Der Rostocker Buchhändler Manfred Keiper ist künftig Verleger Kundenzeitschrift Lesart. Warum er diese von Karsten Schröder gegründete Bücherzeitschrift übernommen hat und wo er weitere Chancen sieht, das war Anlass für unser heutiges Sonntagsgespräch:
BuchMarkt: Manfred, wie wird man als Buchhändler zum Verleger?
Manfred Keiper: Weil ich gefragt worden bin. Aber die Idee rumort schon, seit mir Karsten Schröder erzählt hatte, dass er irgendwann einen Nachfolger bräuchte.
Wie die Zeit vergeht, 1994 hatten wir über den Start von Lesart ausführlich berichtet.
Und seitdem hat sich das Magazin zu einem richtigen „Literaturjournal“ entwickelt. Ich habe das über mehrere Jahre beobachtet, dann mit dem Bezug für meine Buchhandlung angefangen, heute beziehe ich pro Ausgabe 1.000 Exemplare, mit eigenem Firmeneindruck – das ist jetzt eine der fünf Säulen meiner Öffentlichkeitsarbeit und eigentlich unverzichtbar.
Deswegen bist Du am Ball geblieben?
Die Gespräche mit Karsten Schröder haben dann nur sehr bruchstückhaft stattgefunden, Treffen sind vielfach ausgefallen, immer wieder Krankheit. Er teilte mir dann mit, dass er seine Jubiläumsnummer unbedingt machen wolle – Nr. 100 nach 25 Jahren -, doch dann war wieder Sendepause. Ich war schon davon ausgegangen, dass er seine Nachfolge geregelt hat, aber kurz vor Weihnachten letzten Jahres rief mich dann plötzlich seine Frau an, fragte, ob ich noch interessiert sei, um mir dann zu erzählen, wie schwer er mittlerweile erkrankt sei. Da konnte ich einfach nicht „Nein“ sagen. Eigentlich wollte ich ihm ja nur bei der Nachfolgesuche helfen, jetzt bin ich selbst Nachfolger.
Gab es nicht genug andere?
Nachfolger? Wohl nicht. Literaturmagazine? Naja, natürlich gibt es andere, aber es ist immer doch die Frage, was ist das Besondere an dem Projekt, was sind die Allleinstellungsmerkmale? Die Frage hatte ich mir als „andere buchhandlung“ schon beantwortet, als ich auf die „Lesart“ für meine Öffentlichkeitsarbeit gesetzt habe. Es ist die Hochwertigkeit dieses Journals, die besondere Auswahl der Titel, der Stil der Besprechungen, eher der Charakter als Magazin. Für jede Buchhandlung, die mit ihrem Sortiment über den Mainstream hinausgeht, ist die „Lesart“ meiner Meinung nach ein hervorragendes Instrument, um gezielt Kunden zu gewinnen und Kunden zu binden. Man muss nur wissen, wie man das anpacken muss, auch das ist nicht Mainstream.
Das Heft ist nicht so breit aufgestellt wie das „Buchjournal“ und jetzt „erlesenes“ …
… aber Lesart ist ausgewählter, andererseits nicht so exklusiv wie das Magazin von 5plus. Deswegen sehe ich es als Ergänzung auf dem Markt, nicht als Konkurrenz für die anderen. Außerdem: 25 Jahre, die „Lesart“ ist ja nicht neu, wir wollen sie jetzt nur neu machen.
Was ist das besondere Konzept?
Im Grunde habe ich das ja eben schon gesagt habe. Aber dazu kommt unsere ausschließliche Fokussierung auf das Buch! In der Gestaltung auch auf Kunst. Inhaltlich: Die kritische Solidarität, mit der die Bücher von den Autoren besprochen werden, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Distanz und Nähe. Karsten Schröder hat schon einen bemerkenswerten Kreis an AutorInnen zusammengesammelt. Ich lerne die ja jetzt erst Stück für Stück kennen, und bin ganz angetan.
Du machst das aber nicht allein?
Karsten Schröder hatte ja fast alles selbst gemacht, mit allen Problemen, die das mit sich bringt. Wir sind jetzt zu viert: Matthias Schümann, ein Rostocker Kulturjournalist, gibt sozusagen den Chefredakteur, Christiane Vogt ist Grafikerin, hat damals schon das Corporate Design meiner Buchhandlung entwickelt, Antonia Hingst ist Germanistikstudentin und wird wohl erst einmal Mädchen für alles sein müssen, sich auch um Anzeigen und Vertrieb kümmern. Ein altersmäßig gut durchmischtes Team, entwicklungsfähig und –bereit.
