des 17. Jahrhunderts zu verwenden. Das umzusetzen schien mir realistischer, wenn ich den Weg des Selfpublishings gehe.

Ich verbrachte viel Zeit damit, unzählige Digitalisate historischer Drucke nach Buchschmuck zu durchforsten, bis ich endlich jene Ornamente beisammen hatte, welche als Vorlagen für das Buch dienen sollten. Es war dann nicht einfach, jemanden zu finden, der mir meine Ideen aus einer Hand umsetzten konnte, und ich bekam, mit der Begründung, was ich mir vorstelle, sei zu aufwendig, auch Absagen zum Buchsatz. Besonders freue ich mich darüber, dass ich den Wunsch verwirklichen konnte, Kustoden zu setzen, denn die sind ein typisches Detail alter, manuell gesetzter Bücher.

Über manche Dinge habe ich mir, weil ich mich von meinen Ideen habe mitreißen lassen, zu viele Gedanken gemacht. Ich war enttäuscht, als ich feststellte, dass es keine Software gibt, welche Ligaturen korrekt automatisch setzen kann, weswegen ich auf diese verzichten musste. Auch meine erste Coveridee, die sich schon sehr in meiner Vorstellung des Buches gefestigt hatte, sah ich mich gezwungen aufzugeben, weil ich niemanden fand, der sie finanzierbar über mehrere Bände hinweg umsetzen konnte. Es fiel mir schwer, einige meiner Ideen »loszulassen« und den Kopf für anderes freizubekommen.

Mira Valentin: Die Gestaltung ist außerordentlich wichtig! Meine Bücher dürfen sich qualitativ auf keinen Fall von einem Verlagsbuch unterscheiden, wenn überhaupt, dann müssen sie besser sein. Deshalb arbeite ich nur mit Profis zusammen was Coverdesign, Lektorat, Korrektorat und Buchsatz angeht. Nichts davon würde ich jemals selbst in die Hand nehmen. Auch die Zusammenarbeit mit BoD habe ich aufgrund der Druckqualität entschieden, die mir hier besser gefiel als bei anderen Anbietern.

Welche Erfahrungen haben Sie persönlich mit dem Selfpublishing gemacht und welche Gefahren sehen Sie auch?

Sophia Brandus: Grundsätzlich macht das Selfpublishing den Autor unabhängig. Es braucht keinen Verlag mehr, um ein professionelles Buch zu veröffentlichen. Eine große Chance liegt darin, dass der Autor bezüglich des Textes und des Buchlayouts alles selbst entscheiden kann – aber auch muss. Dabei sollte er bereit sein, sich in jedes kleinste Detail einzubringen. All das kostet Zeit, was vom Schreiben abhält. Selbstverständlich kann der Selfpublisher es sich auch einfacher machen, indem er seinen Text in eine Formatvorlage kopiert und für den Umschlag ein Stockfoto hochlädt, aber genau das war, was ich nicht wollte.

Möchte der Autor nicht auf Lektorat, Korrektorat, professionellen Buchsatz und Umschlaggestaltung verzichten, sollte er über die benötigten finanziellen Mittel verfügen, denn die anfallenden Kosten selbst zu tragen, erfordert eine nicht unerhebliche, mit dem Umfang des Werkes steigende Investition. Ohne einen Verlag im Rücken und insbesondere als Neuling muss man mit der Eventualität rechnen, dass das Buch wirtschaftlich betrachtet ein Verlustgeschäft werden wird. Zudem muss sich der Autor auch um rechtliche Fragen selbst kümmern.

