Anreisetag
Liebe Freunde,
das hier ist das Hotel Hiemann:
Es ist nur eine einzige S-Bahnstation von der Messe entfernt, umgeben von Eisdielen, Restaurants, Taxistationen und einer weithin zauberhaften Innenstadt-Infrastruktur.
Aber ich bin da gar nicht.
Oh, ich war schon fast da, denn man schickte mich hin, fehlerhaft, und dann durfte ich gar nicht einziehen in dieses halbschöne Gemäuer, das nur eine einzige S-Bahnstation von der Messe entfernt und umgeben war von Apotheken, Post, Bestattern und einer weithin zauberhaften Innenstadt-Infrastruktur.
Es war ein Irrtum. Mein Hotel lag in Wahrheit im alleräußersten Randbezirk „Alt-West“. Das ist so weit weg. Das ist so weit westlich von der Leipziger Messe, dass ich den Frankfurter Messeturm sehen kann.
Etwa hier:
Aber die positive Seite:
Aber das Hotel ist sehr zufriedenstellend; mehr dazu am Ende des Textes.
Eröffnungspressekonferenz
Das jährliche Betreten des Geländes durch den Journalistentrakt eröffnet mir jedes Mal einen erhabenen Blick auf die gigantische Glashalle.
Die Glasgänge sind heute am schönsten, denn sie sind leer; aber dennoch am wenigsten erträglich. Diese Röhren heizen sich auf über 30 ° C auf, wenn die Halle nicht benutzt wird.
Draußen an der Fassade entdecke ich einen Freeclimber, der freiwillig putzt:
Oder es muss Tom Cruise sein.
So sieht die Pressekonferenz von außen aus:
Pressekonferenz kann Leipzig einfach sehr gut. Leipzig hat einen beheizten Raum und hinterher Häppchen. Mehr muss ich nicht sagen.
HÄPPCHEN, FRANKFURT! FÜR JOURNALISTEN!
Diesmal ist ja einiges neu. Dazu zähle ich auch den Performance-Auftakt, der nicht mehr neu ist, seit letztes Jahr die Veranstaltung mit einem Schwyzer Slam aufgeweckt wurde.
Die zwei Sprachen sind Deutsch und Niederländisch, weil die Niederlande (und Flandern) dieses Jahr Gastland in Leipzig sind, und die beiden Künstler sind bei Wunderhorn verlegt.
Um die Aufprallwirkung der neuen Messeleitung zu streuen, hat man extra die sonst obligatorischen Rednertische aufgelöst in eine Sitzgruppe, nutzlose Minitischlein und ein einzelnes Rednerpult. Das erfordert mehr Choreographie, als man vorausgesehen hat, und der Wechsel zwischen Moderator und Rednerbegehung des Pultes geschah entsprechend linkisch. Ein Staksen und Deuten.
Die Tischlosigkeit führte zudem zu einem Beschoßen der Dokumente: Blätter, Cue Cards und Mikrofone mussten alle beidhändig auf zusammengepressten Oberschenkeln balanciert werden, was ich also ebenfalls sehr loben muss, weil deutlich zu sehen war, wie sehr alle ihre Rednertische vermissten.
(Die Dekotischlein zählen nicht: Die sind bereits mit den Gläsern und Flaschen vollgestellt wie der Pindeck am Ende einer Bowlingbahn.)
Keine Tische bedeutete auch keine Namensschilder mehr, aber ich habe so meine Quellen:
Der Pressesprecher war neu im Amt und hat das souverän moderiert.
Laurel & Hardy der Niederländisch-Flämischen Botschaftskooperation:
Ronald von Roeden und Nic Van der Marliere.
Skadi Jennicke, Martin Buhl-Wagner und Peter Kraus vom Cleff verteidigen die Demokratie und rücken dieses Jahr die Leseförderung in den Mittelpunkt, aber manchmal verblättere ich auch meine Notizen und kann die einzelnen Jahre nicht gut auseinanderhalten.
Natürlich waren alle gespannt auf die Umbesetzung, denn Oliver Zille wird dieses Jahr von einer Frau dargestellt.
Astrid Böhmisch stellte gleich selbst die Frage „Wer ist Astrid Böhmisch“, um ihr dann geschickt auszuweichen. Als neue Direktorin dieser Messe muss sie in Sekundenschnelle zwischen zwei Metaphern entscheiden, bevor sie auf einen fahrenden Zug oder ein reitendes Pferd aufspringt.
Ob sie für die Abschaffung der Konferenztische verantwortlich ist, bleibt ungeklärt. Sie gibt uns aber das Wort „Serendipität“ mit, das dann heute einen kleinen Google-Peak von etwa hundert Journalisten erfahren wird, und in den Folgetagen entsprechend mehr. Behalten wir das im Auge, machen wir es also selbst zu einer: Serendipität.
Dümmste Frage
Am Ende gab es die übliche Fragerunde. Ich dachte ja wirklich, die saudümmsten Fragen seien Frankfurt vorbehalten, aber ein Kollege hier hatte offenbar noch nie von Google gehört und glaubte fragen zu müssen, was und wieso denn Flandern sei.
