Carsten Tergast über sein neues Buch "Die Schule brennt" (Ecowin) „Die brenzlige Lage lässt sich nur dann verstehen und sinnvoll angehen, wenn man sieht, wie alles miteinander zusammenhängt“

In seinem neuen Buch Die Schule brennt. Ein Lehrer sucht Auswege aus einem kaputten System (Ecowin) will Carsten Tergast (ehemaliger Redakteur und CvD beim BuchMarkt; nun Freier Journalist, Texter und Autor) zeigen, wie ein neues, besseres Schulwesen entstehen kann, in dem Bildung wieder eine Zukunft hat. Er hat eine Zeit lang als Quereinsteiger gearbeitet, als Lehrer für Deutsch und Geschichte an einer Oberschule. Seine prägenden Erfahrungen hat er nun publiziert, schonungslos ehrlich und auch ein wenig provokant. Anlass für Fragen:

Carsten Tergast: „Prinzipiell: Ohne Provokation funktioniert so ein Buch nicht. Allerdings provoziere ich an keiner Stelle um der Provokation willen, sondern um dem Leser nicht mit windelweichen Formulierungen zu langweilen. Der Eindruck, dass ich hart austeile, entsteht ja vielleicht gerade auch, weil gerade im Bildungssystem gerne um den heißen Brei herumgeredet wird.“ (c) Gisela Robben

BuchMarkt: Worum geht es in deinem neuen Buch?

Carsten Tergast: Es geht um einen Blick aufs deutsche Schul- und Bildungssystem, der auf ideologische Scheuklappen genauso verzichtet wie auf eine isolierte Betrachtung einzelner Brandherde im System. Die brenzlige Lage lässt sich nur dann verstehen und sinnvoll angehen, wenn man sieht, wie alles miteinander zusammenhängt. Mehr Digitalisierung alleine löst die Probleme genauso wenig wie bessere Arbeitsbedingungen für Lehrer. Trotzdem ist beides unverzichtbar, um Auswege aus der Bildungsmisere öffnen zu können.

Wieso war es dir ein Anliegen, über deine Erfahrungen als Lehrer überhaupt ein Buch zu schreiben?

Ich habe eine Zeitlang als Quereinsteiger gearbeitet, als Lehrer für Deutsch und Geschichte an einer Oberschule. Während viele Probleme im Schulsystem vorher für mich zwar schon sichtbar, aber nur aus Elternsicht zu interpretieren waren, öffnete die Lehrerposition noch mal ganz neue Perspektiven auf die Lage, vor allem auch für deren Dramatik. Nach meinem Ausstieg als Lehrer war relativ schnell klar, dass ich das Ganze systematisch vor dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrungen recherchieren und publizieren wollte.

Du tätigst auch teils harte Vorwürfe und teilst ganz schön aus. Willst du also auch ein wenig provozieren?

Prinzipiell: Ohne Provokation funktioniert so ein Buch nicht. Allerdings provoziere ich an keiner Stelle um der Provokation willen, sondern um dem Leser nicht mit windelweichen Formulierungen zu langweilen. Der Eindruck, dass ich hart austeile, entsteht ja vielleicht gerade auch, weil gerade im Bildungssystem gerne um den heißen Brei herumgeredet wird. Schule und Bildung sind heilige Kühe, da gibt, gerade von den Beteiligten, keiner gerne öffentlich zu, dass das System an vielen Stellen im Kippen begriffen ist.

Was war denn das einschneidenste Erlebnis, welches dir in der Schule widerfahren ist?

Es klingt auf den ersten Blick gar nicht so „einschneidend“, aber es ist symptomatisch: Viele meiner Schüler waren kaum in der Lage, mich (oder auch andere Lehrer) überhaupt als im Raum anwesend wahrzunehmen. Dabei war vollkommen egal, ob ich ruhig und freundlich in der Ansprache war oder lauter und verärgert. Das Problem war die fehlende Wahrnehmung an sich, und damit auch die Erkenntnis: Schüler, die den Lehrer gar nicht sehen und hören, können auch mit noch so guten pädagogischen Konzepten nicht erreicht werden.

Also gibst du eher dem „System Schule“ die Schuld und nicht den Menschen darin?

Ich rede ungerne über „Schuld“, lieber über Verantwortung. Das System besteht letztlich vor allem auch aus den Menschen, die in ihm agieren. Insofern kann es entscheidende Veränderungen natürlich nur geben, wenn diese Menschen sie anstoßen und gestalten. Das gilt allerdings gleichermaßen für alle Beteiligten: Schüler, Lehrer, Eltern, Politiker. Auch hier müssen die einzelnen Bereiche ineinandergreifen. Eine gute Bildungspolitik nützt nichts, wenn sie an Schulen nicht umgesetzt wird. Genauso aber können die besten Lehrer und die tollsten Schüler nichts ausrichten, wenn die Vorgaben der Politik den Schulalltag eher sabotieren als stützen.

Streitbar. Anschaulich. Und sogar ein wenig: Philosophisch.

Denkst du, dass auch du selbst Fehler gemacht hast und mit deinem heutigen Wissen, Dinge anders angehen würdest?

Im Gegensatz zu manch anderem, sowohl im System Schule als auch außerhalb, halte ich mich wahrhaftig nicht für fehlerfrei. Natürlich habe ich Fehler gemacht und würde das eine oder andere im zweiten Anlauf verändern. Das ändert jedoch nichts an den Fehlern im System.

Welche Leserschaft möchtest du mit dem Buch erreichen?

Im Grunde alle, die am Bildungs- und Schulsystem partizipieren und darüber nachdenken, was sich ändern müsste. Also Eltern, Lehrer, Schüler ab einem bestimmten Alter, Politiker sowie generell gesellschaftspolitisch interessierte Menschen. Das Buch ist ein Denkanstoß, kein Manifest. Wenn jemand zu einem bestimmten Thema bessere Ideen hat als ich: her damit!

Und mit welchem Argument kann der Buchhändler das Buch im Laden ideal verkaufen?

Es behandelt eins der zentralen gesellschaftlichen Themen unserer Zeit (oder aller Zeiten?), nimmt dabei kein Blatt vor den Mund, will aber auch nicht bevormunden. Insofern ein ernst gemeinter Debattenbeitrag zum Thema Schule und Bildung, der Aspekte in den Blick nimmt, den andere Beiträge zum Thema ausblenden.

Welche drei Wörter beschreiben das Buch aus deiner Sicht ideal?

Streitbar. Anschaulich. Und sogar ein wenig: Philosophisch.

Welche Frage, die wir nicht gestellt haben, hättest du dennoch gerne beantwortet?

Können Buchhändler auch Veranstaltungen zu „Die Schule brennt“ buchen?

Hier kannst du dies tun:

Klar! Einfach über den Verlag oder gerne auch mich selbst ansprechen.

Die Fragen stellte Franziska Altepost

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