Runde Geburtstage Stefan Weidle

Stefan Weidle, Verleger des Weidle Verlags, wird heute 70 Jahre alt. Ihm gratuliert der Übersetzer, Lektor, Herausgeber und ehemalige BuchMarkt-Redakteur Ulrich Faure.

Stefan Weidle

Lieber Stefan,

wir kennen uns jetzt schon so lange, dass mir der Anlass unserer ersten Begegnung nicht mehr ganz präsent ist. Ich glaube aber (und hoffe es), dass der BuchMarkt dabei seine Finger im Spiel hatte: Sollte ich nicht als damals noch Freiberufler ein Porträt über Dich schreiben? Und hat man dann nicht ein hübsches Zitat von Dir als Überschrift drübergesetzt: „Jaguar fahren und ein paar Rennpferde halten wäre billiger“? Ich hab es jedenfalls so in Erinnerung, und da nach unserem gemeinsamen Lieblingsautor Albert Vigoleis Thelen die Legende die Geschichte korrigiert, soll es jetzt auch so bleiben …

Man hat mich dann, als ich beim BuchMarkt war, immer wieder gefragt, warum ich jedes, aber auch ausnahmslos jedes Weidle-Buch mit einem Lesetipp versehe? Ganz einfach, weil Dein Prinzip, nur das zu drucken, was Du selber lesen willst, mit meiner Vorstellung, was ich lesen will, mehr als nur übereinstimmt. Ein Prinzip, das Du mit Deiner Frau und Mitverlegerin Barbara bis heute vertrittst – Gottseidank! Du hast 2004 Hans Meisels Torstenson gedruckt, und ich habe als Herausgeber immer noch ein schlechtes Gewissen, dass ich Dir damit das am schlechtesten verkaufte Buch Deiner Verlagsgeschichte eingebrockt habe. Obwohl es in der Weimarer Republik den Kleistpreis gekriegt hat und von der Thematik sozusagen tagesaktuell ist. Aber ich weiß auch, dass Du das Buch, weil’s eben einfach gut ist, nie bereut hast. Natürlich es ist nach wie vor lieferbar. Und es hat Dich auch nicht abgehalten, in diesem Jahr, also: jetzt – eine Übersetzung aus dem Niederländischen von mir zu veröffentlichen: die wunderbare Jannie Regnerus mit ihrem Roman Das Lamm (Du hast schon nach fünf Seiten Probeübersetzung zugeschlagen, so überzeugt warst Du davon).

Aber zum 70. Geburtstag, zu dem ich Dir hier gratulieren soll, kann ich natürlich nicht nur Dönekes aus unserer gemeinsamen Vergangenheit erzählen. Denn Du bist viel mehr als ein Verleger. Nämlich auch ein virtuoser Übersetzer (als Kollege kann ich’s, glaube ich, ein bisschen einschätzen) aus dem Englischen und Französischen. Du hast mit der Kurt-Wolff-Stiftung, deren langjähriger Vorsitzender Du warst, für die Independents unglaublich viel bewegt. Du hast die Bundesregierung (oder Teile davon) überzeugen können, siebenstellige Beträge aus dem Staatssäckel als Preisgelder für unabhängige Buchhandlungen und Verlage herauszurücken. Und zwar in jährlicher Wiederholung. Du hast gezeigt, dass man mit außerordentlichen schön gemachten Büchern (Gestaltung aller – in Wort und Zahl: aller! Bücher von Friedrich Forssman, und alles in Fadenheftung), also mit „richtiger“ Literatur Bestseller machen kann. Beispiele gefällig? Joost Zwagerman, Carl Nixon, Wsewolod Petrow – Autorennamen, die das deutsche Lesepublikum bis dahin eher nicht kannte. Und natürlich all die Exilautoren, die Du vor dem Vergessen bewahrt hast. Manchmal hast Du da sogar einen Anstoß für Weiteres gegeben: Nachdem Du Dich Hermann Borchardts Zweibänder Die Verschwörung der Zimmerleute getraut hast, kommt Wallstein jetzt mit einer Werkausgabe dieses heute weithin unbekannten Autors.

Lieber Stefan, Du ungeizigster Schwabe und treuester Freund, den man sich nur vorstellen kann – denk nicht mal ans Aufhören, nur weil Du 70 wirst (70 ist, wie man heute sagt, eh das neue 40)! Du wirst gebraucht – stell Dir unsere Literaturlandschaft ohne Deine Bücher vor. Oder nein: besser nicht!

Lass Dich feiern zu Deinem runden Geburtstag,

Dein Ulli (Faure)

Kontakt: sw@weidle-verlag.de

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