Das Sonntagsgespräch mit Margrit Philipp: „Ausgezeichnet!“ – Literaturpreise als Marketing-Instrument

Margrit Philipp

Margrit Philipp, M.A., nach dem Studium von Literatur- und Sozialwissenschaft freie Redakteurin bei „Funk Uhr“ und „HörZU“, später verantwortliche PR-Frau bei Ravensburger Spiele, Verlagsgruppe Langenscheidt und Ernst Klett Verlag.

Danach selbständig für die ITB Berlin tätig mit Verantwortung für die Verleihung der ITB BuchAwards und Programmarbeit im Bereich Kulturtourismus; Publikation des World Travel Status Report „ITB Auftakt“ und der Messepublikation „Showtime for Culture“. Seit der Stunde Null der CORINE tätig unter Rose Backes. 2005 die erste von FOCUS präsentierte Ausgabe von „Ausgezeichnet!“ [mehr…]. 2007 Gründung und erste Ausgabe der Zeitschrift „Stars & Books & Charity“ [mehr…].

BECKMANN: Zum vierten Mal wird in diesem Herbst Ihr Katalog „Ausgezeichnet!“ erscheinen. Er vermittelt einen Überblick über die Szene der internationalen Literaturpreise, mit dem Schwerpunkt von etwa 100 Literaturpreisen der deutschsprachigen Länder. Wozu eigentlich? Über die jeweils neuen Preisträger wird das Publikum doch in der Presse und von den Medien informiert?
PHILIPP: Stimmt. Aber wenn es sich nicht gerade um den Büchner-, Bachmann oder Nobelpreis für Literatur handelt oder um den seit kurzem spektakulären Deutschen Buchpreis, so sind die Pressemeldungen kurz und nüchtern, und kein Mensch wird inspiriert, sich daraufhin mit den Büchern der weniger bekannten Preise zu befassen. Zudem fehlt es bei der Presseberichterstattung an Kontinuität. Sie ist ohne Nachhaltigkeit.

BECKMANN: Sie meinen, die Wirkung der Literaturpreise verpufft so?
PHILIPP: Genau. Und so steht ja auch jeder nur kurz ganz für sich allein. Einen Überblick gibt es nie, und so ein Überblick, wie ihn der Katalog “Ausgezeichnet!“ vermittelt, bietet dem Publikum inmitten der Flut von Novitäten ja eine Orientierung, eine Art beglaubigter Qualitätsauswahl durch alle Buchsparten – von Lyrik, Hochliteratur und Kriminalroman bis zu allgemein relevanten Wissenschaftstiteln und Sachbücher, von der Kinder- und Jugendbuchliteratur bis zum Hörbuch. So etwas hatte es vorher nie gegeben.

BECKMANN: Soll das auch eine Kritik am Feuilleton sein?
PHILIPP: Umgekehrt wird ein Schuh draus: Das Feuilleton ist überaus wert und wichtig, einen derartigen Überblick kann es per se aber gar nicht bieten, so etwas entspricht weder seinem Blickwinkel noch seinem Erkenntnisinteresse. Das Feuilleton fokussiert, im journalistischen wie im literaturwissenschaftlichem Sinne, aktuell den preisgekrönten Autor und Werk, nicht die Summe der Teile, was ja bekanntlich mehr ist. Es denkt nicht wirklich kunden- und serviceorientiert, nicht einmal in seiner Schreibe, die selbst unsereins nicht immer versteht – Ausnahmen bestätigen die Regel.

So ein Projekt wie „Ausgezeichnet!“ kann also wirklich nur von außen gedacht und realisiert werden: Zum Beispiel eben von No-Names wie den Philipps, von meinem Mann und mir. Bedauerlich finden wir allerdings, dass das Feuilleton darüber nicht wirklich amused zu sein scheint und unser Projekt ignoriert. Und das, obwohl wir die Preisträger wesentlich auch im Lichte seiner Kritik präsentieren. Statt Schweigen im Walde könnte da doch mal jemand ein positives Wort über uns verlieren. Aber wir sind sicher: Die geneigten Leser werden es richten.

