Er war der Kultautor der 70/80er Jahre Volker Elis Pilgrim

Volker Elis Pilgrim  (c) Karl-Heinz Kuball

Kurz vor seinem 80. Geburtstag ist am 6. März 2022 in Neuseeland Volker Elis Pilgrim gestorben. Der Kultautor der 70/80 er Jahre (seine Bücher „Muttersöhne“ und „Vätersöhne“ sorgten damals für Aufsehen) hatte sich danach nach Australien und dann nach Neuseeland zurückgezogen, um bewusst mit allem abzuschließen, was bis dahin sein Leben bestimmt hatte. Ein Nachruf seines Verlegers Wolf-Rüdiger Osburg:

2008, auf der ersten Leipziger Buchmesse des Osburg Verlags, tauchte Pilgrim plötzlich an unserem Messestand auf. Aufgeregt fragte mich mein Buchmarkt-erfahrener Vertriebsleiter Jochen Böge, ob ich wisse, wer dort in einiger Entfernung von uns stünde. Ich wurde von ihm belehrt, dass es sich um Volker Elis Pilgrim handelte. Er hatte sich also wieder einmal aus Neuseeland in die alte Heimat gewagt. 

Um seinen Bruch mit der Heimat zu untermauern, hatte er sich in Australien in Max Melbo umbenannt. Frustriert, dass seine früheren Verlage mit ihm unter seinem neuen Namen keine Titel veröffentlichen wollten, klopfte er bei uns an. Produkt dieser Kontaktaufnahme war unser erstes gemeinsames Buch unter dem Titel „Die Königsfälschung“ (2009): Die Geschichte über die von Rom inszenierte Einsetzung eines Findelkinds als Thronfolger und Sonnenkönig Ludwig XIV. im Jahr 1638. Ein unberechenbares, spannendes, sehr unterhaltsames Buch.

Volker Elis Pilgrim (r.) in den 70er Jahren als Gast in der Talkshow von Dietmar Schönherr (l.)

 

Es dauerte bis November 2016, dass die Zusammenarbeit mit Pilgrim Fahrt aufnahm. Diesmal rief er vom Frankfurter Flughafen an und teilte mir, gerade in Deutschland angekommen, mit, dass er uns eine vierbändige Hitler-Biografie anbiete. Nach seinen Worten war aus einem kleinen Essay über Hitler – quasi ein Nebenprodukt anderer Arbeiten von ihm – ein Werk von über 3000 Seiten entstanden. Obwohl ein Verleger bei einem solchen Textumfang natürlich ins Grübeln kommt, war der Vertrag schnell unterschrieben. 

Gleich in den ersten Januartagen 2017 fand im Hause unserer Mitarbeiterin im Schwarzwald zusammen mit dem Lektor ein Workshop statt. Zielstrebig gingen wir daran, Volker Elis Pilgrim zu überzeugen, dass das Werk um circa die Hälfte reduziert werden müsse. Zunächst ließ er uns gewähren, auf der Rückfahrt von der Leipziger Buchmesse 2017 erreichte mich dann seine Mail. Pilgrim kündigte die Zusammenarbeit sinngemäß mit den Worten: „Stellt Euch vor, ich wäre Beethoven und zwei Kapellmeister gehen hin und streichen mein Werk zusammen.“ Er hatte recht, noch an diesem Abend fuhr ich zu ihm nach Berlin-Spandau, wo er vorübergehend untergekommen war.

Es folgten zwei unsagbar spannende Jahre, in denen wir zusammen das Werk Hitler 1 und Hitler 2 in den besagten vier Bänden erarbeiteten. Von Bd. 2 (Von der Männerliebe zur Lust am Töten) über Bd. 3 (Führers Militärgeheimnisse) bis zu Bd. 4 (Doktor Frankensteins Supergau) lektorierte ich die Bücher, am ersten Band Das sexuelle Niemandsland hatten noch mehrere von uns gearbeitet.

Keinen Tag dieser Arbeit werde ich mein Leben lang vergessen. Ich hatte mich schon immer für die Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts interessiert, schon allein deshalb musste mich niemand überreden, dieses Werk zu machen. Hitler 1 und Hitler 2 ist aber unendlich viel mehr. Es ist ein Wissens- und Erkenntnisschatz, der in fast alle Bereiche des menschlichen Lebens hineinreicht. Es ist ein „Buch der Weisen“, zugegebenermaßen durch die Fülle von 3400 Seiten für Menschen mit normalem Leserverhalten quasi wegzementiert. Wer aber die Zeit aufbringen mag und bereit ist, die Reise in die Gedankenwelten von Volker Elis Pilgrim anzutreten, wird nur Gewinn daraus ziehen. 

Volker Elis Pilgrim war ein ganz Großer. Bereits 1978 hat der Sexualforscher Ernst Bornemann (1915–1995) treffend erkannt: „Wo andere mit dem Kopf denken, denkt er mit dem Bauch. Wo andere mit Logik arbeiten, arbeitet er mit seinen fünf Sinnen. Und auch das ist gut, denn viele Männer vom Kaliber eines Volker Elis Pilgrim haben wir nicht unter den Deutschen.“ Und der Spiegel schrieb 1994 nicht ohne Schalk: „Volker hört die Signale“.

Wie glücklich können wir sein, so jemanden gekannt zu haben oder von ihm lesen zu können.

Wolf-Rüdiger Osburg

 

Kommentare (1)
  1. Woran ist denn Pilgrim nur gestorben? ich traf ihn auch in Spandau im Bioladen der Arkaden, er war sehr auf seine Gesundheit bedacht, aß kein Fleisch, rauchte nicht, achtete auf jedes aufkommende Symptom. Er war ein stiller Star psychologischer Analysen, Man wird ihn vermissen.

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