Thedel von Wallmoden wird heute 65 Jahre alt. Dem Wallstein-Verleger gratuliert Hans Frieden zum runden Geburtstag:
Lieber Thedel von Wallmoden, vor wenigen Tagen wollte mir jemand weismachen, dass Du am 17. Juni den 65. Geburtstag feiern würdest. „Oh“, sagte ich, „das kann nicht sein, ich habe doch erst kürzlich im BuchMarkt Thedel zum 50. Geburtstag gratuliert!“ Überhaupt: Die Zahl 65 hört sich nach Rente und Seniorenteller an und das kann ich einfach nicht mit Dir in Verbindung bringen. Du bist zu jung für 65!
Ich habe in meinem Rechner nachgeschaut – und stelle fest: Du bist für mich seit 15 Jahren 50 Jahre alt. Alles, was ich damals für und über Dich geschrieben habe, stimmt heute noch und kann ich gerne wiederholen. Vielleicht sagst Du jetzt „Oh!“ und erbleichst wie einst Herr K.. Dennoch will ich Dir gratulierend das Loblied, sozusagen in zweiter, aktualisierter Auflage, anstimmen:
Du bist auf einem landwirtschaftlichen Gutsbetrieb aufgewachsen und hättest als ältester Sohn eigentlich nicht Verleger werden sollen. Auch als Germanistik-Student in Tübingen und Göttingen gab es dazu noch keine Anzeichen – bis zum Sommer 1985, als mit einer studentischen Schnapsidee Alles begann. Zusammen mit Freunden, den Gebrüdern Steinhoff, stelltest Du einen Göttinger Kneipenführer her. Diese erste verlegerische Erfahrung führte 1986 zur Gründung des Wallstein Verlags – auch als Firma für Satzdienstleistungen – und zwei Jahre später (also vor 35 Jahren, hört sich auch wie ein Jubiläum an!) zum ersten – noch lieferbaren – Buch im Verlag: Mein scharmantes Geldmännchen – G.A. Bürgers Briefwechsel mit seinem Verleger Dieterich. Es gibt die Legende, dass Du den Titel des ersten Wallstein-Buchs bewusst auch als Dein persönliches Motto gewählt habest. So oder so ist es ein Bild für den von Dir perfekt beherrschten buchhandels-spezifischen Spagat zwischen hohen kulturellen Ansprüchen und wirtschaftlichem Erfolg. Spätestens 1992, mit Ruth Klügers weiter leben, wurde der Verlag im ganzen Buchhandel und darüber hinaus bekannt.
Dass ich an einem kurzen geschichtlichen Rückblick nicht viel ändern muss, liegt auf der Hand. Aber auch meine Zuneigung – mein Blick auf den Verlag und sein Programm – braucht nur Ergänzungen und keine Korrekturen:
Mit Deiner neugierig-offenen, kompetenten und sehr verbindlichen Art gewinnst Du Autorinnen und Autoren sowie zahlreiche Institutionen für eine Zusammenarbeit. Trotz der Vielfalt wird das Programm nie beliebig. Als Maxime über allem steht „Aufklärung“ – als historische Aufklärung des 18. Jahrhunderts genauso wie als Aufklärungen der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Hier fallen die vielen Bücher, die einen Beitrag zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus leisten, besonders auf. Eine weitere Säule des Wallstein-Programms sind die Editionen älterer Texte der Deutschen Literatur. Und besonders seit dem Einstieg Deines alten Freundes Thorsten Ahrend schließt die Gegenwartsliteratur wie ein Fries darüber das Programm ab.
Der Weg von den ersten drei Büchern bis zu den über 90 Titeln in der aktuellen Herbstvorschau war sehr abwechslungsreich und führte den Verlag zu mehreren Auszeichnungen und Dich 2020 in die Gilde der „Verleger des Jahres“.
Bei allen Erfolgen, das gefällt mir so sehr, hebst Du nie ab. Und Du stellst immer das fortwährend wachsende Team des Verlags in den Vordergrund.
Lieber Thedel, Du hast Geburtstag und mein Loblied hier galt eigentlich nur dem Verleger und dem Verlag. Wie viel Privates magst Du hier lesen? Darf ich der BuchMarkt-Gemeinde erzählen, wie gut Dir auch der Spagat zwischen Familie und Arbeit gelingt? Dann müssen Cornelia und Eure drei Kinder hier erwähnt sein! Und unsere Freundschaft.
Worüber ich vor 15 Jahren noch nicht schreiben konnte: Zu Deinem Geburtstag erscheint bei Wallstein Wir bauen Archen – ein Buch mit Deinen Essays und Reden über Autorinnen und Autoren, deren Werke sowie „über Fluch und Segen der Arbeit des Verlegers“. Nun kann ich endlich Dein Lieblingszitat von Lichtenberg, das ich in einer gewissen Regelmäßigkeit an Buchpräsentationen von Dir hören durfte, auch mal zum Besten geben: „Wer zwei Paar Hosen hat, mache eins zu Geld und schaffe sich dieses Buch an.“
Auf Dich, lieber Thedel!
Hans Frieden