Am gestrigen Himmelfahrtstag wurde die 25. Mainzer Minipressen-Messe in der Rheingoldhalle eröffnet. 260 Aussteller aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, Frankreich, Ungarn, Großbritannien, Spanien, Argentinien und Südafrika präsentieren bis zum Sonntag, 2. Juni, bibliophile Kostbarkeiten und ungewöhnliche Buchideen. „Toleranz ist das Erfolgsrezept dieser Messe, die gleich am ersten Tag gut besucht wird“, erklärte der Organisator und Leiter des Mainzer Minipressen-Archivs Jürgen Kipp. Was seit 2013 in der Halle stattfindet, war vorher in Zelten direkt am Rheinufer zu finden. Der Eintritt war und ist kostenfrei, die Schau ist gleichzeitig eine Verkaufsmesse. „Die Zelte hatten sicher ihren Charme, aber die Halle zieht genauso viele Besucher an und ist weitaus wetterfester“, bemerkte Kipp. Die Vielfalt und die schönen Bücher stoßen auf ungebrochenes Interesse. Das beweisen auch die stabilen Ausstellerzahlen.
Ein Veranstaltungsprogramm mit Lesungen, Workshops, Performances und Seminaren, in dem auch Events für Kinder eingeplant sind, begleitet das europaweit größte Treffen der Kleinverlage und Buchkünstler. Zwei Lesezelte vor der Halle locken Interessierte an.
Am Abend des ersten Messetages wurde in einer Feierstunde der 21. V. O. Stomps-Preis im Saal des Gutenberg-Museums verliehen.
Museumsdirektorin Annette Ludwig begrüßte als Hausherrin die Gäste, unter ihnen den Sohn und die Enkelin von Victor Otto Stomps.
Seit 1979 vergibt die Landeshauptstadt Mainz den Preis. In diesem Jahr geht der mit 3.500 Euro dotierte Hauptpreis an die Friedenauer Presse. Friederike Jacob, sie leitet den 1963 von Andreas Wolff gegründeten und 1983 von Katharina Wagenbach-Wolff übernommenen Verlag seit 2017, nahm die Auszeichnung entgegen.
Den mit 1.500 dotierten Förderpreis, der seit 2009 vergeben wird, hatte die Jury dem im britischen Bristol tätigen Buchkünstler Otto Dettmer zugesprochen. Er veröffentlichte bisher über 80 Bücher.
Die Mainzer Kulturdezernentin Marianne Grosse würdigte 40 Jahre V. O. Stomps-Preis als tolle Leistung und freute sich, Familienmitglieder des Namensgebers begrüßen zu können. „Der Preis ist in der Fachwelt hoch angesehen“, äußerte Grosse. V. O. Stomps habe es verstanden, den Nachwuchs zu fördern. „Er war ein außergewöhnlicher Buchmensch“, unterstrich die Dezernentin.
Die Fachjury prüfte knapp 100 Bewerbungen und vergab zum ersten Mal einen Jury-Lieblingspreis – die undotierte Anerkennung erhielt Peter Zaumseil von der Dreier-Presse.
Cornelius Brändle, Edition Wasser im Turm Berlin, hielt die Laudatio für Otto Dettmer. „Dettmer ist genau wie ich Siebdrucker. Es freut mich, dass mit der Auszeichnung auch diese Technik eine Anerkennung erfährt“, sagte Brändle. Er würdigte die „experimentelle Falttechnik“ der Bücher von OttoGraphik, die man sich unbedingt und mit viel Zeit anschauen sollte.
Dettmer bedankte sich: „Eigentlich bin ich ein Außenseiter in Mainz, da ich in England arbeite. Der Preis ist für mich eine schöne Anerkennung.“
Die Laudatio für Friederike Jacob hielt Ralph Aepler, Vorsitzender der Pirckheimer-Gesellschaft. „Die Friedenauer Presse hat eine phantastische Geschichte, die 1848 in Sankt Petersburg begann, als Moritz Wolff nach Sankt Petersburg kam und die französische Abteilung einer Buchhandlung leitete“, begann Aepler. Andreas Wolff, Enkel von Moritz Wolff, gründete 115 Jahre später die Friedenauer Presse. Andreas Rötzer von Matthes & Seitz und Friederike Jacob retteten den Verlag vor zwei Jahren, Jacob leitet ihn nun. „Die Jury hat es diesmal besonders richtig gemacht“, bemerkte Aepler und stellte abschließend fest: „Die Zukunft des Buches ist schön, die Branche ist vorwiegend weiblich.“
Zur Mainzer Minipressen-Messe sagte Aepler: „Es verdient Anerkennung, alle zwei Jahre so eine Schau auf die Beine zu stellen.“
Friederike Jacob bedankte sich: „Ich führe den Verlag mit Begeisterung, empfinde den Preis als ermutigendes Auf-die-Schulter-klopfen, aber auch als Ehre für meine Vorgängerin Katharina Wagenbach-Wolff und bedanke mich bei der gesamten Familie.“
Die Festrede an diesem Abend hielt Harry Oberländer, der bis 2016 das Hessische Literaturforum im Mousonturm in Frankfurt leitete. Er bezeichnete die Mainzer Minipressen-Messe als „gutes Stück Kulturgeschichte“. Bereits 1953 hatte Victor Otto Stomps die Idee für eine Kleinverleger-Messe, nach Literarischen Pfingstmessen 1963, 1964 und 1968 in Frankfurt organisierte Norbert Kubatzki (Kuba) 1970 die erste Mainzer Minipressen-Messe mit etwa 90 Ausstellern. „Es gab viel Experimentelles zu sehen, die Aufbruchsstimmung der Vorjahre war spürbar“, sagte Oberländer.
Anschließend ging er ausführlich auf die Vita von V. O. Stomps ein. Der 1897 Geborene gilt als Vater der Kleinverlage und Minipressen. 1925 gründete er in Berlin die Rabenpresse. Der zweite Weltkrieg verhinderte die Fortsetzung des Verlages. Nach Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft gründete Stomps die Eremitenpresse in Frankfurt und zog 1954 nach Stierstadt in ein altes Fachwerkhaus, das „Schloß Sanssouri“, wie der Verleger selbst sagte. „Freiheit war ihm immer wichtig“, betonte Oberländer.
70-jährig wagte Stomps 1967 mit der Neuen Rabenpresse in Berlin ein letztes Projekt, drei Jahre später starb der mutige, neugierige, innovative und immer dem Nachwuchs Chancen gebende Verleger in Armut. „V. O. Stomps blieb Anerkennung lange versagt. Er war nicht nur Drucker, sondern auch Schriftsteller. Vielleicht sollte dieser Seite seiner Arbeit künftig mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden“, schloss Oberländer.
Die Feierstunde wurde musikalisch von drei Studenten des Peter-Cornelius-Konservatoriums umrahmt.
JF
Liebe JF,
Vielen Dank für diesen tollen Bericht über die 25. Jubiläums-Minipressen-Messe 2019.
Es war die schönste Minipressen-Messe ever.
Mit herzlichen bibliophilen Grüssen
Jürgen Kipp