BuchMarkt zu Besuch bei Bücher Sievert in Dülmen Bücher Sievert begeistert mit zwei Escape Rooms in Dülmen!

Alexander Terlau (Foto: Hanna Schönberg)

Zunächst ist es Alexander Terlau, der in seiner Buchhandlung Bücher Sievert im münsterländischen Dülmen eingesperrt zu sein scheint. Draußen ist es dunkel, als wir ihn von außen in seinem hell erleuchteten Geschäft entdecken. Dann sperrt er auf.

Das Familienunternehmen Bücher Sievert ist seit 1871 im 50.000 Einwohner:innen zählenden Dülmen ansässig und bietet heute auf beeindruckenden 320 Quadratmetern Verkaufsfläche ein Vollsortiment inklusive Trend-Themen wie Manga und Young Adult an, die jeweils von Spezialist:innen betreut werden. „Aber die Frequenz macht uns schon seit längerem zu schaffen“, startet Inhaber Terlau schnell ins Gespräch.

Passende Exit Games zu den Escape Rooms (Foto: Hanna Schönberg)

Bei einer Weihnachtsfeier vor ein paar Jahren war er mit seinem Team in einem Escape Room in Münster zu Besuch. Nachdem der Raum geschafft war, entstand die Idee: Warum machen wir das nicht auch? Immerhin verkauften sich die beliebten Exit-Games auch in der Buchhandlung sehr gut und man müsse heute kreativ und flexibel sein, um Menschen zu begeistern, ist er überzeugt.

Terlau fuchste sich in die Materie und stellte schnell fest, dass es alles andere als trivial ist, gute Rätsel zu erfinden und ein authentisches Setting aufzubauen. Darum schloss er sich schnell mit Game Designer:innen zusammen und tauchte in die Szene ein. Für den passenden Buchbezug eignete sich für den ersten Rätselraum das Thema Sherlock Homes, das als Escape Room seit zwei Jahren bis heute überaus beliebt ist.

Doch bis der Raum damals eröffnen konnte, sollte es fast zwei Jahre dauern bis alle Genehmigungen für die Umwidmung der Fläche im Untergeschoss der Buchhandlung vorlagen. In Dülmen gab es bislang keine Präzedenzfälle und im Kreis Coesfeld bis heute keinen weiteren Escape Room. Die vorher mit Buchsortiment gefüllte Fläche habe sich angeboten, da sie, wie verkaufspsychologisch üblich, ohnehin weniger frequentiert worden war als das Erdgeschoss, so Terlau. Vom ersten Spiel mit dem Buchhandelsteam bis zur Eröffnung dauerte es schließlich vier Jahre, die Kosten bewegten sich im sechsstelligen Bereich, der viele Buchhändler:innen zunächst schlucken lassen dürfte.

Möglich wurde die hohe Investition durch einen Kredit und da sich das Ladengeschäft in Familienbesitz befindet, erläutert Terlau. Eine weitere Zutat dürfte aber der Enthusiasmus des Unternehmers gewesen sein. Denn mit dem Rätseln war es damit nicht genug: Es folgte ein Rätseltisch für Zuhause, der ausgeliehen werden kann, und das Outdoor-Angebot „Monsters in the city“, das Terlau auch anderen Buchhändler:innen mit Kinder- und Jugendbuch-Angebot empfiehlt, um die Frequenz anzukurbeln. Das Angebot über den Anbieter City Venture wird beispielsweise für einen Verkaufspreis von 99 Euro bei einem Kindergeburtstag angeboten und mache wenig Aufwand, da die Tour mit Tablet an der Buchhandlung startet und endet aber nicht durchgängig betreut werden muss. Terlau kombiniert die Aktion zudem im Sinne der lokalen Vernetzung mit einem Eis-Gutschein für die Eisdiele gegenüber. Eine andere Idee sei es, kleine Rätsel-Elemente in die Buchhandlung zu integrieren.

Alexander Terlau im Rätselkeller (Foto: Hanna Schönberg)

Parallel entstand bei Alexander Terlau die Idee, einen zweiten Escape Room zu seiner bewegten Familiengeschichte zu entwerfen. Denn Bücher Sievert war vor rund 100 Jahren auch unter anderem als Druckerei aktiv. Wenn, dann richtig, scheint seine Maxime für den zweiten Raum gewesen zu sein, denn zu dessen Aufbau holte er sich den in der Escape-Szene prämiertesten Escape Designer Chris Lattner und das Team von the roomlabs heran, die unter anderem für Disney tätig sind. „Er war so fasziniert von unserer authentischen und einmaligen Familiengeschichte, dass er zwischen Berlin, Amerika und Dülmen pendelte, um dieses Projekt persönlich zu begleiten“, berichtet Terlau voller Leidenschaft.