Ihm war das ganze Konzept „Flandern“ unklar.
Auf die schweigenden, verunsicherten Gesichter aller Referenten hin verfeinerte er seine Frage insofern, dass die Deutschschweizer ja letztes Jahr auch nicht eingeladen wurden.
Noch mehr Schweigen.
In einem arschcoolen Move manövrierte das deutsche Team die „Why Flandern?“-Frage zu den Fachleuten aus Holland/Flandern. Die konterten mit einer Sekundenversion der niderländisch-belgischen Grenzgeschichte und sagten, dass sie die Deutschschweizer sehr gerne eingeladen hätten und nichts dafür könnten.
BÄM. Keine Tische, umbesetzer Direktor ohne Erklärung, Serendipität und die journalistische Nichtanerkennung von Flandern – beste Konferenz seit langem.
Und jetzt endlich: Die Häppchen.
Und wo Pressekonferenz, da ist auch MVB nicht weit:
Doch, der hat ihn wirklich gefreut.
Rundgang durch die Hallen am Aufbautag
Was bin ich erschrocken:
Nach der Pressekonferenz wird man vom Tütenmann durch alle Hallen bis zum Stand der Niederlande (und Why Flandern) geführt. Ich nenne ihn den Tütenmann, weil Foto:
Der Messestand des Gastlandes arbeitet mit dicken Tüchern und intensivem Licht:
Neue Schwerpunkte erwarten uns zur Eröffnung am Donnerstag: Die Manga Comic Convention ist auf anderthalb Hallen angewachsen.
Und tatsächlich, als ich das im Vorfeld überprüfen will:
In einem großzügig ausgelegten Areal wurden extra Signier-Gehege angelegt:
Tatsächlich nimmt der bunte Buchblock mittlerweile eine komplett eigene Warengruppe in Anspruch.
Auch meine lieben Freunde von Penguin Random House wissen, wann ein Trend ein Trend ist:
Ich bin bei Random House, weil ich noch Rezensionsexemplare für meinen Random Samstag brauche.
Stattdessen wieder nur Quatsch gemacht mit Katja Schmidt:
Frau Schmidt ist übrigens stolz auf ihre Farbwechselsäule:
LED-Technik, Höhepunkt des Jahres 2009!
Außerdem soll ich alle Daheimgebliebenen von Anne Stadtelmeyer und der Westermann-Gruppe grüßen.
Und von Theresa Bolkart bei S. Fischer:
Kulinarisch wird es bei S. Fischer schon deshalb interessant, weil es eine Durchreiche gibt!
Worauf Dumont mit diesem Zipfelcover hinaus will, weiß ich auch nicht:
Schönster Verlagsname, den ich heute gesehen habe:
Schönste Restwischpfütze des Tages:
Und dieser Aufruf kommt Sonneborn bestimmt wie gerufen:
Alles in allem: ein luftiges, zugiges Treiben bei bomforzionösem Wetter; das übliche Durcheinander, das am Donnerstag spurlos verschwunden sein wird.
Zum Geleit
Mit dem Vorbereitungstag fängt meine Messe an, aber unsere Messe beginnt am Donnerstag. Mit dem Gastland Niederlande (und Why Flandern?) haben wir ein schönes Motto vor uns:
Mein kleines Hotel-Rundreise-Abenteuer führte mich letztlich ins Astral’Inn, einem versteckt gelegenen Zweckbau in einem gemischten Gewerbe-Altbau-Neubau-Randgebiet mit fragwürdiger Haltung zu Apostrophen im Namen.
Das sieht dann einfach klingonisch aus, Astral’Inn.
Ich habe kurz überlegt, ob ich mich als B’elanna Torres eintragen soll.
Aber die Küche ist sehr lobenswert, von der Soljanka bis zum Letscho schmecken die üppigen Portionen alle hausgemacht. Saft und Bier sind richtig kalt, und der Kaffee ist fast warm!
Das Duschwasser ist schön heiß (ich brauche Schmerzgrenze), aber der Wasserdruck ist wie wenn Dir ein altes Kamel auf die Schultern gabert. Da muss ich halt jetzt durch.
Noch schnell das Nicht-stören-Schild raushängen:
Ich wünsche Ihnen einen guten Eröffnungstag.
Ihr und Euer
Matthias Mayer
Lost Places in Leipzig, Teil 1 von 5:
Hab aus der Ferne herzlich gelacht, nicht viel verpasst und fühl mich jetzt bestens informiert. Danke Messe-Mayer!
Immer unterschätzt: die Kunst des Nichtvielverpassens.
Vielen Dank.
Danke – aber Messe-Mayer in GRÜN ? Ist die Staatsministerin für Kultur und Medien an seiner Seite in den nächsten Tagen ? Oder war eine Stelle im Stab frei ?
Für die einen nur eine Farbe, für die anderen ein Haar in der Suppe – dann mache ich doch alles richtig!