Jeden Morgen blättern wir für Sie durch die Feuilletons der führenden Tageszeitungen – damit Sie schnell einen Überblick haben, wenn Kunden ein bestimmtes Buch suchen oder Sie nach einer Idee für einen aktuellen Büchertisch:
- „Gier wird sowieso vorausgesetzt“: Alissa Ganijewa scheut in ihrem Roman über einen provinziellen Sündenpfuhl keine Kolportage. „Trotz der meist drastischen Ereignisse ermüdet der Roman ein wenig. Das liegt zum einen an der ungelenken, offenbar unlektorierten Übersetzung, die manche Dialoge zur Qual und manche Äußerung zum Rätsel macht (…). Zum anderen ist die Zeichnung der Figuren ausgesprochen eindimensional: Sie unterliegen der Diktatur weiblicher beziehungsweise männlicher Hormone, Gier wird sowieso vorausgesetzt.“
Alissa Ganijewa, Verletzte Gefühle (Wieser Verlag) - „Raus aus Kitchike“: So ein Erbe willst du keinem mitgeben: Louis-Karl Picard-Sioui beschreibt in Der große Absturz die Zerrissenheit zwischen Stadt und Reservat in Kanadas kolonialer Gegenwart. „In diesem Rahmen zwischen Kater und Umsturz, in einer erzählten Zeit von wohl nur einigen Tagen, spielen sich die Ereignisse ab, die jeweils als Kurzgeschichte und aus unterschiedlichen Perspektiven geschildert werden – dieser Struktur verdankt das Buch seinen Untertitel Stories aus Kitchike.“
Louis-Karl Picard-Sioui, Der große Absturz (Secession Verlag) - „Shakespeare in Bukarest“: Olivia Manning sondiert die Kriegsstimmung 1940 unter Briten in Rumänien. „Neu aber ist vor allem der weibliche Blick auf eine historisch äußerst instabile Situation, in der ein Land sich zwischen den Mächten bewegt und am Ende schließlich auf eine Seite kippt. Besser als in historischen Sachbüchern kann der Roman die geschichtliche Offenheit und Ungewissheit erzeugen, und das gelingt Manning auf großartige Weise.“
Olive Manning, Der größte Reichtum (Rowohlt) - „Kleine Explosionen“: Lydia Davis bleibt eine Meisterin der Kurzgeschichte. „Manchmal schreibt Davis auch einen Roman in einem Satz: ‚X ist mit Y zusammen, lebt aber von Zs Geld.‘ Was könnten manche Schwafel-Literaten von ihr lernen! Die Rezension des Buches endet hier, aber das muss genügen.“
Lydia Davis, Es ist, wie’s ist (Literaturverlag Droschl)
Reiseliteratur
Jürgen Hosemann, Das Meer am 31. August (Berenberg)
Franziska Tschinderle, Unterwegs in Albanien. Meine Reise durch ein unbekanntes Land (DuMont Reiseverlag)
Kurt Roeske /Patrick Schollmeyer, Von Troja bis Halikarnassos. Ein kulturhistorischer Reiseführer“ (Verlag Königshausen & Neumann)
Stephen Shore, Transparencies – Small Camera Works 1971–1979 (Mack Books, London)
Thomas Käsbohrer, Auf dem Meer zu Hause – was mir mein Segeltörn entlang Europas Küsten über das Leben erzählte (Penguin)
- „Dreckiges deutsches Geld“: In Christian Krachts neuem Roman Eurotrash ziehen Mutter und Sohn aus, um das Fürchten zu verlernen. „Eurotrash wurde vom Verlag als Fortsetzung von Faserland angekündigt, aber hier, auf den ersten Seiten, ist es eher eine Art programmatische Rückschau (…). Das dauert aber nicht lang, schon bald ändert das Buch seine Gestalt und wird zu einem großen, heiteren Abenteuerroman, bestimmt dem herzlichsten, den es von Kracht bislang zu lesen gab.“
Christian Kracht, Eurotrash (Kiepenheuer & Witsch) - „Überall im Exil“: Die erste Biografie der Schriftstellerin und Philosophin Susan Taubes. „Pareigis beschreibt in ihrer Biografie mit großer Materialfülle ein Leben, das viel zu lange vom Schatten des Ehemanns verdeckt wurde. Man darf gespannt sein, in welche Richtungen das Nachdenken über die Philosophin und Schriftstellerin Susan Taubes in den kommenden Jahren gehen wird.“
Christina Pareigis, Susan Taubes – Eine intellektuelle Biographie (Wallstein)
- „Auf ewig umkämpft“: Joseph Croitorus so sorgfältige wie souveräne Darstellung der von Mythen, religiösen und politischen Interessen aufgeladenen Geschichte Jerusalems. „Darum sei die Lektüre dieses Buches allen, die das vermeintlich unlösbare Problem des Israel-Palästina-Konflikts schon alleine aus Gründen deutscher Verantwortung umtreibt, eindringlich ans Herz gelegt. Zugleich vermittelt es eine tiefe, aufklärende Einsicht in die nach wie vor – auch politisch wirksame – Kraft der vor drei Jahrtausenden entstandenen monotheistischen Religion und ihrer Verzweigung in Judentum, Christentum und Islam.“
Joseph Croitoru, Al-Aqsa oder Tempelberg. Der ewige Kampf um Jerusalems heilige Stätten (C.H. Beck) - „Das Moment der Unfehlbarkeit“: Perfekter lässt sich menschliche Empfindung nicht ausdrücken. Die eigenartige Kunstform Oper ist groß, vielfältig und auch teuer, und erst auf der Bühne, diesem gauklerischen Ort, wird sie ganz sie selbst. „Hans-Klaus Jungheinrichs Bücher Eine kurze Geschichte der Oper und Unser letztes Musikjahrhundert, die beide in den nächsten Tagen in den Handel kommen, sind neu edierte, erweiterte Ausgaben älterer und länger vergriffener Titel. Sie erscheinen nun im auf Musik spezialisierten Wolke Verlag in Hofheim.“
Hans-Klaus Jungheinrich, Unser letztes Musikjahrhundert (Wolke Verlag)
Hans-Klaus Jungheinrich, Eine kurze Geschichte der Oper in 35 Bildern (Wolke Verlag) - „Die Stasi schreibt mit“: Matthias Jüglers Roman Die Verlassenen ist ein Meisterwerk der Knappheit. „Der Text besteht aus kurzen Kapiteln, die in der Zeit springen. Die Sätze sind knapp, präzise, kraftvoll – sie atmen die Effizienz von einem niedergeschlagenen Erzähler, der mit seiner Energie haushält. Man bewegt sich beim Lesen auf eine offene Wasserfläche hinaus und tritt auf kleine Inseln, die scheinbar der Zufall vorbeitreibt.“
Matthias Jügler, Die Verlassenen (Penguin)