Eine weitere Gefahr besteht darin, dass die Anzahl der Neuerscheinungen und bereits angebotenen Bücher extrem groß ist. Entscheidet der Autor sich, sein erstes Werk als Selfpublisher zu veröffentlichen, muss er sich darüber im Klaren sein, dass niemand auf dieses wartet, außer einige Interessierte aus der Familie und dem Freundeskreis. Ohne Marketing und Vertriebsnetzwerk eines Verlages im Rücken, ist es vonnöten, selbst aktiv werden, um auch nur die allergeringste Aufmerksamkeit zu erlangen. Eine Möglichkeit ist, Anzeigen zu schalten, diese müssen jedoch zuerst einmal gestaltet werden und sind in der Regel teuer. Eine Autorenwebseite, soziale Medien und Buchplattformen bieten kostengünstigere Alternativen, Interesse zu wecken, aber all das kostet Zeit und, wenn gratis Rezensionsexemplare zur Verfügung gestellt werden, auch Geld.

Mira Valentin: Gerade beim Neueinstieg ins Selfpublishing kann es passieren, dass man sehr viel Geld für sein Buch in den Sand setzt und dennoch keinen Erfolg hat. Da sind schnell mal um die 3000 Euro pro Buch weg! Ohne Basis-Community hat man kaum Möglichkeiten, die Neuerscheinung zu bewerben und in die Sichtbarkeit zu kommen. Mit jedem Tag strömen mehr neue Selfpublisher mit ihren Büchern auf den Markt und es wird immer schwerer, sich dort zu behaupten. Deshalb würde ich Neueinsteigern heutzutage eher zum Verlag raten – egal welche Erfahrungen sie dabei machen. In dieser Verlagszeit sollten sie sich eine Community aufbauen, die sie dann später im Selfpublishing unterstützt.

Ja, Sie haben richtig gelesen: Ich empfehle den Verlag als Einstieg ins Selfpublishing und nicht andersherum.

Wieso?

Mira Valentin:  Bislang war ich von kleineren Verlagen ausgegangen, denn ein Einsteiger wird nur in Ausnahmefällen einen großen Publikumsverlag für sich gewinnen können. Ist man aber im Selfpublishing erfolgreich, so kommen genau diese Verlage eines Tages ganz von selbst, denn sie beobachten die größeren Selfpublisher durchaus. Man hat dann eine völlig andere Verhandlungsgrundlage.

Ein erfolgreicher Selfpublisher wird mit einem selbst veröffentlichten Buch immer mehr Geld verdienen als bei einem Verlag, selbst wenn es ein großer Verlag mit einem ordentlichen Vorschuss ist. Das hängt mit der E-Book-Marge und dem E-Book-Verkaufspreis zusammen. Im SP verkauft man zu 90 Prozent E-Books und zwar zu einem günstigeren Preis als Verlage, weshalb man sehr viele E-Book-Käufer findet. Beispielsweise Amazon-KDP vergütet dafür eine Marge von 70 Prozent, wohingegen ein Verlag höchstenfalls 30 Prozent bezahlt.

Ich habe dennoch vor kurzem einen Vertrag mit einem großen Publikumsverlag geschlossen, weil ich mir davon ein besseres Standing im Buchhandel erhoffe und zudem den betreffenden Verlag einfach toll finde. Einige Leser werde ich nur über diesen Weg erreichen und vielleicht greifen diese dann anschließend auch zu meinen selbstverlegten Büchern. Dazu kommt, dass die Wahrnehmung eines Autors bzw. einer Autorin in der Öffentlichkeit leider immer noch positiver ist, wenn er oder sie bei einem Verlag publiziert, obwohl professionelle Selfpublisher inzwischen ebenso hochwertige Bücher veröffentlichen. Aber wir haben keine höhergestellte Instanz, die so etwas wie ein Qualitätssiegel vergibt und werden daher von vielen Menschen weiterhin mit den schwarzen Schafen unserer Brache (selbstgebasteltes Cover, kein Lektorat, viele Rechtschreib- und Grammatikfehler) in einen Topf geworfen.

Würden Sie anderen Autoren zum Selfpublishing raten?

