Die gelernte Verlagsbuchhändlerin, Autorin, Redakteurin und Übersetzerin Susi Piroué ist am 30. November 2020 im Alter von 84 Jahren in Karlsfeld bei München verstorben. Für den Verlag Gräfe und Unzer war sie über Jahrzehnte im Kochbuchbereich tätig und verfasste mit der Echten französischen Küche und ihrem Weinbuch Freude am Wein wahre Longseller. Ehrenamtlich engagierte sie sich u.a. im Branchen-Netzwerk BücherFrauen e.V. und in der Künstlerinnenorganisation GEDOK München. Doris Breitmoser erinnert in einem Nachruf an Susi Piroué:
Vom Vergnügen mit sich selbst zu reisen
Bücher, Reisen und Genuss. Das war das Lebenselixier von Susi Piroué, die 1936 als Susi Hartung in München zur Welt kam. Seitdem war sie so oft umgezogen, dass sie es selbst kaum mehr zählen konnte, mit Stationen u.a. in Oldenburg, Breslau, Thüringen, Potsdam oder Wien. Ihre Lebensdaten lassen erahnen, dass nicht jeder Ortswechsel freiwillig erfolgte.
Die Leidenschaft für Bücher, für Sprachen und das Wort waren Susi sozusagen in die Wiege gelegt: Sie war die Tochter des Schriftstellers und Theatermannes Hugo Hartung, noch heute bekannt durch sein mit Lilo Pulver verfilmtes Buch Ich denke oft an Piroschka. Und Susi, die sich später um den Nachlass ihres Vaters kümmerte, reiste in dieser Sache nicht nur ins ungarische Hódmezövásárhelykutasipuszta, sie konnte den Ortsnamen mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad auch perfekt aussprechen und hatte einen Riesenspaß dabei.
Auch Susis Mutter, die promovierte baltisch-stämmige Sigyn Christiani, war eine wortgewaltige Frau. Sie beherrschte sieben Sprachen, arbeitete als Übersetzerin und bearbeitete Hugo Hartungs Texte.
Susi ließ sich nach dem Abitur zur Verlagsbuchhändlerin ausbilden, aber ein Bürojob war für sie nicht das Richtige. So übersetzte sie aus dem Französischen und Englischen, war im Buchhandel tätig und arbeitete freiberuflich für verschiedene Verlage. Insbesondere für Gräfe und Unzer, wo sie mit die ersten Foto-Kochbücher betreute – heute Standard, damals ein Novum. Als Autorin der Echten französischen Küche gelang ihr ein wahrer Longseller. Daneben machte sie sich mit ihren Weinbüchern einen Namen. Türöffner war das Standardwerk Freude am Wein, ebenfalls bei Gräfe und Unzer. Susi witzelte darüber, dass auf dem Cover der ersten Ausgaben zunächst nur „S. Piroué“ stand. Kompetenz in Weinfragen wurde Frauen eben eher weniger zugeschrieben.
Egal ob Kochbuch, Weinbuch, Ratgeber oder ihr wohl persönlichstes, mehrfach aufgelegtes Buch Vom Vergnügen mit sich selbst zu reisen (eine Ermutigung für Frauen zum Alleinreisen): Ihr Ton wirkt immer leichtfüßig heiter, fast so, als hätte es die Mühen der akribischen Recherche, des Schreibens, Redigierens, Perfektionierens nie gegeben.
Susis Reisen und ihre Bücher waren eng miteinander verwoben, das Eine speiste sich aus dem Anderen. Und sie reiste gerne und viel. Neugierig-unvoreingenommen machte sie sich die Welt zu eigen. Vom Vergnügen mit sich selbst zu reisen transportiert ihre Philosophie des Reisens, gleich zu Anfang stellt sie fest: „Ich schreibe dieses Buch für alle, die allein reisen, weil sie die Welt nicht als Museum betrachten, sondern sich selbst und andere hautnah erfahren wollen.“
Susi interessierte sich aufrichtig für Menschen und Hintergründe, und sie engagierte sich ohne großes Gewese da, wo sie es für wichtig hielt: bei den BücherFrauen, bei der GEDOK oder zusammen mit ihrem Mann Jean-Claude bei der Stiftung Wings of Hope. Und dieses Engagement ging einher mit weiteren Reisen …
„Ich führe in etwa das, was man später auf meiner Todesanzeige als erfülltes Leben bezeichnen kann“, schrieb Susi in einem ironischen Selbstgespräch, dem Schlusspunkt ihres Reisebuchs. Zu dieser Erfüllung gehörte neben ihrer Familie mit den Söhnen Pascal und Bastien unbedingt die Lebensfreude, der Genuss. Nicht nur von gutem Essen und Wein. Sie liebte gute Gesellschaft, schwärmte von weltumspannenden Familientreffen und kam mühelos mit Menschen jedweden Alters ins Gespräch.
Susi war eine Bücherfrau durch und durch und als solche auch Wegbereiterin und Vorbild – nicht nur – für die Frauen in der Branche.
Die Diplom-Kulturwirtin Doris Breitmoser ist Geschäftsführerin beim Arbeitskreis für Jugendliteratur in München. Sie hatte das Glück, Susi Piroué über ein Mentoringprojekt der Münchner BücherFrauen kennenzulernen – der Grundstein für eine zwanzigjährige Freundschaft.