Nicole Seifert über ihr Buch "Frauen Literatur. Abgewertet, Vergessen, Wiederentdeckt" (KiWi) „Was literarisch wertvoll ist, stammt von Männern. Was Frauen schreiben, ist dann wohl nicht wichtig oder nicht gut. Das muss sich dringend ändern, denn es ist natürlich falsch, das war es schon immer“

Nicole Seifert: „Misogynie ist unserer Kultur tief eingeschrieben, wie die Althistorikerin Mary Beard in ihrem Buch Frauen & Macht sehr überzeugend dargelegt hat. Das bekommen wir heute noch überall vermittelt, es geht schon in der Schule los, wo praktisch keine Autorinnen vorkommen. Dort lernen unsere Kinder heute immer noch: Was literarisch wertvoll ist, stammt von Männern. Was Frauen schreiben, ist dann wohl nicht wichtig oder nicht gut. Das muss sich dringend ändern, denn es ist natürlich falsch, das war es schon immer. © Sabrina Adeline Nagel“

Wenn Werke von Frauen verrissen werden, werden die oft als banal, kitschig oder trivial bezeichnet.  Nicole Seifert hat davon genug und ist angetreten, die frauenfeindlichen Strukturen im Literaturbetrieb aufzuzeigen. In ihrem Buch Frauen Literatur, Abgewertet, Vergessen, Wiederentdeckt (KiWi) will sie vor allem aufklären und macht Vorschläge, was gegen die Schieflage getan werden kann und muss. Anlass für Fragen an die Autorin:

BuchMarkt: Das fragen wir immer als erstes: Worum geht es in dem Buch?

Nicole Seifert: Es geht in Frauen Literatur, Abgewertet, Vergessen, Wiederentdeckt darum, wie Literatur von Frauen quer durch die Geschichte abgewertet wurde – mit dem Ergebnis, dass sie in der Schule, im Kanon und in Literaturgeschichten kaum vorkommt, nach wie vor. Und es geht darum, was für Auswirkungen dieser erlernte Blick bis heute hat, etwa auf die Auswahl des Feuilletons, darauf, wie Bücher von Frauen vermarktet werden, aber auch auf unser eigenes Leseverhalten.

Wie entstand die Idee, darüber ein Buch zu schreiben?

Mir fiel in den letzten Jahren immer stärker auf, wie alte geschlechtsbezogene Vorurteile sich auch in zeitgenössischen Kritiken noch niederschlagen. Gerade weil man bei einem oberflächlichen Blick denken könnte, wir wären über diese Zustände längst hinaus, war es mir wichtig, mal genauer hinzusehen. Der Frage nachzugehen, woher diese Abwertung kommt und was sie für Folgen hat. Darzulegen, dass wir uns so daran gewöhnt haben, dass wir sie gar nicht mehr sehen – oder sehen wollen.

Durch Klick aufs Cover geht’s zum Buch

Sie wollen also debattieren?

Mir liegt vor allem darum zu informieren, aufzuklären. Ich mache im Buch auch konkrete Vorschläge, was gegen diese Schieflage getan werden kann, gegen die anhaltende Benachteiligung von Autorinnen schon bei den Produktionsbedingungen, bei der Literaturförderung, beim Honorar. Darüber darf gern debattiert werden.

Was ist denn der Hauptgrund, warum das literarische Schaffen von Frauen so lange abgewertet wurde? 

Das hat historische Ursachen und viel damit zu tun, dass Frauen jahrhundertelang aus der öffentlichen Sphäre herausgehalten und ins Haus verbannt wurden. Was man ihnen zutraut, welche Themen man ihnen abnimmt, das geht auf diese alten Vorurteile und Verbote zurück. Ich lege das im Buch genauer dar. Es hat auch damit zu tun, welche Themen unsere Gesellschaft für wichtig hält und welche für unwichtig, wie schon Virginia Woolf feststellte. Männlich konnotierte Themen haben in unserer Gesellschaft nach wie vor einen höheren Stellenwert.

Was sind die größten Vorurteile gegenüber Frauenliteratur?

Wenn Werke von Frauen verrissen werden, können Sie sicher sein, dass sie als banal, kitschig oder trivial bezeichnet werden. Oder als larmoyant. Das sind die Etiketten, die dann vergeben werden, nicht selten ohne genauere Begründung. Oft stimmt das gar nicht, sondern hat damit zu tun, was die Kritiker lesen möchten und wovon sie nichts hören wollen. Gesellschaftskritik ist zum Beispiel etwas, was Kritiker Autorinnen sehr übel nehmen. Da zeigen sich nicht selten tiefsitzende Ressentiments gegen Frauen, insbesondere gegen erfolgreiche Autorinnen.

Woher kommen diese Vorurteile?

Sie sind im Grunde so alt wie unsere Kultur. Misogynie ist unserer Kultur tief eingeschrieben, wie die Althistorikerin Mary Beard in ihrem Buch Frauen & Macht sehr überzeugend dargelegt hat. Das bekommen wir heute noch überall vermittelt, es geht schon in der Schule los, wo praktisch keine Autorinnen vorkommen. Dort lernen unsere Kinder heute immer noch: Was literarisch wertvoll ist, stammt von Männern. Was Frauen schreiben, ist dann wohl nicht wichtig oder nicht gut. Das muss sich dringend ändern, denn es ist natürlich falsch, das war es schon immer. Mit der viel beschworenen „Qualität“, nach der es angeblich nur geht, haben diese Ausschlussmechanismen nichts zu tun, einzig mit Vorurteilen und Zuschreibungen.

Ist die (lesende) Gesellschaft aus Ihrer Sicht denn auf einem guten Weg, diese Vorurteile abzuschaffen?

Es ist gerade viel in Bewegung, aber die Verharrungskräfte sind groß. Abwarten.

Welche Leserschaft wollen Sie mit dem Buch ansprechen?

Am liebsten alle, die lesen. Und ganz besonders die, die etwas ändern können, weil sie an entscheidenden Stellen sitzen, sei es in der Lehre, in Verlagen, im Buchhandel oder bei Veranstaltungsorten.

Und die Buchhändlerin, mit welchem Argument kann die das Buch im Laden am besten verkaufen?

Es erweitert den Blick – was wir lesen und warum. Wie es dazu kommt, dass Bücher „verschwinden“ oder in den Kanon aufgenommen werden. Und es macht Lust auf viele tolle Bücher, die Sie noch nicht kennen.

Welche drei Wörter beschreiben das Buch perfekt?

Wenn ich da Till Raether zitieren darf – der hat es als geistreich, überaus anregend und als großes Glück bezeichnet.

 

 

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert