Der dtv-Artdirector Dieter Brumshagen geht nach über dreißig Jahren in den Ruhestand. Zum Abschied hat Rudolf Frankl ein paar passende Worte gefunden:
Alle sind sich einig: Die Covergestaltung hat wesentlichen Anteil am Erfolg eines Buches. Trotzdem bleiben die Gestalter, die jedem Buch durch die bewusste Entscheidung über Materialien, Typographie, Bildmotiv und Farbe ein „Gesicht“ geben, meist im Hintergrund. Jetzt geht Dieter Brumshagen bei dtv von Bord.
Dreißig Jahre lang hatte Celestino Piatti mit seiner künstlerischen Handschrift und einem strengen typographischen Konzept der rechtsbündigen Akzidenz grotesk dem dtv ein unverwechselbares Gesicht gegeben. Sein Rückzug zu Beginn der 90er-Jahre zwang den Verlag, seinen optischen Auftritt neu zu erfinden. Seit 1995 Wolfgang Balk als neuer dtv-Verleger ebenso mutig wie systematisch ein neues Gestaltungskonzept entwickelte, stützte er sich auf die Begeisterungsfähigkeit und das Knowhow des jungen Herstellers Dieter Brumshagen. Aufmerksame Leser finden seitdem im Impressum von über 10.000 dtv-Titeln den Hinweis „Umschlaggestaltung: Balk & Brumshagen“.
Bemerkenswert ist dabei nicht nur die große Zahl der Titel, die überwiegend in der neu geschaffenen Abteilung von Dieter Brumshagen entstanden sind. Die rund 450 Neuerscheinungen p.a. waren völlig unterschiedlichen Themenfeldern und Reihen zuzuordnen. Aufgabe war es, jedem Titel und Autor ein individuelles Gesicht zu geben, das gleichermaßen dem potenziellen Leser eine erste Verortung des Buches ermöglicht – und im Idealfall Interesse und noch besser Begehrlichkeit auslöst. Damit nicht genug. Gleichzeitig sollte dieses individuelle Profil auch noch die eindeutige Zuordnung in ein Themenfeld, ein Genre oder in eine Reihe signalisieren. Und last but not least war natürlich noch die übergeordnete Markenbotschaft, als Qualitätsversprechen für Leser, Handel und Multiplikatoren unverzichtbar.
Diese Aufgabe hat Dieter Brumshagen vorzüglich gemeistert. Das geht über einen so langen Zeitraum nicht ohne Veränderungen. Ständig lauert dabei auch die Versuchung die Markenidee zu deformieren. Mit einer wirkungsvollen Mischung aus energischer Hartnäckigkeit bei der Einhaltung des Regelwerks und einer kreativen Anpassungsfähigkeit an geänderte Sehgewohnheiten und Programmerweiterungen hat Dieter Brumshagen erfolgreich Kurs gehalten.
Er hat diese Sisyphusaufgabe gelöst, obwohl er so viele Ratgeber innerhalb und außerhalb des Verlages hatte. Es gibt keine Funktion in einem Verlag, zu deren Arbeitsergebnissen sich 100 % der Belegschaft zu einem fundierten Urteil berufen fühlen, wie bei der Covergestaltung. Belegschaft, Autoren, Agenten, Verlagsvertreter, Journalisten, Buchhändler, Filialisten: Sie alle tragen zu einer verwirrenden Polyphonie der Meinungen bei. Wie lässt sich bei diesem Szenario ein termingerechtes, akzeptiertes und erfolgreiches Ergebnis erzielen?
Das erfordert neben kreativer und technischer Könnerschaft vor allem Souveränität, bedingte Geduld und eine Projektplanung, die diese gelegentlich zeitraubenden, oft mühseligen Abstimmungsprozesse schon „eingepreist“ hat. Für diese Leistung gebührt Dieter Brumshagen größte Bewunderung. Selbst auf wiederkehrende Idiosynkrasien aus der Geschäftsleitung („Grüne Umschläge gehen gar nicht!!!“) reagierte Brumshagen auch nach vielen Jahren noch mit einem freundlich-interessierten Lächeln. Danke, lieber Kollege!
Nun hat diese Vielstimmigkeit, die immer auch verbunden war mit konkreten (und nicht selten sich widersprechenden) Erwartungen, ein Ende. Sie wird ihm hoffentlich nicht fehlen.
Dieter Brumshagen wird seinen KollegInnen in jedem Fall fehlen.
Rudolf Frankl