Jan Kuhlbrodt erhält den mit 15.000 Euro dotierten Alfred-Döblin-Preis 2023. Der Preisträger wurde unter sechs Autor*innen ausgewählt, die sich heute im Rahmen eines öffentlichen Lese- und Diskussionstages im Literarischen Colloquium Berlin der Diskussion stellten. Die weiteren Nominierten waren Roman Ehrlich, Franz Friedrich, Christina Griebel, Patricia Hempel und Thomas Hettche.
Die Jury, bestehend aus Nico Bleutge, Gregor Dotzauer und Andrea Zederbauer, begründete ihre Entscheidung wie folgt: „Jan Kuhlbrodt hat mit Krüppeltext oder Vom Gehen eine vielschichtige Prosa geschrieben, die sich mit großer Unerschrockenheit, erstaunlicher Komik und theoretischem Witz der eigenen MS-Erkrankung stellt. Was ihm inzwischen am schwersten fällt, das Gehen, wird dabei zum Leitmotiv eines erfahrungssatten szenischen Panoramas. Darin verarbeitet er Erinnerungen, Reflexionen und Selbstbeobachtung und spannt eine Linie vom Hohelied über Sören Kierkegaard bis hin zu Antonio Gramsci. Die papierene Welt der Bücher wird ihm zur Gegenlandschaft, in der die Utopie einer Welt ohne Gravitation aufscheint. Verzweiflung und ein feines Gespür für sinnliche und sprachliche Nuancen werden immer wieder kunstvoll ins Gleichgewicht gebracht.“
Die Preisverleihung findet am morgigen Sonntag in der Akademie der Künste am Pariser Platz in Berlin statt. Neben der Lesung aus dem prämierten Manuskript und einem Gespräch mit Jan Kuhlbrodt wird Deniz Utlu, Preisträger 2021, eine Rede auf Alfred Döblin halten.
Jan Kuhlbrodt, 1966 in Karl-Marx-Stadt geboren, lebt als freier Schriftsteller in Leipzig. Er studierte politische Ökonomie an der Universität Frankfurt am Main. Von 1997 bis 2001 absolvierte er ein Studium am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Neben Lehraufträgen an der Hochschule für Musik und Theater war er auch Gastprofessor am Deutschen Literaturinstitut. Von 2007 bis 2010 war er Geschäftsführer und Chefredakteur der Literaturzeitschrift EDIT. Zuletzt erschienen Schrift unter Tage (2023) und Die Rückkehr der Tiere (2020).
Der 1979 von Günter Grass gestiftete und seither alle zwei Jahre für ein noch unvollendetes Prosa-Manuskript vergebene Alfred-Döblin-Preis wird von der Akademie der Künste und dem Literarischen Colloquium Berlin ausgerichtet und erinnert im Sinne des Stifters an Döblin als einen der vielseitigsten deutschen Schriftsteller der Moderne. Der Preis wird in diesem Jahr zum 24. Mal vergeben. Die letzten Preisträger*innen waren 2021 Deniz Utlu, 2019 Ulrich Woelk und 2017 María Cecilia Barbetta.