Dem Trend zu kleineren Flächen im Einzelhandel will sich jetzt auch Osiander in Tübingen nicht mehr verschließen: Osiander schließt sein Tübinger Stammhaus in der Wilhelmstraße und eröffnet dafür „kleiner, aber in besserer Lage“ (so GF Christian Riethmüller heute) in der Metzgergasse einen zweiten Laden.
Er beschreibt den Hintergrund so: „Seit Amazon 1996 mit einem Webshop für Bücher die Buch- und später die gesamte Einzelhandelswelt revolutioniert hat, hat es im Buchhandel gravierende Veränderungen gegeben. Etwa 20% des Umsatzes mit Büchern wird online getätigt, und weil Amazon als umsatzstärkster Buchhändler in Deutschland davon einen großen Batzen abbekommen hat, sind die Umsätze in den stationären Ladengeschäften deutlich zurückgegangen. Nachdem im Zuge der Digitalisierung mit den elektronischen Büchern die Umsätze in den Läden weiter zurückgehen, müssen sich die Buchhändler, sofern sie nicht aufgeben, neue Konzepte einfallen lassen. Hierzu gehört vor allem, daß der Kunde heute nicht mehr bereit ist, in nicht so guten Einkaufslagen einzukaufen. Und zudem führt die unbegrenzte Auswahl im Internet dazu, daß die Kunden immer weniger gezielt in den Läden einkaufen, sondern stattdessen im Internet vor allem ihre Fachbücher kaufen. In den Laden kommen die Kunden vor allem, um sich inspirieren zu lassen und von einem guten und attraktiven Angebot zum Kauf verleiten zu lassen.“
Genau diese Problematik betreffe auch Osiander mit seinem Stammhaus in der Wilhelmstraße 12. Seit Jahren sind die Umsätze pro Jahr zweistellig rückläufig, weil die Lage keine gute Einkaufslage mehr sei. „Touristen und Menschen, die in Tübingen einkaufen gehen, tun dies vor allem am Zinser-Dreieck, in der Neckargasse, in der Neuen Straße und bis zum Nonnenhaus. Einen Abstecher in die Wilhelmstraße machen dabei die wenigsten. Und die Hauptzielgruppe, die Studenten, kaufen immer mehr ihre Bücher im Internet. Aus diesem Grund muß die Buchhandlung in der Wilhelmstraße mittelfristig geschlossen werden. Bei aller Tradition eine wirtschaftlich notwendige Entscheidung. Bereits vor drei Jahren mußte Osiander seine kleine Uni-Filiale an der Morgenstelle in Tübingen aus genau diesen Gründen schließen.“
Riethmüller hat auch einer kleineren Ersatzfläche gesucht, um „die trotzdem noch vorhandenen Umsätze vor allem im Fachbuchbereich wenigstens zum Teil behalten zu können“.
Die jetzt direkt gegenüber der 800qm großen Osiander-Altstadt-Buchhandlung in der Metzgergasse freigewordene Fläche des ehemaligen Eisenwarenhändlers Bero erfülle dabei alle Kriterien, die Osiander brauche, um ein „zukunftsfähiges Buchhandelskonzept“ in der Altstadt in Verbindung mit dem Laden in der Metzgergasse zu betreiben. Unmittelbar neben der Metzgergasse gelegen, mit 200 qm (statt 700 qm in der Wilhelmstraße, was eine Verringerung der Buchfläche um 500 qm bedeutet, allerdings in eine deutlich bessere Lage) genau passend von der Größe, ein „schöner Ladenschnitt im Erdgeschoß in einem schönen Haus“. Voraussetzung für den Betrieb von zwei Läden mit unterschiedlichen Sortimenten ist eine unmittelbare Nähe, das hat sich für Osiander schon vor 15 Jahren gezeigt, als in der Metzgergasse Kinder- und Jugendbuch ohne Belletristik und in der Wilhelmstraße nur Fachbuch und Belletristik ohne Kinder- und Jugendbuch untergebracht waren, die Kunden das nicht akzeptiert hatten, und deshalb in beiden Läden das Vollsortiment untergebracht werden mußte.
Osiander wird im Bero etwas Neues ausprobieren und dort eine Buchhandlung nur mit einem Sortiment für Kinder und Jugendliche machen. Das paßt in Tübingen mit seinen vielen Familien und der extrem hohen Kinderfreundlichkeit in der Stadt besonders gut. Aus der Metzgerasse wird das Kinder- und Jugendbuch herausgenommen, und das Fachbuch aus der Wilhelmstraße dort integriert. In diesem Zuge wird die Buchhandlung in der Metzgergasse komplett umgebaut und modernisiert und den geänderten Kundenbedürfnissen angepaßt. Wenn Bero und der Umbau in der Metzgergasse abgeschlossen sind, wird im Herbst die Buchhandlung in der Wilhelmstraße geschlossen. Dabei bleiben alle Arbeitsplätze erhalten, weil ein Großteil der Mitarbeiter in die Metzgergasse umziehen wird, und gleichzeitig offen Stellen im Kundencenter in der Osiander-Zentrale besetzt werden müssen.