15.12.2006: Dietrich Schaefer (70)

Dietrich Schaefer

Dietrich Schaefer wird heute 70 Jahre alt. Der Literaturagent hatte vor 14 Jahren eine Firma gegründet, die internationale Lizenzen hauptsächlich nach Osteuropa verkauft und Kooperationen arrangiert www.east-book.com. Und ist immer noch aktiv, wenn er auch das operative Geschäft inzwischen in die Hände seiner jüngeren Mitarbeiter und Partner gelegt hat und sich hauptsächlich um die Finanzen kümmert.

Den meisten Brancheninsidern ist Schaefer, der das Buchclub-Geschäft bei Holtzbrinck und Bertelsmann von der Pike aus gelernt hatte, aber sicher noch als Deutschlandvertreter für den Londoner Verlag Dorling Kindersley bekannt.

Seinen heutigen Geburtstag verbringt der Stuttgarter im Schwarzwald. Dort will er mit der Familie, mit Freunden und Mitarbeitern ein „rauschendes Fest“ feiern.

Kontakt: ds-druck@t-online.de

Ex-Gerstenberg-Verleger Dr. Viktor Christen gratuliert dem Jubilar ebenfalls zum Geburtstag:

Lieber Dietrich, nun werde ich Dir also einen Brief schreiben und eine Geschichte erzählen. Sag nicht: Was denn nun? Brief oder Geschichte? Du weißt doch, ich bin im Unterschied zu Dir schon lange im Ruhestand. Da braucht man sich erstens nicht zu entscheiden, und zweitens hat man Zeit.

Man kann einen Brief schreiben und eine Geschichte erzählen. Vielleicht wird es eine
Briefgeschichte. Vielleicht? Ich will Dich nicht irritieren: Es wird eine Lexikongeschichte. Eine Lexikongeschichte? Ja. Nicht ein Lexikonartikel oder ein Lexikonbeitrag. Eine Lexikongeschichte, wie man sagt eine Katzengeschichte.

Also: Da ich viel Zeit habe, lese ich viel. Romane, Biographien, Lexika. Lexika besonders gern. Neulich greife ich nach einem Lexikon aus dem kommenden Jahrhundert und …. Du stutzt und denkst, ich wollte schreiben, aus dem vergangenen Jahrhundert. Nein, nein, aus dem kommenden. Wie das möglich ist? Ja, muss ich denn alles erklären? Es genügt doch, wenn ich eine Geschichte erzähle, von Fakten berichte. Wenn ich sie auch noch erklären wollte, hätte ich gleich Lehrer werden können – oder Theologe. Also: Großer Brockhaus aus dem Jahre 2106, xyte Ausgabe, noch größer und noch verlässlicher und natürlich auch noch aktueller als die vorausgegangenen Ausgaben und, wie im Impressum zu lesen ist, auch als CD-Rom zu haben.

Ich greife nach Bd. 3, Buchstaben D – F, suche nach Deinem Namen, nach DIETRICH. Wieso gerade das? höre ich Dich sagen. Auch so eine Frage! Muss ich das wissen? Vermutlich hat mein Unbewusstes Deine Einladung zur Geburtstagsfeier verarbeitet. Also: ich blättere: D, Da, De, Di, Diakon, Dickens, weiter: Dienststrafrecht, diesig, endlich: Dietrich, dazu mehrere Stichwörter. Zunächst die Albernheit mit dem Nachschlüssel, dann die hinlänglich bekannte Worterklärung aus dem ahd. diot = Volk und dem got. reiks für König, soviel wie Volkskönig. Dann Dietrich, Marlene, „Der blaue Engel“ usw., Dietrich von Bern, Dietrichsage usw. usw., langer Artikel. Und im Anschluss daran Dietrich von Feuerbach alias Dietrich von Stuttgart, mit bürgerlichem Namen Dietrich Schaefer.

Aha! Na endlich, denk ich, endlich hat Dietrich die Lexikonreife erlangt, 100 Jahre nach seinem 70sten, zweieinhalb Spalten, toll. Ich hätte den Beitrag gerne für Dich fotokopiert, mein Lieber, aber in Ausgaben des kommenden Jahrhunderts darf man das nicht – frag mich nicht warum! Außerdem habe ich keinen Kopierer, Du weißt, ich bin altmodisch. Deshalb ja auch dieser Brief. Nun willst Du wissen, was in dem Artikel steht. Zuerst die Lebensdaten von Dietrich von Feuerbach, klar. Dann Ausbildung, Berufsweg, Ortswechsel, auch klar; danach die Einstufung und Würdigung: „Verleger, Bücherfreund, bedeutender Lyriker. Hat am Ende des Gutenbergzeitalters die Buchkultur entscheidend mitgeprägt. Neffe von Henry Goverts, befreundet mit Torsten Chrivik. Siehe auch Kindersley, Peter, und Bertelsmann.“

Bertelsmann und Kindersley, denk ich, interessieren mich nicht. Aber Torsten Chrivik, muss ich gleich nachschlagen, zunächst aber weiter im Text. „Genießt unter den nichtgermanischen Völkern des östlichen Europa noch heute legendären Ruf.“ Ich lese gespannt weiter: „So haben

