Das Sonntagsgespräch Verbrecher-Verleger Jörg Sundermeier über ein „nervenaufreibendes Projekt“ und die „Droge Voskuil“

Im Oktober ist  der letzte, siebte Band (Der Tod des Maarten Koning) des Großromans „Das Büro“ im Verbrecher Verlag erschienen. Das Unternehmen, den niederländischen Bestseller auf Deutsch herauszubringen, drohte zunächst zu scheitern – 2012 erschien der erste Band der Heptalogie bei C. H. Beck, dann zog sich der Münchener Verlag aus dem Projekt zurück. Dem Übersetzer Gerd Busse fand 2014 mit dem Verbrecher Verlag einen Verlag, der willens war, mit Band 2 in dieses Großprojekt einzusteigen (inzwischen ist der erste Band auch bei den Verbrechern lieferbar). Wir sprachen mit dem Verleger Jörg Sundermeier, der es „selbst noch gar nicht recht fassen kann, dass das Projekt nun abgeschlossen ist…“

BuchMarkt: Glückwunsch! Sie haben es geschafft, einen Kultroman der niederländischen Literatur, einen der größten Bestsellererfolge in den Niederlanden, nämlich „Das Büro“ von J.J. Voskuil in sieben Bänden (über 5000 Seiten) komplett vorzulegen. Hat Sie in all den Jahren nicht auch mal der Zweifel beschlichen, ob so ein Projekt überhaupt zu stemmen ist?

Jörg Sundermeier

Jörg Sundermeier: Wir freuen uns sehr, sind sehr stolz, aber auch überrascht. Es gab diesen merkwürdigen Moment beim Auspacken des 7. Bandes, da sehe ich meine Frau und Mitverlegerin, Kristine Listau, an und sage: „Kristine, wir haben es geschafft. Wir haben es tatsächlich geschafft!“ Und wir beide sind plötzlich erstaunt, weil wir über die alltägliche Produktion ganz vergessen hatten, wie riskant dieses Projekt war – wie zeitaufwendig, wie teuer, wie nervenaufreibend.

Immerhin: C.H. Beck hatte sich das Projekt an Land gezogen und trotz überragendem Presse- und Verkaufserfolg nach dem ersten Band den Stecker gezogen…

Ich kann es mir nicht ganz erklären, vermute aber mal, dass man bei C.H. Beck kalkuliert hatte, dass die anfangs verkauften 8000 Exemplare bedeuten, dass es bei den kommenden Bänden abnehmende Zahlen sein werden. Was zunächst ja auch stimmte. Wir sind ein kleiner Verlag, müssen weniger Leute ernähren, sind daher wendiger – und daher können wir uns Großprojekte wie die Edition der Mühsam-Tagebücher oder der „Das Büro“-Romane eben leisten. C.H. Beck hat uns dabei auch durchaus ideell unterstützt, die Übernahme verlief sehr kollegial. Dafür auch großen Dank! Aber, ehrlich gesagt, solche Projekte bringen uns schon an die Grenze der Belastbarkeit. Eine Portion Wahnsinn gehört dazu.

Wie schwer ist es, ein solches Projekt nach zweijähriger Pause wieder aufzunehmen? Die Presse reißt einem den zweiten Band einer Heptalogie sicher nicht gerade aus den Händen…

Die Pressereaktion war sehr positiv, viele waren eben der „Droge Voskuil“, wie es jemand einmal genannt hat, bereits verfallen. Bei den späteren Bänden mussten wir dann ein bisschen kämpfen, doch viele Menschen trommelten weiterhin für das Buch. Auch vonseiten der Leserinnen und Leser gab es begeisterte Reaktionen – so viele Anrufe mit der Nachfrage, wann denn der nächste Band erscheine, hatten wir noch nicht einmal bei Mühsam.

