Paukenschlag im Süden: Herwig verkauft alle seine Filialen zum 24. September an Osiander. Das wurde heute den Mitarbeitern mitgeteilt
Till Herwig ist diese Entscheidung, sichtlich nicht leichtgefallen. „Nachdem es aus der eigenen Familie keine Nachfolger gab, beende ich mit dieser Entscheidung eine über 140-jährige Familientradition. Ich selber wurde vor knapp 60 Jahren in die Buchhandlung quasi hinein geboren und bin in ihr aufgewachsen“, heißt es in einem Brief Herwigs an Mitarbeiter und Weggefährten.
Er aber hat diese Entscheidung „wohl überlegt“, gerade, weil sein Unternehmen „wirtschaftlich und konzeptionell gut aufgestellt ist. Ich werde im nächsten Jahr 60 Jahre alt, und das ist für einen Unternehmer ein Alter, in dem man sich nicht nur Gedanken machen sollte über die Nachfolge, man muss dafür auch Lösungen finden. Und nachdem die eigenen Kinder sich beruflich anders orientiert haben, ist die Übergabe an ein derart gut aufgestelltes Unternehmen wie Osiander für alle Beteiligten die beste Lösung für die Zukunft. Emotional ist das eine ganz schwierige Entscheidung für mich, für die Buchhandlungen ist es die einzig richtige. Davon bin ich fest überzeugt“.
Die Buchhandlung wurde von Erwin Herwig 1873 in Göppingen gegründet. Till Herwig führt das Unternehmen in der vierten Generation. Herwig beschäftigt aktuell ca. 80 Mitarbeiter/innen und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von zuletzt knapp 8 Mio. €. 2014 wurde Herwig in der Kategorie „Großbuchhandlung“ zur Buchhandlung des Jahres gekürt. Damit wurden neben der buchhändlerischen Qualität, die modernen Läden und das Konzept der Cafébar „Libresso“ ausgezeichnet.
Erstmals hat Osiander damit einen Regionalfilialisten übernommen und damit jetzt „den Vorstoß in neue Dimensionen, aber auch eine Herausforderung“ gewagt: Denn neben der Neueröffnung des Osiander-Hauses direkt am Marktplatz in Stuttgart auf 600 qm Anfang Juni und der Neueröffnung einer 500 qm großen Buchhandlung in Bad Kreuznach Mitte Juni kommen nun ab September mit vier Herwig-Buchhandlungen in Aalen, Göppingen, Heidenheim und Schwäbisch Gmünd weitere 42 bis 45 Mitarbeiter in das Filialnetz von Osiander dazu. Die fünfte Herwig-Filiale konnte nicht übernommen werden, weil es keine Einigkeit über die Fortsetzung des Mietvertrages dort gab, wie Riethmüller sagt.
„Das wird ein richtiger Kraftakt, wenn wir auf einen Schlag vier große Buchhandlungen übernehmen und von einem auf den anderen Tag komplett auf Osiander umstellen“, sagt Osiander-Geschäftsführer Christian Riethmüller.
Die Familie Riethmüller hat mit Osiander aber weitere Wachstumspläne: Vor drei Jahren hatte Osiander in Aalen die Buchhandlung Jahn übernommen. Weil Herwig über den besseren Standort in Aalen verfügt und im Internetzeitalter in einer Stadt wie Aalen zwei Buchhandlungen dieser Größe wirtschaftlich nicht betreibbar sind, wird Osiander seine bisherige (Jahn)Buchhandlung schließen, will aber alle Arbeitsplätze erhalten. Auch in anderen Städten „laufen konkrete Verhandlungen zur Standortverbesserung“. Und voraussichtlich im Herbst 2018 wird Osiander eine neue Buchhandlung in Emmendingen bei Freiburg eröffnen.
Was auch heißt: Mit 40 Buchhandlungen und einem Jahresumsatz von knapp 80 Mio. Euro ist Osiander Deutschlands derzeit fünftgrößte Buchhandlung, gleichzeitig Deutschlands zweitälteste Buchhandlung (421 Jahre alt) . Aktuell beschäftigt Osiander auf volle Köpfe gerechnet 400 MitarbeiterInnen, darunter über 60 Auszubildende. Von Herwig werden alle Mitarbeiter der Standorte übernommen, die Osiander von Herwig erwirbt, in der Summe 55 neue Mitarbeiter.
Denn die vier Herwig-Läden, die Osiander im Herbst übernehmen wird, passen „geografisch perfekt“ (Riethmüller) in das Filialprofil von Osiander, der bereits einige Buchhandlungen in direkter Umgebung hat.