– die Polen in der Altstadt von Warschau eine Geschäftsstraße nach ihm benannt, den Boulevard Dietrich von Feuerbach (mit erklärendem Hinweis auf den Straßenschildern: deutscher Buchmacher (sic!) des 20. Jahrhunderts);

– in Ungarn erinnert ein Standbild Dietrichs von Feuerbach an sein langjähriges Wirken unter verschiedenen Regimen; in Slowenien ist im Haus der Druckindustrie, einem kleinen historischen Gebäude, dem Multimediapalast genau gegenüber, eine Gedenktafel angebracht mit seinem Porträt und der Inschrift „Dietrich von Feuerbach Freund der Menschen und der Bücher“;

– die Tschechen bechern noch heute am Tag ihrer Wiedergeburt in Erinnerung an ihn ein Gläschen Dietricherovka in Rußland wird neuerdings wieder lebhaft der von Dietrich von Feuerbach angeregte internationale Buchclubgedanke diskutiert, mit dem Ziel, die Domy Dietricha, Dietrichs (Klub-)Häuser, zu verwirklichen.“

Hier endet der Beitrag. Ergänzt wird er noch durch ein Foto von Dir, und ein Wappen war auch noch angefügt. Ich sah es zum ersten Mal.

Ich habe mich über den Artikel spontan gefreut. Vor allem über die Wertung „bedeutender Lyriker“, denn ich weiß ja, was Du auf dem Gebiet kannst. Zu meinem 60sten bekam ich eine köstliche Probe Deines Talents. Großartig auch die ausführliche Würdigung Deines Ost-Engagements. Doch. Prima.

Aber ich habe mich auch über den Artikel geärgert: Kein Wort über Dich persönlich, Dein Wesen, Deine Menschlichkeit. Nur die Leistung. Aber so sind halt die kommenden Lexika: nüchtern, kalt, gefühllos, dürr. Nichts über Deine Familie, über Catherine und die Kinder und Enkelkinder, dabei weiß ich doch, wie wichtig sie für Dich und Deine Arbeit sind. Nicht hoch genug einzuschätzen! Nichts davon im Brockhaus von 2106. Wie lange das braucht, bis die Frauen- und Kinderfeindlichkeit abgebaut ist! Naja, so ist die Welt …. Ach, da war ja noch das Stichwort Torsten Chrivik. Ich griff zu Bd. 2 Bu – C, Burma, Chemie, chic…da: Chrivik. Nur ein Name. Chrivik, Torsten, mit bürgerlichem Namen Viktor Christen.
`
Auch hier Lebensdaten, Berufsweg usw., dann: „Verleger, Herausgeber, Übersetzer, Autor von Nonsensgedichten (Schnick Schnack Schabernack)“ und dann der Satz: „Sein verlegerisches Wirken stand unter starkem Einfluss von Dietich von Feuerbach.“ Schluss. Nichts mehr. Viereinhalb Zeilen.

Ich griff wieder zu Bd. 3, zählte die Zeilen Deines Artikels: 126. Schaute noch mal auf meinen Eintrag: Es waren viereinhalb! Nun gut, nun gut. Dass es so wenige Zeilen sind, ist ja nicht schlimm, dachte ich. Stört mich nicht. Aber hätte man darin nicht mehr unterbringen können!?

Du merkst, mein Lieber, die Briefgeschichte entwickelt sich zu einem Drama. Dabei versuche ich nur wiederzugeben, was ich als Ruheständler in vorausschauender Neugier einem Lexikon entnommen habe, dem Brockhaus von 2106. Der historische Sinn unseres Wirkens hat das Resultat: Viereinhalb Zeilen für mich und 126 für Dich. Und bei Dir auch noch Foto und Wappen. Bei mir nur lapidar „…unter dem Einfluss von…“!!

Die Briefgeschichte ist eine Lexikongeschichte, ist eine Weltgeschichte, ist ein bühnenreifes Drama, spannender Dialog, innerer Monolog, Einheit von Ort und Zeit, erzählte Zeit, Erzählzeit, Erzählerperspektive, der Held, die Tat: Die ganze germanistische Chose kommt einem wieder hoch – was soll’s!

Auf jeden Fall ist diese meine Briefgeschichte eine Wirkungsgeschichte, Deine Wirkungsgeschichte, mein Lieber. So oder So. Zugegeben, mein erster (!) Brief an Dich ist lang geworden – jaja, das stimmt. Es ist der erste. Du brauchst nicht zu zweifeln, privat haben wir noch nie miteinander korrespondiert. Solltest Du zurückschreiben, verspreche ich, mich im nächsten Brief kurz zu fassen.

Dein Viktor

Möchten auch Sie jemandem aus Ihrer Buchhandlung/Ihrem Verlag zum „Runden Geburtstag“ gratulieren? Dann mailen Sie uns einen kleinen Text und ein Foto des Jubilars/der Jubilarin: redaktion@buchmarkt.de, Stichwort: Runde Geburtstage

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert