Bernd F. Lunkewitz zu seinem Prozess gegen die frühere Treuhandanstalt „Das ist ein Justiz- und Politik-Drama, in dem die Regierungskriminalität auf beiden Seiten der Mauer dokumentiert wird“

Bernd F. Lunkewitz: „Außerdem hat die Treuhandanstalt bei Vertragsabschluss verschwiegen, dass gegen den Aufbau-Verlag wegen der berüchtigten „Plusauflagen“ der DDR-Verlage Schadensersatzansprüche in Millionenhöhe entstanden waren“

Zwölf Jahre hat Bernd F. Lunkewitz auf den Prozessbeginn zu seiner Klage gewartet. Jetzt erscheint im Europa Verlag sein Buch „Der Aufbau-Verlag und die kriminelle Vereinigung in der SED und der Treuhandanstalt“, in dem er beschreibt, worum es geht. Doch jetzt ist  Bewegung in den Prozess gekommen; noch vor der Buchmesse soll ein Urteil gefällt werden. Auch das war Anlass für unser heutiges Sonntagsgesprächmit dem früheren Verleger desAufbau Verlages: 

Herr Lunkewitz, am 6. Juli 2021 hatten Sie mit der Staatsbibliothek zu Berlin einen Schenkungsvertrag über das historische Archiv des Aufbau-Verlages unterzeichnet. Wieso war dieses Archiv noch Ihr privates Eigentum?

Bernd F. Lunkewitz: Weil auch der Aufbau-Verlag mein privates Eigentum war. Nachdem ich im Jahre 1994 von der „Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR“ erfahren hatte, dass die Privatisierung des Aufbau-Verlages durch die Treuhandanstalt in 1991 möglicherweise gescheitert war, hatte ich im Dezember 1995 vorsorglich und persönlich den Aufbau-Verlag vom Kulturbund gekauft. Der Bundesgerichtshof hat dann im Jahre 2008 entschieden, dass die Treuhandanstalt nie Eigentümer des Verlages gewesen war, sondern erst der Kulturbund den Verlag und dessen gesamtes Vermögen, darunter auch das Archiv, wirksam an mich persönlich verkauft und übertragen hatte.
Sie haben später also den Verlag ohne dessen historisches Archiv verkauft?
Ja, weil ich sicher sein wollte, dass es sorgfältig aufbewahrt wird, denn es ist eine einzigartige Quelle für die Geschichte der Literatur und des Verlagswesens der DDR. Das Eigentum des Kulturbunds am Aufbau-Verlag ist darin eindeutig belegt
Damit auch keiner der Belege für Ihre Klage gegen die frühere „Treuhandanstalt“ verlorengeht? 
Ich beschreibe diese Kriminalgeschichte des Aufbau-Verlages und die Täter in der Treuhandanstalt in meinem Buch „Der Aufbau-Verlag und die kriminelle Vereinigung in der SED und der Treuhandanstalt“. Die Wahrheit der in meinem Buch erzählten Geschichte des Verlages liegt in diesen historischen Dokumenten.
Der Titel kommt zur Buchmesse beim Europa-Verlag. Kurz vorher, am 15. Oktober, verkündet das Landgericht Berlin sein Urteil in dem Prozess gegen die Treuhandanstalt.
Das macht das Buch erst recht zu einem spannenden Justiz- und Politik-Drama, in dem die Regierungskriminalität auf beiden Seiten der Mauer dokumentiert wird.
Harte Worte …
… aber die Wahrheit. Ich beschreibe die Rechts- und Wirtschaftsgeschichte des Aufbau-Verlages von der Gründung durch den Kulturbund in 1945 bis zur Wende in 1989 und dann detailliert und sorgfältig dokumentiert die kriminellen Täuschungen durch Vertreter der Treuhandanstalt und anderer Behörden bei und nach dem gescheiterten Verkauf des Verlages.
Seit 25 Jahren klagen Sie gegen die früher „Treuhandanstalt“ genannte „Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben“. Um was geht es genau?
Nach der Wende wurden am 1.7.1990 nur die volkseigenen Betriebe der DDR durch das Treuhandgesetz in „GmbH im Aufbau“ umgewandelt und damit Eigentum der Treuhandanstalt. Die so entstandenen GmbH-Anteile wurden danach von ihr „privatisiert“, d. h. verkauft und übertragen.
Die Betriebe der Parteien und Massenorganisationen der DDR wurden vom Treuhandgesetz aber nicht erfasst.
Ja, sie blieben Eigentum dieser Organisationen und wurden nicht in „GmbH i. A.“ umgewandelt. Die Treuhandanstalt hat deshalb den Vertrag über den Verkauf einer angeblichen „Aufbau-Verlag GmbH i. A.“ nie erfüllen können. Sie hat im Jahre 1991 angebliche Geschäftsanteile an einer angeblichen „Aufbau-Verlag GmbH i. A.“ an meine BFL-Beteiligungsgesellschaft und drei Partner (Dr. Wechsler, Dr. Kossack, Thomas Grundmann) verkauft, obwohl sie wusste, dass diese Geschäftsanteile nicht existieren, nicht mehr entstehen und deshalb auch nicht übertragen werden können, weil der Aufbau-Verlag noch immer dem Kulturbund gehörte. Jeder in der Branche weiß, dass Urheberverwertungsrechte nicht gutgläubig erworben werden können und was das für einen Verlag bedeutet.