Bei der Einrichtung des Settings vom zweiten Raum „Der letzte Tanz“ waren zudem Bühnenbildner:innen aus dem Filmstudio Babelsberg beteiligt. Die Kosten waren noch einmal doppelt so hoch wie beim ersten Raum. Der Ausgangspunkt des Spiels: Es ist 1922 und Deutschland steht am Abgrund. Hyperinflation, politische Spannungen und wirtschaftliche Unsicherheit prägen das Leben. In dieser schwierigen Zeit verbinden die Familien Sievert und Hellmann eine besondere Freundschaft. Die Sieverts, Betreiber einer traditionsreichen Druckerei, erhielten den Auftrag, Notgeld zu drucken, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Doch sie erkannten schnell, dass die Krise nicht nur Geld, sondern Hoffnung und Zusammenhalt erforderte. Ihre Freunde, die Hellmanns, führten eine erfolgreiche Brennerei, kämpften jedoch mit explodierenden Alkoholsteuern und den Einschränkungen der Zeit. Gemeinsam schufen sie einen geheimen Zufluchtsort, den es zu entdecken gilt.

Eine Besonderheit: „Der letzte Tanz“ wird anders als bei anderen Escape Rooms üblich nicht mit einem Zeit-Limit von einer Stunde gespielt, Terlau blockt für jeden Slot zwei Stunden, um im Anschluss noch Zeit für ein persönliches Gespräch mit den Gästen zu haben.

Rund 1.900 Gruppen waren bis heute zu Besuch im Rätselkeller, darunter auch viele Firmen-Events. Die Rätselräume sprächen zum Teil andere und neue Zielgruppen als die der Buchhandelskund:innen an und sorgten wechselseitig oft für Gesprächsanlässe. Selbst aus Berlin seien bereits Gäste für das Spiel angereist, erzählt Terlau. Ohnehin kämen mehr Menschen aus dem weiteren Kreis als aus Dülmen selbst. Terlau: „Wir glauben, dass dieses Projekt sowohl regional als auch überregional Aufmerksamkeit verdient, da es Tradition und Innovation miteinander vereint und ein echtes Highlight für Literatur- und Escape-Room-Fans gleichermaßen darstellt.“ Dem können wir uns nur anschließen. Aufmerksam werden Terlaus Gäste vor allem durch erfolgreiche Social-Media und Direkt-Mailing-Werbung. Mit Radio-Werbung hat er hingegen keine empfehlenswerten Erfahrungen gemacht, gibt Terlau anderen Buchhändler:innen mit auf den Weg.

Als Spielleiter:innen für die jeden Tag in der Woche von 12 bis 22 Uhr und am Wochenende von 10.30 bis 22.30 Uhr geöffneten Räume, die je nach Spieler:innenzahl zu variierenden Preise von 100 bis 190 Euro bei zwei bis sechs Personen gebucht werden können, fungieren mehrere Aushilfskräfte, drei Mitarbeitende aus dem Buchhandelsteam und Terlau selbst.

Bücher Sievert bietet in Dülmen auf 320 qm ein Vollsortiment an (Foto: Hanna Schönberg)

Ob er noch andere Räume plant? Dazu sei die Zukunft und Entwicklung des Weltgeschehens insgesamt geradezu ungewiss, sagt Terlau, aber ganz lassen kann es der 24/7 im Einsatz befindliche Unternehmer doch nicht ganz: In einer angemieteten Wohnung über der Buchhandlung befindet sich nicht nur der Team-Raum, sondern soll auch eine kleine Bühne für Kleinkunst entstehen, die ihm am Herzen liegt.

Und wie fällt unser Fazit aus? Es ist schlicht beeindruckend, was Alexander Terlau als Buchhändler hier aufgebaut hat. Aber wie es sich für spannende Geschichten gehört, darf an dieser Stelle leider natürlich nicht zu viel verraten, sondern es muss ausprobiert werden, mit unbedingter Empfehlung. Viel Spaß beim Eintauchen in eine andere Welt!

Hanna Schönberg

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