Das Sonntagsgespräch Roman Hocke: „Verlage, macht Euch keine Sorgen! Den Autoren zuliebe“

Roman Hocke, Leiter der Autoren- und Verlagsagentur AVA international, hat die hockebooksgmbh gegründet und seit wenigen Wochen die Webseite www.hockebooks.de freigeschaltet. Rund 180 Titel von etwa 40 Autoren sind bisher erschienen. In Zusammenarbeit mit Open Publishing werden vergriffene Titel neu aufgelegt und bislang unveröffentlichte Texte bekannt gemacht.

BuchMarkt hat mit ihm, Lisa Blenninger (Redakteurin bei hockebooks), Christian Damke (CEO Open Publishing) und Markus Michalek über die Verlagsgründung gesprochen.

Markus Michalek (Autorenakquisition), Roman Hocke, Lisa Blenninger (Redakteurin) und Christian Damke (Open Publishing)

Wie kam es zur Gründung von hockebooks?

Roman Hocke: Eigentlich begann es damit, dass mein Senior-Partner Reinhold Stecher, der die AVA in den Siebzigern gegründet hatte, 2011 in den Ruhestand getreten ist und mirdie Vertretung aller seiner Autoren übertragen hat. Mit einem Schlag waren wir für einen neuen und erheblichen Rechtebestand zuständig. Unser Backlist-Katalog besteht jetzt aus über 1200 Titeln. Wir haben ihn gründlich gesichtet, neu präsentiert und gezielt den Verlagen zur Veröffentlichung angeboten. Manche suchten sich den einen oder anderen Titel aus, andere winkten ab, weil sie Novitäten vorziehen. Nun standen wir da und überlegten, wie wir diese Bücher am Leben halten und in die digitale Welt überführen können.

Da kam der Gedanke: Warum machen wir das nicht selbst? Aber als Agentur? Und wie? Als ich mit Julia von dem Knesebeck und Christian Damke von Open Publishing ins Gespräch kam, die beide große Erfahrung in diesem Bereich besitzen, wurden die Pläne konkret.Und dann fügte sich das eineauf wundervolle Weise zum anderen: Zum Glück übernahm ein AVA-Mitarbeiter der ersten Stunde, Mark Ryan Balthasar, mit großem Elan alle technischen Belange und die Webseite. Und vor einem Jahr konnten wir mit Joachim Luetke einen renommierten Künstler als grafischen Gestalter für hockebooks gewinnen.

Die neu gegründete hockebooksgmbh dient also der Digitalisierung alter Bestände?

Roman Hocke: So einfach ist das nicht. Ohne Open Publishing hätten wir niemals die Kapazitäten und das Know-how, unsere Inhalte auf den unzähligen digitalen Plattformen anzubieten. Zudem geht es uns um mehr als um alte Bestände. Es ist nicht immer einfach, neue Texte in Verlagen unterzubringen. Für Sebastian Fitzeks Debüt beispielsweise habe ich zwei Jahre gebraucht, um einen Verlag zu finden. Da stellte sich uns auch die Frage, ob wir nicht den guten Autoren mit Erfolgsaussichten ein eigenes Sprungbrett zur Verfügung stellen sollten mit der Möglichkeit, eine eigene erste Lesergemeinde zu bilden. Als Bewährungsprobe sozusagen. Oder besser: als Sprungbrett.

Wie würden Sie hockebooks definieren?

Roman Hocke: Agenturverlag? Agentenverlag? Das sind Hilfskonstruktionen, um unsere Haltung zu zeigen. Wir verstehen unser verlegerisches Engagement als Dienstleistung. Wir sindauch hier für die Autoren tätig.

Stehen Sie damit in Konkurrenz zu den etablierten Verlagen?

Roman Hocke: Jeder Print-Verlag hat für uns Priorität. Sobald sich ein Print-Verlag für ein hocke-E-Book interessiert,nehmenwir den Titel aus unserem Programm und geben ihn dem Printverlag.Eigentlich ist das sehr einfach: Wer die Print-Ausgabe macht, bekommt auch das E-Book. Wir machen immer das, was für den Autor am besten ist. Deshalb die Bezeichnung Agentenverlag.

Gibt es Konflikte, wenn mehrere Verlage ein E-Book aus Ihrem Bestand veröffentlichen möchten?

Lisa Blenninger: hockebooks tritt zurück und ein etablierter Verlag bekommt den Vorzug. Entschieden wird das, was für den Autor den höchsten Nutzen hat.

Nicht mal bei herausragenden Titeln?

Lisa Blenninger: Mein Lieblingstitel ist zurzeit Fluss der Träume von Ashley Carrington. Der Roman stammt aus den 90er Jahren. Er war bei DroemerKnaur sehr erfolgreich, ist aber schon lange vergriffen. Jetzt ist er im Juli bei hockebooks erschienen. Dafür gab es auch von anderer Seite Interesse. Ashley Carrington ist ein Pseudonym von Rainer Maria Schröder, einem großartigen Autor und Geschichtenerzähler. Wir haben mit ihm zusammen die vorliegenden Angebote besprochen und sind dann gemeinsam zum Schluss gekommen, das kann hockebooks mindestens genauso gut.

Wie sieht die Rechtesituation für Ihre Autoren aus? Wie profitieren Ihre Autoren von hockebooks?

Roman Hocke: hockebooks ist stark von der AVA-Welt geprägt. Wir versuchen uns parallel und vor allem solidarisch mit der AVA-Welt weiterzuentwickeln, beispielsweise indem wir nicht alle Rechte zu Konditionen erwerben, die aus Autorensicht nicht wünschenswert sind. Ich habe schon E-Book-Verträge gesehen, bei denen Printrechte und sogar Filmrechte wie auch sämtliche Bearbeitungsrechte abgegeben wurden. hockebooks schließt Verträge allein über E-Books mit Autoren rund um die AVA-Welt– und die ist inzwischen sehr ansehnlich. Unsere Autoren sind zufrieden. Als Selfpublisher erhält ein Autor zwar höhere Honorare, rund 70 Prozent nach Abzug der Plattformkosten. Bei hockebooks teilen sich Verlag und Autor die Einnahmen in einem fairen Verhältnis. Wir sind verantwortlich für Cover, die PR, Marketing, Vertrieb usw. Aus diesem Grundebieten wir unseren AVA-Autoren Konditionen an, die deutlich besser sind als die Konditionen, die sie erhalten würden, wenn sie selbst bei herkömmlichen Verlagen ihre E-Books herausbringen würden.

Wie profitieren Ihre Autoren noch von hockebooks?

Roman Hocke: Nehmen Sie als Beispiel Jörg Kastner mit seiner fünfbändigen historischen Saga Die Germanen, die seinerzeit sehr erfolgreich war, aber seit vielen Jahren vergriffen ist. Wir haben beschlossen, sie neu zu veröffentlichen, aber nicht als 5 mal 600-Seiten-Wälzer, sondern als Serie. Das sind jetzt zwölf E-Book-Folgen mit neuen Umschlägen und neuer Präsentation. Das ist bei den Lesern auf eine gute Akzeptanz gestoßen. Positiver Nebeneffekt: Wir haben die zwölfbändige Serie an audible verkaufen können. Jeden Monat erscheint ein neues Hörbuch aus der Serie. So hat Kastner aufgrund unserer Initiative einen beträchtlichen Zusatznutzen erhalten. Zwar würden klassische Verlage mit unseren Verkaufszahlen nicht glücklich werden; sie haben auch ganz andere Kostenstrukturen. Kurz und bündig gesagt: Viele Jahre hat Kastnerkeine Einnahmen für seine Germanen-Romane erzielt, jetzt freut er sich regelmäßig aufdie Quartalsabrechnungen. Und außerdem ist es uns gelungen, diese Titel ins Ausland zu verkaufen. Das ist dann etwas ganz besonderes, finden wir, und der Autor freut sich darüber noch mehr.

Diese Optionen gibt es nicht für Ihre jungen Autoren. Vielleicht sähen sich die lieber in der Hanser Box?

Roman Hocke: Kann schon sein. Ich glaube aber, dass die Positionierung des Verlages im elektronischen Bereich nicht die große Rolle spielen wird wie im Printbereich und im Buchhandel. In der digitalen Welt wird nach Autoren und nach Stoffen gesucht. Verlagsnamen sind hier nicht so ausschlaggebend. Jedenfalls bisher.

Christian Damke: Die Marke des Verlags ist im Printbereich ja ganz wichtig für den Einverkauf im Handel. Im elektronischen Bereich gibt es keine beschränkte Regalfläche. Jeder Titel findet Platz. Die Schwierigkeit besteht in der Auffindbarkeit. Wir achten auf passende Verschlagwortung jedes einzelnen Titels und auf die Positionierung. Jeder Titel von hockebooks wird eigens angeschaut und es wird überlegt, wie wir ihn möglichst gut platzieren können, damit er gefunden und gelesen wird. Der Titel ist ja immer da, auch auf der hockebooks-Webseite. Wir müssen dafür sorgen, dass er nach oben gespült wird. Das ist die Kunst des Vertriebs und Marketings in der digitalen Welt.

Roman Hocke: Was die Positionierung der Titel mit den richtigen Suchbegriffen betrifft, war die Zusammenarbeit mit Open Publishingfür uns sehr wichtig. Dieses Know-how haben wir Herrn Damke zu verdanken. Für uns Printbuchmenschen ist diese digitale Art des Bücherfindens noch ungewohnt.Wir sind aber sehr lernbegierig – und lernen schnell.

Mangelt es nicht auch noch an der Anerkennung?

Markus Michalek: Hier gibt es sicherlich Luft nach oben. Es gibtbeispielsweise schon einige Auszeichnungen für E-Books, aber entweder vernachlässigen sie den Inhalt und konzentrieren sich auf den digitalen Zusatznutzen von enhanced E-Books oder es sind Preise, die für die Selfpublishing-Szene eingeführt wurden. Ebenso werden E-Book-Only-Verlage oder deren Titel auch immer wieder vom Feuilleton erwähnt. Aber erst, wenn die umfassende Akzeptanz des E-Books als reguläre Ausgabeform kommt, wird sich die Lage verbessern. So weit ist es noch nicht. Es gibt immer noch Vorbehalte. Ein Beispiel: Ein literarischer Autor, bereits mit Stipendien ausgezeichnet, will sich für ein neues Projekt fördern lassen und wird abgelehnt mit der Begründung, das geplante E-Book sei keine Buchausgabe, auch vorhandene E-Books würden als eigenständige Publikation nicht gelten.Das finde ich fast etwas skandalös. Erst wenn man erkennt, dass beispielsweise Nora Bossongs wunderbarer Essay Schnelle Nummeraus der bereits erwähnten Hanser Box unabhängig von seinem Erscheinungsformat ein toller literarischer Essay ist, erst dann werden E-First- und E-Only-Titel gleichberechtigt mit Printpublikationen behandelt werden. Ich hoffe jedenfalls im Interesse der Autoren, dass dieses Umdenken stattfinden wird.

Leiden Ihre noch zu entdeckenden Talente darunter?

Markus Michalek: Wir ergreifen besondere Initiativen auch bei jungen Autoren mit neuen Texten. Ein Beispiel ist der Titel Gripstease – Ein metaphysischer Schelmenroman von Felix Knell. Es gab mehrere Verlage, die Interesse hatten, aber letzten Endes kam es nicht zu einem Vertragsabschluss bei einem Publikumsverlag. Also haben wir in diesem besonderen Fall nicht nur das E-Book gemacht, sondern auch eine kleine Auflage gedruckt.

Eine Premiere? Was steht im Impressum?

Markus Michalek: Ganz einfach: © hockebooks 2014.

Das ist dann so eine Art Presseexemplar?

Markus Michalek: Deutlich mehr als das. Der Autorhat die Printausgabe auf Lesungen eingesetzt. Es wurde zudem ganz regulär im stationären Handel und online verkauft und steht natürlich im VLB mit einem festen Buchpreis. Die Auflage war nach kurzer Zeit im Großen und Ganzen verkauft. Für uns war es spannend, bei der Markteinführung von Autoren neue Wege zu gehen.

Ist das ein einmaliger Vorgang bei hockebooks?

Roman Hocke: Knells Manuskript als gedrucktes Buch bei hockebooks ist ein Experiment gewesen. Ein gelungenes Experiment. Und es wird sich wohl positiv auf den Verkauf des nächsten Manuskriptes von Knell auswirken. In ausgewählten Fällen, bei denen das Interesse an einer Printausgabe existiert, werden wir den Ausflug in die Printwelt wiederholen. Damit bieten wir unseren Autoren neue Möglichkeiten, wahrgenommen zu werden. Wir kennen alle die Problematik, dass es bei den Publikumsverlagen immer mehr um die Spitzen geht. Auf diese Weise wollen wir junge Autoren fit machen. Fit für den Eintritt in die große Verlagswelt.

Rechnen Sie für hockebooks mit Gegenwind aus der Branche?

Roman Hocke: Es ist ja keine einfache Sache, als Agentur verlegerisch tätig zu werden. Nun haben wir vorgelegt und können sagen:Hallo, schaut her, das machen wir. Verlage, macht euch keine Sorgen, das ist nichts, was euch das Wasser abgraben wird, sondern eher eine Chance, neue Autoren zu entdecken, die sich bereits eine erste kleine Lesergemeinde schaffen konnten. Ein kleiner Beitrag also unsererseits für das große Ganze, wofür ganz und gar die echten Verlage zuständig sind.
Das Gespräch führte Nicola Bardola

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