Sophia Brandus: Ich habe selbstverständlich einiges darüber gelesen, dass es sehr aufwendig sei, als Selfpublisher ein professionelles Buch zu veröffentlichen und zu vermarkten, dennoch hatte ich mir nicht annähernd vorgestellt, was es tatsächlich bedeutet, wie viele kleine Entscheidungen zu treffen sind und wie zeitaufwendig es insgesamt ist. Ich würde also einem jeden, der sich diese Frage stellt, raten, sich gründlich über einiger Dinge Gedanken zu machen: Was ist mir wichtig an meinem Buch und für mich als Autor? Will ich meine ganz eigenen Vorstellungen umsetzen oder ist das für mich weniger von Belang? Verlasse ich mich lieber auf die fachkundige Unterstützung und das Vertriebsnetz eines Verlages? Wie viel Zeit und Geld möchte und kann ich investieren? Wenn ich mich für Selfpublishing entschieden habe, will ich mein Werk möglichst schnell und kostengünstig auf den Markt werfen oder ist mir daran gelegen, ein professionelles Buch zu veröffentlichen? Und insbesondere wichtig: bleibt als Selfpublisher noch genug Zeit für das Wesentliche übrig, denn Schreiben ist ja das, was ein Autor vorrangig tun möchte.

Sehen Sie Ihre Bücher im Buchhandel ausreichend repräsentiert?

Sophia Brandus: Für Buchhändler ist es zweifelsohne sehr aufwendig, in der großen Masse der im Selfpublishing herausgegeben Bücher jene zu finden, welche in Qualität einer Verlagsveröffentlichung gleich kommen. Zudem erscheinen auch in den Verlagen derart viele Bücher, dass der Aufwand, sich unter den von Autoren selbst veröffentlichten Werken umzuschauen, aus Sicht eines Buchhändlers vermutlich gar nicht notwendig ist.

Mira Valentin: Tatsächlich führen sehr große Buchhandlungen auch meine erfolgreichste selbstverlegte Reihe „Enyador“ im Programm, doch es ist noch immer sehr selten, dass ich eines meiner Bücher in freier Wildbahn erblicke. Wenn man bedenkt, dass von dieser Saga bislang 300.000 E-Books, 25.000 Taschenbücher und 30.000 Hörbücher verkauft worden sind, kann man eigentlich kaum fassen, wie wenig der lokale Buchhandel sich dafür interessiert. Und das obwohl alle meine Taschenbücher mit echter ISBN über BoD und die Großhändler zu beziehen sind.

Ähnlich sieht es mit meiner aktuellen Wikingersaga „Nordblut“ aus. Der erste Band der Reihe wurde für den Selfpublishing-Buchpreis 2020, den Krefelder Preis für Fantastische Literatur 2020 sowie aktuell für den Skoutz-Award 2021 nominiert. Er hat eine ISBN sowie eine weitaus hochwertigere Aufmachung und Verarbeitung als so mancher Verlagsroman, doch ich habe ihn noch kein einziges Mal außerhalb des Online-Geschäfts in einem Verkaufsregal stehe sehen.

Was wünschen Sie sich also vom Buchhandel?

Sophia Brandus: Ich wünschte also, es gäbe einen einfachen Weg für Selfpublisher, den Buchhandel breitgefächert auf ihre Werke aufmerksam zu machen. Händler könnten dann mit geringerem Aufwand interessante Bücher finden und somit ihrer Kundschaft ein vielfältigeres Sortiment anbieten. Damit wäre allen geholfen, denn ich bin überzeugt, dass in einer Menge dieser selbstveröffentlichten Werke besonders viel Herzblut steckt – und so manch eine Perle darauf wartet, entdeckt zu werden.

Mira Valentin: Ich finde, es wäre an der Zeit, dass die Buchhändler da mal über ihren Tellerrand hinausdenken.

 

 

Kommentare (1)
  1. Mira Valentin und Sophia Brandus sprechen interessante Aspekte des des Selfpublishing an, vor allem die finanzielle Seite. Als ich 1997 meinen ersten Verlagsvertrag bekam, gab es noch gar kein ernsthaftes Selfpublishing. Und ich war total pleite, hätte also die erwähnten 3000 € nicht gehabt. Mir blieb also nur die Möglichkeit, im Verlag zu veröffentlichen und mich mit den Gegebenheiten dort zu arrangieren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert