Der Hermann Kesten Preis, die Auszeichnung des PEN-Zentrums Deutschland, gestiftet vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, geht in diesem Jahr an die Dichterin Meena Kandasamy aus Indien. Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert. Mit dem Hermann Kesten-Förderpreis wird das Portal Weiter Schreiben für Literat*innen aus Kriegs- und Krisengebieten geehrt.
Meena Kandasamy, 1984 in Chennai (damals Madras)/ Tamil Nadu geboren, ist eine wortgewandte Schriftstellerin, Übersetzerin und Herausgeberin der englischsprachigen Zeitschrift „The Dalit“, Feministin und Aktivistin für Rede- und Pressefreiheit. Lange wohnte sie in London, jetzt lebt sie wieder in Indien, dessen hindunationalistischer Regierungschef und seine Partei (BJP) die Gesellschaft zutiefst spalten, Brennpunkte schafften und Gewalt provozieren. Entsprechenden Anfeindungen ist sie ausgesetzt. Auf Deutsch liegen ihre Bücher bei CulturBooks und Wunderhorn vor: Schläge. Ein Porträt der Autorin als junge Ehefrau (2020) und Reis und Asche (2016).
Cornelia Zetzsche, Vizepräsident des deutschen PEN-Zentrums: „Meena Kandasamy ist eine furchtlose Kämpferin für Demokratie und Menschenrechte, für das freie Wort und gegen die Unterdrückung von Landlosen, Minderheiten und Dalit in Indien; keine ‚Ms Angenehm‘, eher eine ‚Ms Militancy‘, wie eines ihrer Bücher heißt. Mit Empathie, analytischer Schärfe und literarischem Furor fährt sie durch patriarchale, feudale Strukturen und benennt in Reden und Schriften Gewalt gegen Frauen, Folgen eines ungezügelten Kapitalismus und ein Massaker an Bauern in Südindien.“
Hessens Kunst- und Kulturministerin Angela Dorn: „Meena Kandasamy rebelliert in ihren Büchern gegen Ungleichheit und Repression. Sie gibt Gewaltopfern eine Stimme und meldet sich zu Wort, wann immer Intellektuelle, Oppositionelle, Akademikerinnen und Akademiker in Bedrängnis sind. Die Online-Plattform ,Weiter Schreiben‘ trägt im Namen den Herzenswunsch, der Schriftstellerinnen und Schriftsteller im Exil bewegt – und setzt ihn in Form von Tandems mit renommierten deutschsprachigen Autorinnen und Autoren in die Tat um. Ihre Stimme weiter zu lesen und zu hören ist essentiell in einer Welt, in der die brutale Unterdrückung abweichender Meinungen in zu vielen Ländern leider Realität ist. Meena Kandasamy und die Organisation ,Weiter Schreiben‘ sind sehr würdige Preisträgerinnen des Hermann Kesten-Preises und des Hermann Kesten-Förderpreises sowie eine unschätzbare Bereicherung der Literaturlandschaft.“
„WeiterSchreiben.jetzt“ ist eine literarische Plattform für Autor*innen aus Kriegs- und Krisengebieten, die in Deutschland Zuflucht fanden, hier eine Perspektive suchen und weiter schreiben und gelesen werden wollen. In Tandems mit deutschsprachigen Kolleg*Innen veröffentlichen sie Lyrik, Prosa und Briefwechsel, organisieren Begegnungen verschiedenster Art, auch Veranstaltungen. Gegründet wurde die Initiative 2017, künstlerisch geleitet wird es von der Autorin Annika Reich. Längst ist das weit verzweigte Netzwerk auch in Österreich, Polen, der Schweiz und „Mondial“ aktiv, mit über 120 Autor*innen. Entstanden sind ein Printmagazin, ein Podcast, ein Hörbuch und eine Anthologie mit dem Titel „Das Herz verlässt keinen Ort, an dem es hängt“.
„Aus einem Projekt für Geflüchtete wurde „Weiter Schreiben“ über die Jahre zu einem spannenden, nachdenklichen, berührenden, interkulturellen Austausch, der die bundesrepublikanische Wirklichkeit weitet. Das zivilgesellschaftliche Engagement für verfolgte Autor*innen motiviert, hinterfragt Klischees, öffnet Fenster in die Welt“, heißt es in der Jurybegründung.
Die Verleihung der Preise findet am 15. November um 19 Uhr in den Kammerspielen des Staatstheaters Darmstadt statt.