Sabine Kahl, Inhaberin der Schmargendorfer Buchhandlung in Berlin, schreibt uns wieder einmal von ihren Sorgen als Sortimenterin. Diesmal: „Warum kann Zeitfracht nicht schneller liefern? Und warum schweigt die Branche?“
Heute morgen hat es mir im Wareneingang mal wieder die Sprache verschlagen: Da haben die Lieferungen einer namhaften Verlagsgruppe und verschiedener großer und kleiner Verlage, die über die Verlagsauslieferung Zeitfracht ausliefern, allesamt das Rechnungsdatum 24.9.2021 – heute ist der 7.10.21 und so hat die Sendung immerhin ganze 10 Arbeitstage (bzw. 14 Tage) gebraucht, um bis zu uns zu kommen.
Das ist bedauerlicherweise kein Einzelfall sondern seit längerem die Regel. Jede Vertriebsabteilung, die man zu diesem Thema kontaktiert, winkt inzwischen entnervt ab – das Problem „sei bekannt, aber leider leider kann man gar nichts machen“.
Das nervt!! Und ich frage mich: Warum wird über diesen Missstand nicht in unseren Branchenmedien berichtet? Ich vermute, dass es doch vielen Sortimentern ähnlich geht wie mir. Jeder noch so kleine Vorfall und jede kleine Personalie wird zur Meldung, aber bei diesem Thema herrscht das große Schweigen.
Das müsste doch interessieren – ich lade herzlich ein zum morgendlichen Auspacken bei uns! Vergnügt die Zeitfracht-Kisten auspacken, ein halbes Pfund Warenbegleitscheine und Rechnungen sortieren – Teilsendungen sind die Regel, können aber leider nicht verbucht werden und deshalb steht Ware von den Vortagen stapelweise im Wareneingang – abstreichen und buchen und anschließend die Pappe zerlegen – ein echtes Vergnügen!
Ich spreche hier gar nicht von den Verlusten, die mir dadurch entstehen, daß meine Zahlungsziele auf diesem Weg reduziert werden. Und ich bin fast sicher, dass den Verlagen für die derzeitige Mangelwirtschaft in der Auslieferung auch keine besseren Konditionen eingeräumt werden.
Was ist da los? Zu viel Engagement in die Neuerwerbungen wie Adler etc. geflossen? Oder haben da wieder irgendwo Controller frühzeitig alles kurz und klein gerechnet und sind jetzt entrüstet darüber, dass gerade keine preiswerten Arbeitskräfte auf dem Markt sind?
Die Technik der Auslieferungen wird ja nicht plötzlich Schaden genommen haben, deshalb kann es eigentlich nur an fehlender man-power liegen. Aber es gab doch die „Bazooka“ Kurzarbeitergeld!! Hat man die vielleicht nicht genutzt und lieber das Personal ganz eingespart?
Inzwischen ist bundesweit seit geraumer Zeit der Lockdown im Einzelhandel beendet, für ein Hochfahren der Ressourcen war also wirklich ausreichend Zeit.
Die Ursachen für die Situation sind mir eigentlich auch egal, denn auch ich habe als Unternehmerin meine Hausaufgaben in der Corona-Zeit lösen müssen. Und Tag für Tag meine Mitarbeiterinnen und mich den Begegnungen mit freundlichen und weniger freundlichen Kunden ausgesetzt – ein Infektionsrisiko mal ganz außen vor- und Warteschleife am Telefon „leider können wir das erhöhte Telefon-Aufkommen pandemiebedingt nur mit Verzögerungen bedienen, bitte wenden Sie sich schriftlich an uns“ kann ich mir nicht leisten.
Jetzt jedenfalls sorge mich im höchsten Maße um das bevorstehende Weihnachtsgeschäft!!
Aus allen Verlagen kommen die Informationen, dass Papier knapp und teuer ist und wahrscheinlich im Weihnachtsgeschäft Engpässe entstehen bzw. gut gängige Titel plötzlich nicht mehr lieferbar sein werden. Wir Sortimenter sollen uns bitte bevorraten. Ja wohin denn? Einen Vorrats-Keller kann ich mir nicht leisten.
Aber wenn ich jetzt noch die Laufzeiten der Verlagsauslieferungen und Bücherwagendienste entsprechend verlängert „denken“ muss, dann sollte ich in meine Glaskugel sehen, die bestverkäuflichen Titel des Weihnachtsgeschäftes 2021 identifizieren und tatsächlich bald für die 2. Dezemberhälfte bestellen.
Sabine Kahl