Der andere Fragebogen Wie war Ihr Jahr, Gisa Klönne und Albert Eibl?

Seit dem 6. Dezember (Nikolaustag) fragten wir wieder bis heute (6. Januar 2022, Heilige Drei Könige) in der Buchbranche herum: „Wie war Ihr Jahr?“. Heute beantworten die Rowohlt-Autorin Gisa Klönne und Albert Eibl, Verleger des von ihm 2014 gestarteten Wiener Verlages Das vergessene Buch, unseren „anderen“ Fragebogen:

Gisa Klönne: „Von Verbundenheit und Menschlichkeit möchte ich bitte mehr lesen – in aller Vielfalt und Schönheit. Und – ganz wichtig! – ich will endlich wieder neue Messe-Mayer-Kolumnen lesen!“

Welcher Tag war Ihr schönster im letzten Jahr?

Gisa Klönne: Sehr schwer zu entscheiden! Vielleicht dieser Tag Ende Mai, als mein Mann und ich nach dem langen Lockdown in einen brandenburgischen See tauchten. Oder dieser Sonnenuntergang auf dem Stand-UP-Paddleboard in meiner Lieblingsbucht auf Kreta. Oder doch der 30. April, kurz vor Mitternacht, als ich das letzte Wort meines neuen Romans gechrieben habe und spürte: So passt alles. Und dann dieses sommerliche Mittagessen bei Rowohlt mit Wein und Pasta nach einem Jahr Telefon, Mail und Videochats …

Albert Eibl: „Mehr lesen möchte ich über Kulturförderungen, Lesefestivals, herausragende Bücher und exzentrische Persönlichkeiten“

Albert Eibl: Der 12. Dezember, als unsere Herbstwiederentdeckung Das geheime Tagebuch von John F. Kennedy groß in der WELT besprochen wurde. Ein wunderschöner, nahezu märchenhafter Wintersonnentag, den ich mit guten Freunden bei einem langen, erquickenden Spaziergang und formidablen Gesprächen im 19. Wiener Gemeindebezirk verbrachte.

Worüber haben Sie sich 2021 am meisten geärgert?

GK: Ich ärgere mich nicht gerne und meistens nicht lange, suche lieber nach Ursachen und Lösungen. Politisch gesehen finde ich den Missbrauch des hehren Werts „Freiheit“ von Demokratiefeinden, die Fakten nicht anerkennen wollen, nicht nur ärgerlich, sondern beängstigend, weil differenzierte Debatten so zunehmend erschwert werden. Es bedrückt und nervt mich auch jedes Mal, wenn Klimapolitik als Kann-Option und „zu teuer“ abgetan wird. Als könnten wir uns den Klimakollaps leisten.

AE: Darüber, dass die Lockdowns kein Ende zu nehmen scheinenund die Politik dem Buchhandel hier wirklich keine Planungssicherheit gibt. Das wäre aber dringend nötig. Desgleichen, dass die Buchpreise endlich flächendeckend angehoben werden.

Was war 2021 Ihr schönster Erfolg?

GK: Dass ich im Lockdown konzentriert und mit großer Freude meinen Roman vollenden konnte, gestärkt auch von Begeisterung und Vertrauen meines neuen Verlags Kindler/Rowohlt. Jedes Feedback von meinen Schreibseminar- und Roman-Coachingteilnehmer*innen erfreut mich, ihr Vertrauen in mich und sie mit ihren Werken ein Stück weit begleiten zu dürfen. Und meine Yogaschüler*innen, die mir trotz aller Coronaschutz-Auflagen und Pausen die Treue halten und am Ende des Unterrichts friedlich entspannt auf ihren Matten liegen und lächeln …

AE: Die Zusammenarbeit mit meinem Doktorvater Oliver Lubrich, der das oben bereits erwähnte Reisetagebuch Kennedys aus dem Jahr 1937 zusammen mit den noch nie erschienenen Aufzeichnungen Lem Billings im November bei DVB herausgebracht hat.

