Magdalena Schrefel über ihr Buch "Brauchbare Menschen" (Suhrkamp) „Die eigene Position im Erzählten zu kennen, das ist mir in meinem Schreiben immens wichtig“

Magdalena Schrefel © Stefanie Kulisch/Suhrkamp Verlag

Magdalena Schrefels Figuren in Brauchbare Menschen (Suhrkamp) stehen vor den alltäglich-absurden Herausforderungen des Spätkapitalismus – Automatisierung, Kontrolle, Prekarität – und finden überraschende Wege, mit dem Unzumutbaren umzugehen. Anlass für Fragen:

BuchMarkt: Das fragen wir immer zuerst: Worum geht es in dem Buch?

Magdalena Schrefel: Ein Thema, das alle zwölf Erzählungen verhandeln, ist die Frage danach, was Arbeit ist, was gute Arbeit ist, wie Arbeit uns als Menschen prägt und welche Handlungsspielräume wir angesichts der Veränderungen unserer Arbeitswelten haben – im Titel auf den Begriff der »Brauchbarkeit« gebracht. Aber dann sind da auch die Menschen in den Brauchbaren Menschen, und das ist, was mich über das Thema hinausgehend beinahe mehr interessiert hat: die Figuren in ihrer Lebenswelt, wie sie sprechen, was sie erzählen, welche kleinen und größeren Formen von Widerständigkeit sie an den Tag legen, wie sie einander begegnen. Insofern war mir auch rasch klar, dass es mir nicht möglich ist, in einer einzigen langen Erzählung, einem Roman darüber zu schreiben. Trotzdem nehmen die Erzählungen aufeinander Bezug, sodass sich wie in einem Kaleidoskop ein ganzes Bild ergibt; manchmal stelle ich mir die Figuren wie in einem Wimmelbild vor, und dann denke ich: Ja, das sind sie, das sind die brauchbaren Menschen.

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Wie entstand die Idee, über dieses Thema ein Buch zu schreiben?

Ausgangspunkt meines Schreibens ist immer eine Frage, die mich gerade selbst beschäftigt, und vor einigen Jahren war das die Frage danach, inwiefern Schreiben Arbeit ist – und wenn es das ist, was ich durchaus bejahen würde, wie es sich zu anderen Arten von Arbeit verhält. Das hat rasch dazu geführt, dass ich mich in der Recherche und in Gesprächen mit anderen Arten von Arbeit beschäftigt habe: Sicherheitsarbeit, Sexarbeit, Erntearbeit, Arbeitslosigkeit, das Leben nach der Arbeit.

Fühlen Sie sich in irgendeiner Art und Weise selbst mit ihrer Geschichte verbunden?

Die letzte Figur, die in der Arbeit an diesem Erzählband aufgetaucht ist, ist eine fiktionalisierte Autorin, insofern: Ja, auf jeden Fall bin ich mit dem, was ich erzähle, auch verbunden.

Tatsächlich gibt es für mich kein Schreiben ohne eigene Anteile, das beginnt mit der Frage, auf die ich mir gewissermaßen versuche, eine Antwort zu geben; aber auch darüber hinaus ist es ja so, dass eben ich diese Erzählungen schreiben: darin steckt meine Wahrnehmung und stecken meine Bilder, meine Sprache und meine Ideen davon, wie sich aus Bildern und Sprachen Geschichten ergeben.

Auf meinem Kühlschrank hängt ein Post-it, auf dem steht: Bild, Hingabe, Disziplin, das fasst es für mich gut zusammen: die Bilder entspringen meiner Wahrnehmung, der ich mich erst mal ganz und gar hingeben muss; die Disziplin steht dann dafür, so lange und so hart daran zu arbeiten, dass aus dem, was mich selber umtreibt, etwas wird, das sich an andere richtet.

Die eigene Position im Erzählten zu kennen, das ist mir in meinem Schreiben immens wichtig.

Worin bestand die Schwierigkeit, die Geschichte so aufs Papier zu bringen, wie sie nun im Buch zu lesen ist?

Für mich ist das Schwierigste am Schreiben immer die Zeit, in der ich noch nicht schreibe, in der ich also zwar darum weiß, dass ich dieses oder jenes erzählen möchte, aber noch keinen Weg gefunden habe, wie es sich tatsächlich erzählen lässt. Diese Zeit ist voller Sehnsucht und Zweifel, als wäre ich in jemanden verliebt, der davon aber noch nicht weiß; manchmal ist es auch mit Scham verbunden, weil ich so viel Zeit damit verbringe, dieser Geschichte, die ich noch nicht schreibe, nachzuhängen; das auszuhalten finde ich schwieriger als den Akt des Schreibens selbst.

Als wären die Texte Räume, die ich anfangs noch gar nicht kenne, ja zu denen ich überhaupt erst eine Tür bauen muss; je länger ich an einem Text schon arbeite, desto leichter finde ich immerhin die Tür. Aber drinnen bleibt es bis zuletzt aufregend.

Welche Zeilen schreiben sich leichter – die ersten oder die letzten?

Die ersten Zeilen sind für mich immer voller Euphorie – alles ist noch möglich, das wenigste entschieden; auch die letzten Zeilen sind durchaus beglückend – weil dann alles zusammengefunden hat. Die Arbeit steckt dazwischen (– das ist Blut, Schweiß und Tränen, in der Hoffnung, dass es sich lohnen wird).

An wen richtet sich das Buch?

Beim Schreiben habe ich keine ideale Leserin vor Augen, ich glaube aber, dass Brauchbare Menschen ein Buch für Leserinnen und Leser ist, die sich für unsere Gegenwart interessieren. Und für solche, die sich dafür interessieren, wie man von dieser Gegenwart erzählen kann.

Mit welchem Argument kann der Buchhändler es im Laden gut verkaufen?

Ich habe selber einige Monate in einer Buchhandlung gearbeitet und kann nur sagen, dass es mich immer wieder beeindruckt hat, wie gut meine Kolleginnen darin waren, das richtige Buch für jemanden zu finden. Dem kann ich gar nicht vorgreifen, da vertraue ich auf die gute Arbeit der Buchhändlerinnen und Buchhändler, die, wenn sie sich für die Brauchbaren Menschen begeistern können, sicher auch gute Argumente dafür finden.

Diese 3 Wörter beschreiben es perfekt:

literarisch, politisch, humorvoll – brauchbar eben.

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