Großer Auftritt für die Literatur Europas: Im Rahmen des Europäischen Kulturerbejahres präsentierte das Blaue Sofa von Bertelsmann, ZDF, Deutschlandfunk Kultur und 3sat gestern Abend in der Berliner Bertelsmann Repräsentanz einen Europäischen Autoren-Gipfel. Zusammen mit neunzehn europäischen Botschaften und Kulturinstituten hatte man 20 Autoren eingeladen, darunter Terézia Mora, Guy Helminger, Maja Lunde und Hans Maarten van den Brink.
Gastgeberin Helen Müller begrüßte rund 400 Gäste aus Kultur und Medien. „Literatur ist die Zukunft Europas. Das wollen wir zeigen“, betonte sie und erwähnte, dass seit diesem Jahr 3sat mit im Boot ist und das Blaue Sofa damit insgesamt vier Partner hat.
Fünf Exemplare des Blauen Sofas standen in fünf Salons der Bertelsmann-Repräsentanz. Im Halbstundentakt nahmen die Autorinnen und Autoren Platz und erzählten was es heißt, Schriftsteller in Europa zu sein und wie sie Europa erleben. In den zehnminütigen Pausen konnten die Zuhörer den Raum wechseln, je nachdem für welchen Autor sie sich entschieden. Das Format kam beim Publikum gut an. Ein schön gestaltetes Programmheft erleichterte die Orientierung.
Das Publikum erfuhr beispielsweise, dass sich die dänische Schriftstellerin Janne Teller mit ihren österreichischen, deutschen und italienischen Wurzeln eher als Europäerin, denn als Dänin fühlt. „Ich bin eine europäisch gemischte Person“, sagte sie Im Gespräch mit Daniel Fiedler, dem Leiter der ZDF-Redaktion Kultur Berlin. Die Geschichte und Kultur des Kontinents sei ein integrierter Teil ihres Denkens und ihrer Lebenshaltung, so Janne Teller. Es sei wichtig, das kulturelle Erbe zu bewahren und zu pflegen. „Wir müssen aus den Fehlern der Geschichte lernen“, betonte sie. „Es ist eine Illusion zu glauben, dass in Nationalstaaten alles besser wird.“ Mit einer kurzen Lesung aus Europa. Alles was Dir fehlt (btb) brachte sie das Publikum zum Lachen – und zum Nachdenken. „Literatur öffnet Herzen“, so Janne Teller. Man verstehe andere besser, wenn man einmal in ihren Schuhen gelaufen sei. Dieses Gefühl könnten Geschichten vermitteln.
Sabine Gruber, die als Tochter deutschsprachiger Eltern in Südtirol aufgewachsen ist und heute in Wien lebt, vertrat beim Autorengipfel Italien und Österreich. In ihrem Roman Stillbach oder Die Sehnsucht (C.H. Beck) hat sie über Europa geschrieben, über die fatalen Folgen des Nationalismus, über brüchige Identitäten und Heimatlosigkeit als Chance. Literatur biete die Chance, differenziert auf Europa zu blicken, sagte sie. Ihr Traum sei ein Europa in dem die sozial Schwachen nicht ausgegrenzt werden, daher sei es besonders wichtig, dass der Zugang zu Bildung kostenlos bleibe.
Der Ire Hugo Hamilton, Sohn eines irischen Vaters und einer deutschen Mutter, erwähnte, dass Widersprüche und Unterschiede Europa so interessant machten. Europa verglich er mit dem ganz normalen Chaos einer Familie: „Hauptsache wir verstehen einander.“ Und die Tschechin Radka Denemarková bringt es so auf den Punkt: „Die Entwicklung von Europa ist für mich auch ein notwendiges Labor der Humanität. Sie zwingt uns, an die anderen zu denken.“
Fazit: Das Publikum erlebte einen optimistisch stimmenden Abend mit Autoren, die unterschiedliche Lebenserfahrungen haben, aber die Kraft von Geschichten kennen und die sich über die Werte, die Europa ausmachen sollten, einig sind. Dazu gehören Demokratie, Toleranz und Solidarität. Beim anschließenden Empfang hallten die anregenden, politischen Gespräche noch lange nach. Neugierig geworden eilte so mancher Besucher zum Büchertisch der Tegeler Bücherstube.
Deutschlandfunk Kultur sendet die Gespräche am Sonntag, 24. Juni von 0:05 bis 4 Uhr.
Die 20 Autorinnen und Autoren des Gipfels: Janne Teller aus Dänemark, Terezia Mora aus Deutschland, Geert Buelens aus Flandern, Hédi Kaddour aus Frankreich, Jacques De Decker aus der Föderation Wallonie-Brüssel, Claire North aus Großbritannien, Sjón aus Island, Hugo Hamilton aus Irland, Laurynas Katkus aus Litauen, Guy Helminger aus Luxemburg, Pierre Mejlak aus Malta, Hans Maarten van den Brink aus den Niederlanden, Maja Lunde aus Norwegen, Tomasz Rózycki aus Polen, Hélia Correia aus Portugal, Dana Grigorcea aus der Schweiz, Svetlana Žuchová aus der Slowakei, Sabine Gruber aus Südtirol und Radka Denemarková aus Tschechien.
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