Immer freitags hier ein Autorengespräch. Heute mit Michael Wolffsohn zu seinem neuen Buch „Deutschjüdische Glückskinder. Eine Weltgeschichte meiner Familie“ (DTV)
Als Glückskinder oder fast Glückskinder – denn sie hatten alles verloren außer dem Leben-, können die Mitglieder der weltverzweigten Familie Wolffsohn bezeichnet werden. Was sie erlebten, wie sie vorher, im Exil und nachher lebten und liebten, wie ihr Erleben Kinder und Kindeskinder prägte, davon erzählt Michael Wolffsohn in seinem neuen Buch Deutschjüdische Glückskinder. Eine Weltgeschichte meiner Familie (dtv). Dies war Anlass für Fragen an den Historiker und Autor:
BuchMarkt: Herr Wolffsohn,worum geht es in Ihrem Buch?
Michael Wolffsohn: Eben um die WELTgeschichte einer jüdischen Familie, eben meiner Familie im 20. Jahrhundert bis heute. Das bedeutet: Ich verbinde Familien-mit Weltgeschichte und jeweils übergeordneten Themen. Eingehalten wird zwar eine Chronologie, aber es geht, ausgehend vom konkret erzählten, um Fragen der Ökonomie, Theologie, Ökologie, der Kunst, Kultur, Wissenschaft und auch, ja, um Krieg und Frieden. Vor allem aber um Menschlichkeit und Versöhnung. Aber Konflikten und harten Themen weiche ich nicht aus. Ich schildere zum Beispiel ausführlich meine Auseinandersetzungen mit bundesdeutschen Verteidigungsministern oder auch Personen wie Ignatz Bubis.
Wieso Glückskinder?
Deutsche Juden, wie meine Eltern und Großeltern, die den Holocaust überlebten, hatten ein Riesenglück, für das sie höchst dankbar waren. Hatten sie dabei ein schlechtes Gewissen? Das verrate ich nur im Buchtext.
Im Vorspann heißt es: Wenn ein Historiker wie er die Geschichte seiner Familie erzählt, darf man sich auf Überraschungen gefasst machen – was ist damit gemeint?
In Kürze das: Ich lege nicht die üblichen Platten auf, die man sonst so hört, wenn von Deutschen und Juden und ihrer Beziehung zur Welt die Rede ist. Ich spreche Klartext und fasse heiße Eisen an und versuche, die verschiedenen Seiten der Medaillen zu betrachten.
Sie beleuchten Ihre Vergangenheit, aber auch die Zukunft, inwiefern die Zukunft?
Jedes Morgen erwacht aus dem Heute , das wiederum ohne das Gestern und Vorgestern unmöglich geworden wäre. Wer die Vergangenheit kennt, weiß, was passieren kann, nicht aber was passieren wird. Auch bei Juden ist das Zeitalter der Propheten leider vorbei. Aber man ist für die Zukunft besser gerüstet, wenn man weiß, was passieren kann.
Auf welche Aspekte der deutschjüdischen Geschichte legen Sie den Fokus?
Alle mir denkbaren. Mehr verrate ich nicht. Eines kann ich versprechen: Es gibt keine Tabus. Das eine oder andere Denkmal wird gestürzt. Ob Moralische Instanzen tatsächlich moralisch sind, ob deutsch oder jüdisch, wird, wie man so unschön sagt, hinterfragt.
Wollen Sie aufklären,informieren, unterhalten? Was ist Ihre Absicht?
All das. Nur nicht langweilen und moralisieren. Das Buch sei keine Schlaftablette.
Mit welchem Argument kann der Buchhändler das Buch am besten verkaufen? Inwiefern unterscheidet es sich zu anderer Lektüre dahingehend?
Es gibt ganz viele fabelhafte Bücher über „alles in der Welt“. Ich maße mir nicht an, zu behaupten,meines wäre „über alles in der Welt“. Wenn Sie ins selbe Restaurant gehen, bestellen Sie wahrscheinlich auch nicht das gleiche wie ich.
Welche Leserschaft wollen Sie ansprechen?
Wahrlich nicht nur den Kreis derer, die nur den deutschen oder jüdischen Bauchnabel betrachten.
Wenn Sie Ihr Werk mit einem Wort beschreiben müssten, welches wäre das?
Kurzweilig.
Was lesen Sie privat gerne/aktuell?
Die Herren von der wunderbar lebens-und liebesklugen Angelika Schrobsdorff. Als Familiengeschichte für mich unübertroffen: Julia Francks Mittagsfrau und Nino Haratischwilis Das Achte Leben. Nicht zu vergessen Lyrik. Wie das Baby seinen Schnuller, brauche ich allabendlich Lyrik. Derzeit genieße ich die Gedichte von John Donne in der zweisprachigen Ausgabe von Michael Mertes, dem Ex-Mitarbeiter von Kanzler Kohl. Großartig.
Und welche Frage, die wir nicht gestellt haben, hätten Sie gerne beantwortet?
Nie werden alle Fragen gestellt, nie alle Antworten gegeben. Ich habe weder alle Fragen noch gar alle Antworten. „Und bin so klug als wie zuvor…“
In der vergangenen Woche sprachen wir mit Luis Sellano zu seinem neuen Buch „Portugiesische Rache“