Andrea Reidt über den 10 Jahre "Buchpreis Familienroman" der Stiftung Ravensburger Verlag „Buchpreise kann es nicht genug geben“

Der Buchpreis Familienroman der Stiftung Ravensburger Verlag wird in diesem Jahr zum zehnten Mal vergeben (an Anna Katharina Hahn für Aus und davon (Suhrkamp). Das war Anlass für unser heutiges Gespräch mit der Journalistin Andrea Reidt, die für die Stiftung den Preis betreut:

Andrea Reidt. mit dem Buch der diesjährigen Preisträgerin: „Es gibt bislang keinen Buchpreis, der speziell Familienromane im Blick hätte. Wir sind ein wenig stolz auf unser Konzept“ (Foto: Charlotte Dyckerhoff)

Frau Reidt, was war und ist eigentlich die Idee zu einem Buchpreis Familienroman ? 

Andrea Reidt: Die Stiftung Ravensburger Verlag fokussiert sich auf das Thema Familie. Zehn Jahre lang hatten wir einen Journalistenpreis ausgelobt, um die Medienberichterstattung über Facetten des familiären Zusammenlebens anzuregen. Irgendwann wurden wir mit Beiträgen überschüttet, dieses Ziel war erreicht. Deshalb haben wir 2011 zwei neue Jahrespreise aus der Taufe gehoben: einen Leuchtturmpreis für ehrenamtliches Engagement im Sektor Familie, Bildung, Erziehung und den Buchpreis für einen deutschsprachigen Familienroman. Beide sind mit je 12.000 Euro dotiert.

Gibt es nicht schon genügend Buchpreise?

Davon kann es nicht genug geben! Soweit ich weiß, gibt es bislang keinen Buchpreis, der speziell Familienromane im Blick hätte. Wir sind ein wenig stolz auf unser Konzept, und ich bin der Stiftungsvorsitzenden Dorothee Hess-Maier immer noch dankbar, dass sie trotz einiger Zweifel damals ihr Okay dafür gegeben hat. 

Was ist denn der Kern dieses Konzepts? 

Wir suchen nicht nach experimenteller, avantgardistischer oder Nischenliteratur, sondern eine möglichst populär geschriebene Geschichte, ohne dass diese trivial wäre oder eine „heile Welt“ vorführte. Literarische Qualität setzen wir natürlich voraus. 

Aber das ist sicherlich nicht das einzige Kriterium? 

Vor allem soll der Roman – so die Stiftungskriterien – die inneren Kräfte des Lebensmodells Familie und deren Dynamik veranschaulichen, Konflikte und Probleme konstruktiv oder zumindest hoffnungsvoll auflösen.

Ich glaube mich daran zu erinnern, dass das nicht immer einfach ist, dafür einen passenden Roman zu finden.

Ja, jeder „Jahrgang“ ist dazu anders, mal gibt es viel, mal wenig Output. Diesmal war die quantitative Vorauswahl riesig, trotzdem schwierig, ein Buch zu finden, das die Kriterien erfüllt. Ein Beispiel: Wenn sich in einem literarisch klasse gelungenen Roman am Ende die Mutter umbringt oder das ganze eindrucksvoll vermittelte Familienelend noch elender ausgeht, kommt das Buch nicht in Frage. Anna Katharina Hahns Familienroman „Aus und davon“ passt in dessem Jahr perfekt – es ist eine multiperspektivische Vier-Generationen-Geschichte, die nicht alle Probleme löst, aber die Protagonisten verändern ihre Haltung und blicken zuversichtlich in die Zukunft. 

Wie geht denn die Jury die Suche an? 

Die Kriterien erlauben uns, großzügig zu sein, nicht nur klassische Eltern-Kinder-Konstellationen zuzulassen wie bei Anna Katharina Hahn und Annette Mingels …

… sondern auch … 

Die Preisbücher von Hannes Köhler, Maja Haderlap und Lena Gorelik etwa waren zutiefst politisch. Doris Knecht führte uns in einen Beziehungsdschungel. Ob Bestseller von Benedict Wells oder das Debüt von Saskia Luka, ob mythenbeladene Komik von Vea Kaiser oder philosophische Zeitreise von Sten Nadolny – die Vielfalt überrascht uns immer wieder aufs Neue. Übrigens auch auf Verlagsebene: die zehn Titel kamen rein zufällig aus zehn verschiedenen Verlagen. Unser digitaler „Büchertisch“ auf der Webseite www.stiftung-ravensburger.de visualisiert diese Vielfalt. 

Das scheint mir eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Wer darf denn da mitmachen, kann man sich bewerben? 

Auf eine Ausschreibung verzichten wir bewusst. Wir lassen uns von einigen Fachleuten aus Buchhandel, Literaturkritik und Bloggerszene Titel vorschlagen. Zugleich beobachten und lesen mein Jurykollege, der Literaturkritiker Uwe Wittstock, und ich zahlreiche Neuerscheinungen, tauschen uns über unsere Leseeindrücke aus und begründen Vorschläge. Das letzte Wort haben die Stiftungsvorsitzenden. Kurz vor der Frankfurter Buchmesse ist dann immer die Bekanntgabe, später die Preisübergabe in Berlin, und zur Leipziger Buchmesse holen wir den jeweiligen Gewinner oder die Gewinnerin auf eine Lesebühne, zuletzt mehrfach in der Deutschen Nationalbibliothek.

Ich habe den Eindruck, das ist nicht einfach ein Brotjob für Sie.

Natürlich nicht, ich bin vor allem eine ganz normale Leserin, die sich von Sprache, Spannung und Emotion fesseln lässt, in deren Kopfkulisse aber eine literaturwissenschaftliche Deko blinkt. Diese Rolle des kritischen Kritikers übernimmt oft Uwe Wittstock, so ergänzen wir uns. Neben allen Kriterien siegt letztlich doch der subjektive Blick. Es macht große Freude, nach Titeln herumzustöbern, noch mehr zu lesen als ohnehin schon und darüber zu sprechen. Manchmal telefoniere ich mit Ellen Pomikalko, Ihre wunderbare BuchMarkt-Literaturfrau. Sie ist eine unserer Beraterinnen, und wir schnacken und tratschen uns gern heiß über die neuesten Titel. Auch das gehört dazu. 

Andrea Reidt ist freie Journalistin, Germanistin und selbst Buchautorin und federführende Jurorin des Buchpreises Familienroman. Viele Jahre betreute sie die Medienarbeit der Unternehmensgruppe Ravensburger, seit dem Jahr 2000 begleitet sie Projekte der Stiftung Ravensburger VerlagDie Fragen stellte Christian von Zittwitz

 

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