Und Ihr traurigster Misserfolg war…?

GK: Ich finde ja Misserfolge sind zwar in der akuten Phase absolut schmerzhaft, zuweilen auch unerträglich, aber im Rückblick entpuppen sie sich doch als Chance, neue Wege zu gehen und zu wachsen. Für 2021 fällt mir aber und zum Glück gar kein Misserfolg ein, der diesen Namen verdient hätte.

AE: Das Ende einer langen, für mich äußerst bedeutenden Beziehung.

Ihre schönste Buchhandlung /Ihr liebster Verlag im letzten Jahr?

GK: Als Buchhandlung: Seit Jahren immer wieder aufs Neue der Buchladen Neusser Straße in Köln-Nippes von Dorothee Junck und ihrem Team. Der Laden liegt beglückender Weise in meinem Viertel und dort bekomme ich nicht nur alle Bücher, die ich brauche, sondern kann jederzeit einen feinen Branchenschnack halten. Und ich freue mich jetzt schon auf meine Premierenlesung dort im kommenden Frühjahr. Was den Verlag angeht: Jeder, der (auch) Titel jenseits des Mainstreams ins Programm nimmt und sich für sie einsetzt.

AE: Die neu gegründete Berliner Grätzlbuchhandlung „Viel Glück mit die Bücher“ von Peter Graf und der niederländische Verlag „Van Maaskant Haun“, der ganz ähnlich wie wir unermüdlich auf der Suche nach zu Unrecht vergessenen Schätzender europäischen Literatur ist. Unsere beiden Wiederentdeckungen Leben verboten! von Maria Lazar und Ferien am Waldsee von Carl Laszlo sind dort im November auf Niederländisch erschienen. Eine wirklich tolle Sache.

Von welchem Thema wollen Sie (warum) in diesem Jahr nichts mehr lesen?

GK: Auf gar keinen Fall will ich lesen müssen, dass das Krimifestival CRIMIINALE und also das Wiedersehen mit meinen geliebten Krimikolleg*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zum dritten Mal abgesagt werden muss! Überhaupt bitte keine weiteren Nachrichten von abgesagten oder virtuellen Lesungen und Buchmessen, weil ja eben das Virus … Und von Bestrebungen, die Urheberrechte auszuhebeln, statt kreative Leistungen angemessen zu würdigen und also zu honorieren, will ich nichts mehr lesen. Von Kolleg*innen denen allmählich die Luft ausgeht darüber. Und natürlich auch nichts  von all diesen fiesen alten weißen Männern, die ihre politische Macht dazu nutzen, die Wälder der Welt niederzubrennen und alle hassen und bekämpfen, die anders als sie sind. Und von Menschen, die fliehen müssen und nirgends Aufnahme finden. Ach, so vieles will ich nicht mehr lesen. Ich kann das alles, ehrlich gesagt, mit jedem Lebensjahr weniger gut ertragen.

AE: Von furchteinflößend benannten Virusvarianten, Coronademos und Maskenmode. Zieht mich bloß runter. Ich will mich auf lohnendere Dinge konzentrieren. Vor allem auf spannende Wiederentdeckungen – in allen Farben und Schattierungen.

Und über welches Thema wollen Sie mehr lesen?

GK: Es ist gar nicht so sehr ein bestimmtes Thema, aber ich wünsche mir einen stärkeren Fokus auf alles, was ja eben auch gut ist und bewahrt wird. Oder sogar neu und besser wird – selbst durch Corona. Von Verbundenheit und Menschlichkeit bitte mehr – in aller Vielfalt und Schönheit. Und – ganz wichtig! – ich will endlich wieder neue Messe-Mayer-Kolumnen lesen!

AE: Über Kulturförderungen, Lesefestivals, herausragende Bücher und exzentrische Persönlichkeiten.

Welchen Fehler aus dem letzten Jahr möchten Sie in diesem Jahr vermeiden?