Und Du machst das in einem Alter, da andere schon an die Rente denken?
Ich fühle mich noch frisch genug für Weiteres. Ich habe gerade meine Buchhandlung umgebaut und erweitert, das zahlt sich offenkundig aus. Da kann noch ein bisschen nachjustiert werden, aber dann nehme ich meine Nachfolgerin ins Visier und wohl auch ins Boot. Sollte dann ein Loch in meinem Leben entstehen, habe ich das nun schon mit der Lesart aufgefüllt. Ich gebe zu, dass ich diese Baustellen eigentlich gerne nacheinander, Jahr für Jahr, ins Auge hatte fassen wollen, nun plötzlich sind sie alle in einem halben Jahr zusammengekommen. Das ist zwar etwas stressig, aber ich habe schon Heftigeres erlebt und überlebt, und auf das Adrenalin und Serotonin, dass da herumsprüht, möchte ich jetzt nicht mehr verzichten.
Wie kriegst Du das arbeitsmäßig hin?
Ich hatte ja eine Zeit lang als Berater gearbeitet, und Arbeits- und Betriebsorganisation war da ein Schwerpunkt von mir – ist ja im Buchhandel auch vielfach eine große Schwachstelle. Ich wende das an, was ich am grünen Tisch vielen KollegInnen damals versucht habe klar zu machen. Klappt gut! Natürlich möchte ich manchmal die zweiten 24 Stunden am Tag haben, ich bin ja auch ein bisschen durchgeknallt, weil ich mir viele kleine Projekte an Land ziehe. Aber keiner zwingt mich, ich mache es, weil ich die Projekte toll finde, es macht mir Spaß, ich habe positiven Stress. Ich liege abends im Bett, sage mir „war ein geiler Tag heute“, und dann wird´s noch geiler. Punkt.
Heißt es nicht, „Schuster, bleib bei deinen Leisten“?
Ach, ich will in der „Lesart“ ja nicht selbst schreiben, zumindest noch nicht. Wir haben tolle AutorInnen, und wir haben auch bereits weitere neue tolle AutorInnen gewonnen. Ich spiel nur den Herausgeber, aber ich lerne dazu. Das finde ich toll!
Wo und wie willst Du in den Markt gehen?
Die „Lesart“ hat auf der einen Seite eine Menge Direktabonnenten, auf der anderen Seite mehrere hundert Buchhandlungen und Bibliotheken, die sie verteilen oder verkaufen. An dieser Stelle gibt es kein Ei des Kolumbus neu zu erfinden, hier werden wir solide Entwicklungsarbeit leisten und dies ausbauen, was Karsten Schröder in den letzten Jahren alleine nicht hat leisten können. Als unabhängiger Buchhändler liegt mir der unabhängige Buchhandel besonders am Herzen. Ich hoffe, einige KollegInnen zu finden, die mit der „Lesart“ in gleicher Art und Weise wie ich arbeiten werden, schließlich fahre ich gut damit.
Und Dein Ziel?
Höhere Auflage! Größere Verbreitung! Auch ein paar mehr Anzeigen! Wirtschaftlich muss es sein, ohne Wenn und Aber! Mein Ziel: Qualität muss sich auszahlen! Das ist nicht selbstverständlich, aber möglich. Ja, und die Qualität soll stimmen, inhaltlich und gestalterisch. Wir werden die „Lesart“ weiterentwickeln, es werden jüngere Leute dazustossen, Themen, Inhalte, die Art und Weise der Besprechungen und Darstellung wird sich entwickeln. Das wird ein Diskussionsprozess im Team und mit den AutorInnen ergeben, aber wir haben auch schon einen ganzen Rattenschwanz an Ideen, wie wir das Konzept entwickeln wollen.
Wen stellst Du Dir als Bezieher vor?
Schon den Kulturinteressierten. Davon gibt es erst einmal genug, dass wir die Auflage verzehnfachen könnten, man muss sie nur erreichen und man muss vor allem interessant und anregend genug für sie sein. Das ist die Herausforderung in Zeiten von Informations- und Reizüberflutung. Wenn ich daran denke, kribbelts mir in den Fingern loszulegen.
Die Fragen stellte Christian von Zittwitz
Kontakt: LESART , Wismarsche Str. 6/7D-18057 Rostock