Das Werk galt lange als unübersetzbar. Gerd Busse hat es aber trotzdem geschafft…

Mit immenser Energie hat sich Gerd knapp zwanzig Jahre lang für dieses Buch eingesetzt, hat nach dem ersten Verlag mit viel Geschick noch einen zweiten gefunden, der sich dieses Monumentalwerks annimmt – und es gibt kaum einen begeisterteren Werber für dieses Buch. Und Gerds Begeisterung ist sehr ansteckend…

Sie haben es sich nicht nehmen lassen, das Werk in edles Leinen zu binden und es mit Lesebändchen zu versehen. Warum dieser Aufwand?

Das Werk ist ein niederländischer Klassiker, es wird auch hierzulande ein Klassiker werden. Da müssen wir es auch ausstatten wie einen Klassiker. Denn Klassiker wollen mehrmals gelesen werden.

Wenn Sie einem „Büro“-Novizen erklären müssten, warum er Voskuils Roman lesen sollte, was würden Sie sagen?

Alle, die in einem Büro gearbeitet haben – und sei es nur für zwei Wochen – verstehen sofort, um was es hier geht. Die Zurichtung des Menschen durch Arbeit. Wir alle wissen, was passieren kann, wenn eben noch vier Bleistifte auf dem Schreibtisch lagen und es nun nur noch drei sind. Mit solchen Fragen kann sich ein Büro locker einen Tag lang beschäftigen. Zugleich verdichtet ein Büroraum das ganze menschliche Miteinander auf einen kleinen, überschaubaren Raum. Und da er sich durch eine sehr feine Ironie auszeichnete, hat Voskuil daraus seine menschliche Komödie gemacht. Wir lesen, wir lachen und wir erkennen uns selbst.

Sie haben Band 1 gelesen, um zu entscheiden, ob Sie den „Rest“ auch noch machen. Womit hat der Autor Sie rumgekriegt?

Mit Literatur!

Klar, dass man so ein Projekt nicht alleine stemmt. Wer war da noch unterstützend tätig?

Ohne die Hilfe vom Nederlands Letterenfond, vom Verlag Van Oorschot und vielen weiteren UnterstützerInnen hätten wir es jedenfalls nicht schaffen können. Ich nenne nur zwei – der Autor Wolfgang Schiffer, der des Öfteren Voskuil bei Lesungen seine Stimme leiht und immer weiter für Voskuil trommelt, und Gerbrand Bakker, der bei seinen Lesungen in Deutschland stets für „Das Büro“ wirbt. Es gibt auch sehr viele im Land, die in ihren Büros die Kolleginnen und Kollegen angefixt haben. So haben sie es mir auf der Buchmesse erzählt. Die Aktionen dieser Menschen freuen uns selbstverständlich auch sehr!

Jetzt – nach Abschluss –, was überwiegt: Erleichterung oder Stolz, es geschafft zu haben?

Ganz klar: der Stolz.

Voskuil hat noch ein bisschen mehr geschrieben. Machen Sie weiter?

Darüber denken wir sehr ernsthaft nach. Aber jetzt wird erst einmal „Das Büro“ gefeiert!

Kommentare (1)
  1. Als ich den ersten Band gekauft habe, noch vom Beck-Verlag, war ich sofort begeistert, habe auch einiges in niederländisch gelesen, aber die Übersetzung ins deutsche ist ein Kunstwerk geworden, Dank von Gerd Busse! !
    In der Zwischenzeit bis zum Erscheinen des 6. und 7. Band habe ich sage und schreibe die 5 Bände 3x gelesen, jedes mal habe ich Neues entdeckt. Mein Vorteil ist, ich kenne die Niederlande und das Arbeitsleben da und vorallen Amsterdam.
    Vielleicht werden ja die paar Bücher, die Voskuil über Maarten und Nicolien Koning, geschrieben hat, auch noch beim Verbrecher Verlag ausgegeben, Gerd Busse als Übersetzer, das wäre toll.
    Danke für die besten Bücher.

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