GK: Ich wäre gern viel häufiger offline gewesen, um mehr zu meditieren, zu laufen, mit Lyrik zu experimentieren… Oder um einfach mal gar nichts zu tun, nur dasein und schauen, was dann passiert.

AE: Mich zu sehr auf Versprechungen Dritter zu verlassen, die dann sowieso nicht eingehalten werden.

Und welchen Fehler werden  Sie trotzdem wiederholen?

GK: Ich hoffe, nicht diesen. Mein Plan ist in jedem Fall: mehr meditieren etc. -Siehe oben.

AE: Optimistischer in die Zukunft zu blicken, als ein nüchterner Blick auf die Realität es vielleicht erlaubt.  Zu wenig Sport zu treiben bei gleichzeitiger regelmäßiger Durchführung sportlich ambitionierter Weindegustationen.

Welches Buch hat Ihnen im letzten Jahr besonders viel Freude gemacht?

GK: Als Leserin: GIRL, WOMAN, OTHER von Bernardine Evaristo (als Anglistin lese ich sehr gerne auf Englisch). So viele Protagonistinnen  – und jede mit ihrer ganz eigenen Perspektive, Wirklichkeit, Stimme. Und doch spannt sich allmählich ein großer Bogen zum Ende hin, der alle und alles in einen Zusammenhang bringt. Absolut faszinierend. Als Autorin: Mein eigenes, neuntes: FÜR DIESEN SOMMER.

AE: Krass von Martin Mosebach. Und eine neuerliche Lektüre der Merowinger von Heimito von Doderer. Da hab ich mich wirklich schief gelacht.

Welches wird Ihr wichtigstes Buch im neuen Jahr?

GK: Als Leserin: Da lasse ich mich überraschen. Als Autorin: Mein eigenes, FÜR DIESEN SOMMER (sic), das erscheint am 8. März bei Kindler. Ganz bestimmt wichtig wird auch mein nächster Roman, den ich bislang nur in  vagen Ansätzen im Kopf habe.

AE: Unsere Frühjahrsentdeckung Ich sah Hitler von Dorothy Thompson. Die bekannte englische Journalistin interviewte Hitler 1932 in Berlinund fasste Ihre Eindrücke auf zugleich äußerst hellsichtige wie pointierte Weise in diesem Buch zusammen. Auf Deutsch ist dieser einzigartige Zeitzeugenbericht nie wirklich beachtet worden. Ein Versäumnis, das wir korrigieren werden.

Von wem würden Sie gern auch mal  die Antworten auf diesen Fragebogen lesen?

GK: Von meiner Verlegerin Nicola Bartels. Meiner Agentin Andrea Wildgruber. Meiner Lektorin Ulrike Beck. Und von Antje Rávik Strubel. Am liebsten von ihnen allen, denn hier im Fragebogen bemerke ich auch in diesem Jahr wieder einen gewissen Überhang an antwortenden Männern, dabei herrscht in unserer Branche ja nun wahrlich kein Mangel an spannenden Frauen …

AE: Von Daniel Kampa

Und welche Frage, die wir nicht gestellt haben,  hätten Sie gern beantwortet?

GK: Würden Sie ohne Yoga Romane schreiben?

AE: Was ist für Sie das Schönste an Literatur?

Hier können Sie die auch beantworten:

GK: Ich denke schon – aber sicher mit viel mehr Rückenschmerzen. Und wer weiß, wie sich das auf meine Ideen auswirken würde? Ich bin jedenfalls ziemlich sicher: Ohne meine allererste Woche in einem Yoga-Aschram hätte ich meine Kommissarin Judith Krieger und ihren ersten Fall, DER WALD IST SCHWEIGEN, so nie erfunden …

AE: Die Flucht aus der Zeit.

Gestern beantwortete Gesine Klack unseren „anderen“ Fragebogen. Am 6.12. 2022 geht die nächste Fragerunde wieder weiter.

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