 

Es ging aber auch um die sogenannten Plusauflagen.
Ja, denn außerdem hat die Treuhandanstalt bei Vertragsabschluss verschwiegen, dass gegen den Aufbau-Verlag wegen der berüchtigten „Plusauflagen“ der DDR-Verlage Schadensersatzansprüche in Millionenhöhe entstanden waren. Die Personen, die an diesem rechtswidrigen Verhalten beteiligt waren, haben sich wie Mitglieder krimineller Vereinigungen verhalten. Deshalb dieser Titel.
Das sind schwere Vorwürfe. 
Die Treuhandanstalt wusste auch von den Urheberrechtsverletzungen schon vor dem Abschluss des Kaufvertrags. Vertreter des „Gesellschafters Treuhandanstalt“ waren sogar an den Ermittlungen der Kripo beteiligt. Aber nachdem die „Plusauflagen“ öffentlich bekannt wurden, leugnete die Behörde ihre Kenntnis. Nur intern behauptete ein verantwortlicher Treuhandmitarbeiter, dass er die Käufer vor Vertragsabschluss persönlich informiert hätte und bestätigt damit die vorvertragliche Kenntnis.
Wie groß war denn der Schaden aus den Plusauflagen?
Der Aufbau-Verlag hatte mehr als acht Millionen DM aus „Plusauflagen“ an das Ministerium für Kultur abgeführt. Statt an die westlichen Partner waren diese Lizenzgebühren an die SED gezahlt worden. Die Treuhand gewährte den Käufern erst nach der Drohung mit der Insolvenz eine Freistellung von diesen Forderungen, zwang aber den Aufbau-Verlag, die Kollegen in den geschädigten Westverlagen auf den Rechtsweg zu verweisen. Das führte zu jahrelangen Gerichtsverfahren und schädigte den Aufbau-Verlag noch zusätzlich. Genau diese Mafia-Methoden, offensichtliche Rechtsverletzungen abzustreiten und auf die Unterstützung durch willfährige Richter zu setzen, hat die in BvS umbenannte Treuhandanstalt dann auch in dem Streit um den Ersatz des durch ihr betrügerisches Verhalten verursachten Schadens benutzt.
Die Einzelheiten habe ich nicht mehr parat. Wie entstand denn dieser Streit? 
„Genau diese Mafia-Methoden, offensichtliche Rechtsverletzungen abzustreiten und auf die Unterstützung durch willfährige Richter zu setzen, hat die in BvS umbenannte Treuhandanstalt dann auch in dem Streit um den Ersatz des durch ihr betrügerisches Verhalten verursachten Schadens benutzt“ (Mehr zum Buch durch Klick auf Cover)

Ich habe lange der Behauptung der Treuhandanstalt geglaubt, dass die SED Eigentümerin des Aufbau-Verlages war und ihn in Volkseigentum übergeben hat. Im September 1994 habe ich dann bei der „Unabhängigen Kommission“ angerufen und gefragt, warum die Gelder für die Plusauflagen, die an die SED geflossen waren, nicht aus dem Alt-Vermögen der Partei an die Aufbau-Verlag GmbH zurückgezahlt werden. Die Antwort war verblüffend: Das sei schon deshalb nicht möglich, weil der Aufbau-Verlag nie der SED oder zum Volkseigentum gehört habe und deshalb nie in eine GmbH i. A. umgewandelt wurde, sondern noch immer Eigentum des Kulturbunds sei. Die von der Treuhandanstalt verkaufte Aufbau-Verlag GmbH sei dagegen nicht Rechtsnachfolger des Aufbau-Verlages, sondern eine „vermögenslose Hülle“. Die Käufer hätten also gar nichts erworben sondern Millionen in eine „vermögenslose Hülle“ investiert.

