Am 29. und 30. Mai tagt die IG Regionalia in Frankfurt. Wir sprachen in unserer aktuellen Mai-Ausgabe mit Sprecher Jürgen Kron über die Pläne und Ziele der IG Regionalia, und warum man unbedingt dabei sein sollte:
BuchMarkt: Warum hat sich vor zwei Jahren die IG Regionalia unter dem Dach des Börsenvereins gegründet?
Jürgen Kron: Da gab es mehrere Ansatzpunkte: Der eine war, dass es schon eine Kooperation von Regionalverlagen gab, allerdings waren da nur wenige beteiligt. Sie entwickelten die Regionalbuchtage, die seither jährlich stattfinden. Die wiederum waren ein Anlass, sich zusammenzusetzen und zu überlegen, wie man das Ganze weiter voranbringen kann, und daraus hat sich die IG Regionalia entwickelt, in der die Verlage eine stärkere Vernetzung herstellen möchten.
Wie viele Regionalverlage gibt es denn in Deutschland?
Das ist schwierig herauszufinden, weil es viele Verlage gibt, die beispielsweise ein Sportprogramm haben, darüber hinaus aber noch ein kleines, regionales Programm in ihrer Stadt machen. In der IG Regionalia gibt es etwa 70 Verlage, die aktiv sind und angesprochen werden.
Und dazu kommen Buchhändler, die sich um Regionalia kümmern …
Ja, es war von Anfang an das Ziel, dass wir auch Buchhändler einbinden wollen. Auch im Sprecherkreis ist mit Helga Heinicke-Krabbe von der Buchhandlung Libra in Oberursel eine Buchhändlerin vertreten. Sie war schon lange aktiv in einer der Keimzellen der IG Regionalia, der Gruppe, die die Aktion Schaufenster Hessen angestoßen hat. Und die hat Vorbildcharakter.
Was ist das Besondere an der Aktion Schaufenster Hessen?
Der rege Austausch zwischen Verlagen und Buchhandel: Sechs hessische Regionalverlage laden im Frühjahr Buchhändler ein. Da kommen 30, 40 Gäste, und die bekommen die aktuellen Programme der Verlage in zwei Stunden von einem Moderator vorgestellt. Danach kann man in den Büchern blättern, mit den Verlegern sprechen – und Werbematerial bestellen, denn es gibt auch noch einen Schaufensterwettbewerb. Das läuft seit vier Jahren, und es kommen jedes Jahr mehr Interessierte. Das Modell würde ich so oder ähnlich gern auch in Nordrhein-Westfalen umsetzen, dazu laufen bereits erste Gespräche.
Warum sollten Buchhändler zur IG Regionalia-Tagung fahren?
Neben den Regionalverlagen sprechen wir für die Teilnahme auch gezielt Verlage an, die Reiseführer machen, das wird sicher interessant. Außerdem könnte das Thema Regionalia im Buchhandel durchaus eine größere Rolle spielen, das sind Umsatz- und Gewinnbringer, die aus unserer Sicht oft etwas stiefmütterlich behandelt werden. Dabei haben Regionalia viele Vorteile: Zum einen ziehen sie Kunden in die Buchhandlung, deshalb liegen sie gerne im Eingangsbereich. Zum zweiten erlauben sie dem Buchhändler, Kompetenz zu zeigen, denn er kann sich unterscheiden von anderen Buchhandlungen, in denen nur die gängigen Bestseller liegen. Zum dritten kann er durch Kooperationen mit Verlagen in seiner Region gut punkten, nicht nur während der Regionalbuchtage, die in diesem Jahr zum dritten Mal stattfinden und vom 15. bis zum 30. September das Thema in den Fokus rücken.
Die Slogans der Regionalbuchtage lauten „Heimat erlesen“, „Heimat ermitteln“, Heimat erkochen“ … Wie stehen Sie zum Begriff Heimat?
Mein Eindruck ist, dass es da eine Altersgrenze gibt: Oberhalb dieser Altersgrenze findet man den Begriff belastet und rückständig. Dann gibt es eine Grauzone, die liegt in etwa zwischen 40 und 45 Jahren, da hat man eine gewisse Indifferenz dazu. Und unterhalb der Altersgrenze findet man den Begriff Heimat gerade wieder gut und ansprechend, es gibt zum Beispiel in Berlin eine Szenekneipe, die „Zur Heimat“ heißt. Und es gibt wieder Buchhändler, die Heimat über ihr Regionalia-Regal schreiben. Es bleiben also Vorbehalte, gerade bei älteren Verlegern, die ich verstehen kann. Aber ich merke auch, dass das Wort Heimat wieder an Stärke und Ausdruckskraft gewinnt und sein etwas miefiger Beigeschmack verschwindet.
Themen wie regional einkaufen oder Kochen mit Lebensmitteln aus der Region sind in den vergangenen Jahren zum Trend geworden. Beflügelt das auch die Regionalverlage?
Ich bin jetzt seit 1999 in Verlagen tätig, die auf Regionalia spezialisiert sind. Seitdem hat sich die Wahrnehmung sehr ins Positive gewendet, und die Verlage haben dafür auch viel getan: Sie machen deutlich spannendere Bücher. Als ich angefangen habe, waren Regionalia das, was in der hinteren Ecke stand und verstaubte. Das hat sich geändert, es sind viele Verlage mit guten Ideen auf den Markt gekommen. Das ist eine Entwicklung in die richtige Richtung: zu innovativen, interessanten Inhalten, verpackt in Bücher, die gut gemacht sind und schön aussehen. Und das Spektrum ist groß: Vom klassischen Wanderführer über Freizeit- und Ausflugführer hin zum großen Bereich der Belletristik, dazu kommen Stadtgeschichte, Brauchtümer, Kochbücher und Bildbände …
Welche Segmente gehen derzeit besonders gut, welche nicht?
Es gibt immer Ebbe- und Flutbewegungen in diesen Bereichen. Ebbe verzeichnen wir derzeit bei den Bildbänden, das Thema müsste vielleicht auch neu gedacht werden. Sehr gefragt sind Geschichten über Orte – wie sie die Reihen 111 Orte oder Glücksorte bedienen.
Was ist der besondere Reiz daran, wenn sich Regionalverlage und Buchhändler, die Regionalia verkaufen, überregional austauschen?
Das Besondere ist, dass wir im Kern ja keine Konkurrenten sind. Jedenfalls viel weniger als Belletristik-Verlage es sind, die alle um die interessantesten Romane auf ein und demselben Markt kämpfen. Wenn aber ein Verlag an der Nordsee etwas macht, ist der in der Regel nicht böse, wenn jemand in Bayern etwas Ähnliches probiert – solange er nicht in sein Gebiet reinkommt. Wir Regionalverlage haben unsere Märkte einigermaßen aufgeteilt, manche sind sogar Monopolisten. Deshalb können wir uns untereinander auch viel besser über Bücher und Konzepte austauschen. Und das macht so ein Treffen wie das Ende Mai natürlich besonders spannend.
Die Fragen stellte Susanna Wengeler
In der vergangenen Woche sprachen wir mit Johannes Stricker über zehn Jahre Silberfisch.