BECKMANN: Hätte eine übersichtlich zugängige Aufzeichnung wichtiger Literaturpreise nicht aber auch ein Anliegen der Literaturwissenschaft und der Verlage sein müssen?
PHILIPP: Als wir vor etwa sechs Jahren anfingen, die Preisvergaben zu recherchieren, wären wir an der chaotischen Materiallage fast verzweifelt. Es gab zwar Bücher mit endlos langen Auflistungen der literarischen Preise, doch nirgendwo war zu finden, wer diese denn bitteschön erhalten hat oder wie man an eine übersichtliche Darstellung auch über die Jahre kommen kann. Das wäre ein wichtiger Hinweis für eine anstehende Aufgabe der Germanisten im Land der Dichter und Denker. Auch die Verlage sowie die preisverleihenden Stiftungen, Organisationen und Unternehmen waren im Internet mehr schlecht als recht aufgestellt. Das hat sich seit Erscheinen von „Ausgezeichnet!“ übrigens signifikant geändert. Die Verlage präsentieren ihre preisgekrönten Autoren im Internet und die Stiftungen richten zunehmend wunderschöne informative Websiten ein. Eine Wonne für den Rechercheur!

BECKMANN: You have a Dream?
PHILIPP: Preisgekröntes ist generell „in“ und entwickelt sich zum Marketingfaktor. Ich sage es Ihnen voraus: Wir werden es noch erleben, dass Shop-in-Shop Systeme preisgekrönter Literatur im Handel, ob online oder offline, für Absatz sorgen werden – gleich neben den Bestsellerregalen. Denn es wird ja nicht nur Hochliterarisches für abgefahrene Feuilletonleser ausgezeichnet. Das Spektrum ist vielfältig, ernst, heiter, und immer von Qualität. Und darum geht es uns: um Qualität und Wertschätzung der Backlist. Ja, „Ausgezeichnet!“ ist Balsam für die Backlist und liegt bald auf jedem dritten Klo und Nachtkastel – das würde ich mir wünschen.

BECKMANN: Weshalb sollte es so kommen?
PHILIPP: Wir sind keine Literaturkritiker, sondern ganz normale Leser. Mein Mann ist nach literaturwissenschaftlichen Studien auch Musiker und Physiker, und vor allem ein buchverliebter Systematiker. Wir erstellen sozusagen in unserem ureigenen Leseinteresse einen neuen im wahrsten Sinne “ausgezeichneten“ Literaturkanon. Und nach unseren Ausstellungserfahrungen auf der wunderbaren Buchmesse Leipzig und der Münchner Bücherschau sind wir überzeugt, damit vielen jungen wie erwachsenen Lesern ebenso eine Freude zu bereiten. Damit wir bei der Auswahl nicht abdriften, arbeiten wir im Rahmen unserer Kooperation mit dem Nachrichtenmagazin FOCUS eng mit Jobst Ulrich Brand von der FOCUS-Kulturredaktion zusammen. Übrigens: Ohne das FOCUS-Engagement gäbe es unsere Publikation nicht, und es war, auch das sollte einmal gesagt sein, Christian von Zittwitz, der sie vor Jahren eingefädelt hat.

BECKMANN: Die Publikumswerbung der Verlage ist stark zurückgegangen. Ist Ihr Katalog auch ein Versuch, hier – mit einem Zielpublikum vor Augen – eine gewisse Abhilfe zu schaffen?
PHILIPP: Nicht vordergründig, aber ein solcher Effekt liegt bei einer positiven Entwicklung von „Ausgezeichnet!“ à la longue in der Natur der Sache. Wir sind im Jahr ein One Shot und müssen auch mit Hilfe der Verlage und des Handels ganz einfach „Kult“ werden – hoffentlich einmal etwa so wie der Beaujolais Primeur, auf dessen Auslieferung die französische Nation im November sehnlichst wartet und dann skandiert: Il est arrivé!

BECKMANN: Inwieweit spiegelt die Aufmachung der einzelnen Seiten solchen Bedarf?
PHILIPP: „Ausgezeichnet“ ist als Empfehlungsgrundlage für den Buchhändler in erster Linie Katalog mit vielen Titelabbildungen und Preisangaben und für den Konsumenten ein textlich-optisch hoffentlich inspirierender Überblick, eine Kaufgrundlage, anhand derer er entscheidet: „Das-muss-ich-unbedingt-lesen!“ Wir geben uns jedenfalls alle Mühe, kurz, prägnant und gelegentlich amüsant zu schreiben.

BECKMANN: Auf einer Diskussionsveranstaltung über „Literatur im 21. Jahrhundert“ in der Buchhandlung Daniel & Haibach (Voerde) ist jüngst wieder der schwindende Einfluss der Feuilleton-Literaturkritiken beklagt worden, mit der Folgerung: Darum müsse vor allem mehr Marketing für gute Literatur betrieben werden. In diesem Sinne müsste eigentlich auch Ihr Katalog eingesetzt werden. Daher die Frage: Wird er von Verlagen unterstützt? Wird er vom Buchhandel genutzt?
PHILIPP: Unbedingt, „Ausgezeichnet!“ ist ein Marketing-Mosaikstein fürs gute Buch, das seinen Geldpreis wert ist. Der Buchhandel bestellt beim vierten Anlauf auch schon fleißiger. Soweit uns berichtet wird, gibt der Buchhandel den Katalog gezielt und kostenfrei an seine guten Kunden ab. Marketing bei Handreichung! Kann man sich mehr wünschen? Es erhält übrigens jeder Laden auf Wunsch 25 Exemplare gratis.

Außerdem werden wir von Hanser, dem Hanser-Außendienst und KNV vertrieblich und logistisch wirklich unglaublich souverän, großzügig und hilfreich unterstützt – und mit uns, übergreifend, die in „Ausgezeichnet!“ präsentierten Autoren, Titel, Verlage und Preisverleiher.

Aber auch die Pressestellen der Verlage unterstützen uns großzügig mit Exemplaren für die Ausstellungen auf den Bücherschauen in München, Stuttgart und Karlsruhe sowie im Goethe-Institut Paris und auf der Buchmesse Leipzig.

BECKMANN: Findet Ihr Projekt Anerkennung und Unterstützung bei offiziellen Stellen?
PHILIPP: Oh ja! In der kommenden Ausgabe gibt uns die deutsche Bundesministerin und Stifterin des Deutschen Jugendliteraturpreises, Ursula von der Leyen, ein Grußwort, weil sie unseren Ansatz unterstützt. Die Goethe-Institute verteilen uns über ihre Bibliotheken weltweit, im GI-Paris werden wir eine erste „Ausgezeichnet!“-Ausstellung haben mit Katalogen und den darin präsentierten Büchern, Dauer zwei Monate mit Eröffnung Anfang Dezember durch Christoph Bartmann vom GI München. Auch er wird mit einem Vorwort vertreten sein. Die Stiftung Lesen empfiehlt uns ihrer Kernzielgruppe, den Lehrern. Und in Seckbach haben wir die Studenten noch im August zu unserem ersten lockeren Informationsabend eingeladen.

BECKMANN: Eigentlich müsste es auch Sache des Börsenvereins sein, Ihren Katalog zu fördern. Der Verband betont doch, Gott sei Dank, neuerdings wieder stärker seine Verpflichtung zur Lobbyarbeit gerade für die Kultur des Buches.
PHILIPP: Von Außenstehenden werde ich immer wieder gefragt: Wieso ist der Börsenverein nicht Ihr Partner? Hier muss man differenzieren: Die Landesverbände Bayern und Baden-Württemberg unterstützen uns wohlwollend und großzügig durch die Einrichtung von „Ausgezeichnet!“-Ständen. Was die wünschenswerte ideelle oder gar finanzielle Unterstützung und Kooperation aus Frankfurt für den Katalog betrifft, geschieht ja vielleicht noch ein kleines Wunder und wir bekommen das Logo ins Heft. Ich gebe nicht auf und klopfe da fröhlich immer wieder an die Tür. I have another dream…

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