Und was hat die Treuhandanstalt dann dazu gesagt?
Die Treuhandanstalt hat das alles wider besseres Wissen abgestritten, falsche Aussagen von Behördenmitarbeitern verabredet, Lügen verbreitet, Urkunden gefälscht und angeblich „neutrale“ Gutachten heimlich selbst geschrieben, aber vor allem den Justizapparat „bearbeitet“. Das alles steht seit Jahren auf der Website www.prozessbeobachter.net
Woher wissen Sie das denn alles?
Ich konnte einen Teil der Akten dieser famosen Behörde einsehen. Sie hatte zwei sehr verschiedene Aufgaben und Bereiche: einerseits die Privatisierung der ehemals volkseigenen Betriebe, andererseits die treuhänderische Verwaltung und Prüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR. Dafür war das Direktorat Sondervermögen im Einvernehmen mit der Unabhängigen Kommission zuständig. Der Erlös aus dem Verkauf des volkseigenen Vermögens gehörte zum Bundeshaushalt. Das Vermögen der Parteien und Massenorganisationen wurde überprüft und ihnen nur dann wieder zur Verfügung gestellt, wenn es rechtsstaatlich erworben worden war.
Und wenn nicht, wurde es für den Wiederaufbau in den neuen Bundesländern verwendet.
Das motivierte die Behörden, rechtswidrig den 260.000 Mitgliedern des Kulturbunds ihr kollektives Eigentum am Aufbau-Verlag zu entziehen. Die Behörden verheimlichten die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse sowohl den Käufern als auch dem Kulturbund. Sie stritten sich jahrelang nur untereinander, welcher Behörde der erschwindelte Kaufpreis für die „vermögenslose Hülle“ Aufbau-Verlag zustehen soll. Der Konflikt zwischen den Behörden dauert bis heute an. Einerseits trägt die Bundesregierung wider besseres Wissen bei Gericht vor, der Aufbau-Verlag sei Eigentum der Treuhandanstalt gewesen und von ihr 1991 wirksam an die Käufer übertragen worden, andererseits bestätigte sie noch am 30.4.2021 durch das „Bundesamt für zentrale Aufgaben und offene Vermögensfragen“ dem Kulturbund, dass er Eigentümer des Aufbau-Verlages geblieben war und den Verlag im Jahre 1995 wirksam an den Verleger Bernd Lunkewitz verkauft und übertragen hat.
Als der Vorstand der Treuhandanstalt im Juli 1994 beschloss, die Plusauflagen aus dem Alt-Vermögen der SED zu bezahlen, verweigerte die Unabhängige Kommission ihr Einvernehmen mit der Begründung, dass der Aufbau-Verlag Eigentum des Kulturbunds ist.
Können Sie diese Vorwürfe mit Dokumenten belegen?
Das steht in der Begründung zum Beschluss BU 576 der UKPV vom 12.9.1994. Die Akten der Behörden beweisen, dass die Treuhandanstalt und die Unabhängige Kommission schon vor dem Verkauf festgestellt hatten, dass der Aufbau-Verlag weder der SED noch zum Volkseigentum gehört hatte, sondern, wie auch vom Kulturbund mehrfach vorgetragen, dessen rechtsstaatlich erworbenes Eigentum war. Deshalb konnte der Verlag nicht durch das Treuhandgesetz in eine GmbH i. a. der Treuhandanstalt umgewandelt werden.
Was verlangen Sie jetzt?
Weil der Kaufvertrag über die nicht existierenden Geschäftsanteile an einer nicht existierenden Aufbau-Verlag GmbH i. A. von Anfang an auf eine objektiv unmögliche Leistung gerichtet war, ist der Vertrag nichtig und die Treuhandanstalt, die das wusste, zum Ersatz aller Aufwendungen verpflichtet. Das sind der Kaufpreis und alle Investitionen der Käufer. Wegen der Betrugshandlungen ihrer Mitarbeiter haftet die Treuhandanstalt auch für alle anderen Schäden.
Am 9. Juli war ein Termin beim Landgericht Berlin. Wie steht es in dem Verfahren?
Ich musste zwölf Jahre auf diesen Termin warten, denn die Klage habe ich schon 2009 eingereicht. Die mündliche Verhandlung dauerte nur eine Stunde. Der Richter erklärte, die Klage sei zulässig, die Ansprüche seien nicht verjährt und eine entgegenstehende Rechtskraft früherer Entscheidungen gäbe es nicht. Der Termin zur Verkündung des Urteils wurde für den 15. Oktober 2021 anberaumt.
Was erwarten Sie?
Ein gerechtes Urteil.
Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

Kommentare (1)
  1. Danke für dieses sehr offene Gespräch mit Bernd F. Lunkewitz! Endlich hat einmal ein zutiefst Betroffener den Mut, die sog. ‚Treuhandanstalt‘ als das zu bezeichnen, was sie war, nämlich eine kriminelle Vereinigung. Ich freue mich nicht auf die Lektüre des Buches, aber ich bin sehr gespannt und erwartungsvoll. Die Materie ist für Außenstehende, insbesondere Nicht-Juristen, schwierig und komplex, aber es ist auch mehr als 30 Jahre nach dem ‚Fall der Mauer‘ notwendig, sich den historischen Realitäten zu stellen.
    Es ist das große Verdienst von Christian von Zitzewitz, immer wieder einfühlsam und mit dem gebotenen Fingerspitzengefühl solche Gespräche zu führen. Nicht nur Lunkewitz ist gespannt auf das Urteil am 15.10.2021, ich bin es auch.
    Dieter Klug, Wolfratshausen

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