Das Autorengespräch zum Wochenende Wie geht das eigentlich: leben, Herr Schomburg?

Jeden Freitag  hier ab 14 Uhr ein Autorengespräch. Heute mit Jan Schomburg. Er  hat Kinofilme wie „Über uns das All“ und „Vergiss mein Ich“ geschrieben und inszeniert, zuletzt hat er das Drebuch zu Maria Schraders Stefan Zweig-Film „Vor der Morgenröte“  mitgeschrieben. Heute erscheint sein Debütroman Das Licht und die Geräusche (dtv), dessen Hauptfigur Johanna „in einem Alter ist, in dem Erwachsene schwer einschätzen können, ob man eigentlich schon Alkohol trinken darf.“ Autor Jan Schomburg selber hat diese Phase schon eine Weile hinter sich gelassen, erzählt in seinem Debüt  authentisch und unmittelbar von einer jugendlichen Heldin.

BuchMarkt: Sie sind nicht 17 Jahre alt, Herr Schomburg…

Jan Schomburg (C) Gunter Glücklich

Jan Schomburg: Nein.

Trotzdem schreiben Sie aus der Perspektive eines 17-jährigen Mädchens. War das schwer?

Ich glaube, das ist für mich leichter als aus der Perspektive eines 40-jährigen Mannes zu schreiben. Wenn einem die Dinge zu nah sind, fällt es manchmal schwer zu entscheiden, welche Themen und Geschichten relevant für Menschen sind, die keine 40-jährigen Männer sind. Und das ist ja wie beim Schauspiel das Tolle, dass man während des Schreibens alle möglichen Charaktere sein darf, nur dass man weder an Geschlecht noch an Alter gebunden ist.

Worum geht es konkret in „Das Licht und die Geräusche“?

Die Hauptfigur ist ein junges Mädchen namens Johanna. Sie befindet sich in dieser Phase ihres Lebens, die wir gemeinhin „Jugend“ nennen und deren Gestalt wir überhaupt erst erkennen können, wenn sie vorüber ist. Sie denkt viel darüber nach, wie die Welt ist und wie man sich darin verhalten sollte. Sie ist verliebt in einen Jungen namens Boris und verbringt jede freie Minute mit ihm, aber aus irgendeinem Grund kommt es nicht dazu, dass sie sich küssen. Aus dieser Sehnsucht heraus beginnt eine Geschichte, in der es um Liebe, Freundschaft und selbstverständlich auch um den Tod geht und in deren Verlauf sich Ana-Clara als eine, wenn man das so sagen darf, dialektische Denkerin erweist, die den Dingen immer auf den Grund gehen will.

Was finden Sie an diesem Thema so spannend?

Es ist vor allem dieser unbedingte Wille meiner Protagonistin, sich nicht mit vorgefertigten Meinungen und Deutungen zufrieden zu geben.

Wie ist der Titel entstanden?

Den Titel hat mir meine Ziehtochter geschenkt, die ist im selben Alter wie Johanna, und als ich vor ihr einmal am Abendbrottisch eine halb scherzhafte Eloge auf den Selbstmord hielt und behauptete, es gebe eigentlich keinen einzigen überzeugenden Grund, überhaupt am Leben zu bleiben, da sagte sie: „Doch, ich weiß einen Grund.“ Auf meine Nachfrage hin, was das denn wohl für ein Grund sei, antwortete sie: „Na, das Licht und die Geräusche natürlich.“

Wo schreiben Sie normalerweise?

Das Licht und die Geräusche habe ich überwiegend in einem sehr lauten, sehr hektischen portugiesischen Café geschrieben. Es ist mir selber ein Rätsel, aber genau in diesem Café überkommen mich Ruhe und Konzentration wie an keinem anderen Ort.

Wollen Sie eine bestimmte Leserschaft ansprechen?

Als bisherige Vorableser waren sowohl ein emeritierter Maschinenbauprofessor, der mir erstaunt sagte, er habe sich beim Lesen wie ein 17-jähriges Mädchen gefühlt, wie auch ein 17-jähriges Mädchen, das sich im Lesen wiedergefunden hat, von Johanna und ihrer Art, die Welt zu betrachten, fasziniert.

Weil das Buch auf einer konkreten Handlungsebene ganz unmittelbar spannend ist, zugleich aber über Subtexte verfügt, die in ihrer Gänze nur von Erwachsenen gelesen werden können, glaube ich, dass „Das Licht und die Geräusche“ ein Roman ist, der für sehr viele Menschen zugänglich ist.

Ein sehr aussagekräftiger Titel – wie könnte das Buch im Schaufenster einer Buchhandlung gut präsentiert werden?

Durch Klick aufs Foto geht’s zum Buch

Natürlich mit viel Licht und vielen Geräuschen: Blinkende Lichterketten, Discokugeln, bunte Scheinwerfer, indische Trommler sowie Geräuschemacher. Alternativ: Inspiration beim Cover suchen und jemanden einstellen, der exakt dieselbe Frisur wie das Mädchen auf dem Cover hat.  Hm, vielleicht zu aufwändig. Etwas leichter umzusetzen ist es, Erinnerungen an die eigene Jugend zu wecken. Vielleicht die Fotos heraussuchen, als man selber 17 war und zum Roman ausstellen?

Wollten Ihre Kunden nicht immer schon mal wissen, wie Sie als 17-Jährige(r) aussahen? ;)

Was lesen Sie aktuell/gerne?

Da ich gerade intensiv für den nächsten (historischen) Roman recherchiere, lese ich gerade viel wissenschaftliche Literatur über spiritistische Phänomene um 1900. Ansonsten habe ich mit sehr großem Vergnügen Thomas Melles Roman „Die Welt im Rücken“ gelesen, und mit ähnlich großem Vergnügen lese ich gerade „Ein wenig Leben“ von Hanya Yanagihara und freue mich auf das neue Buch von Paul Auster, über das ich viel Gutes gehört habe.

Wenn Sie Ihren Roman in wenigen Worten zusammenfassen müssten, welche wären das?

Da würde ich wahrscheinlich Bob Dylan bemühen und leicht abgeändert sagen: Think twice, it’s alright.

In der vergangenen Woche sprachen wir mit Philipp Reinartz über sein neues Buch „Die letzte Farbe des Todes“ (Goldmann)

 

 

 

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