P.S.: Dieses Buch ist in elf unterschiedlichen Farben erhältlich Neil Smith über sein gelungenes Roman-Debüt

Diesen Nachsatz findet man wohl unter nahezu jeder Rezension, die über ein Buch verfasst wurde, bei dem spätestens jetzt jeder weiß, welches gemeint ist:

Der Kanadier Neil Smith hat in seiner Heimat mit seinem ersten Roman Das Leben nach Boo einen Bestseller gelandet. Am 8. Februar 2017 erschien das Buch bei Schöffling & Co nun endlich in deutscher Übersetzung und der Verlag treibt es bunt: Die Leser dürfen unter nicht weniger als elf verschiedenen Cover-Varianten wählen. Wir wollten vom Autor wissen, was es mit dieser ungewöhnlichen Geschichte rund um sein Roman-Debüt auf sich hat:

BuchMarkt: Herr Smith, worum geht es in Ihrem Buch?

Neil Smith: „Kein anderer Verlag, in keinem anderen Land, hat sich sowas einfallen lassen. Als ich das Paket mit meinen elf Covern bekam, habe ich sie in meinem Esszimmer ausgelegt und war hingerissen“ (c) Julie Artacho

Neil Smith: Das Leben nach Boo erzählt von einem jungen Naturwissenschafts-Nerd namens Oliver, der in einem Himmel aufwacht, der „die Stadt“ heißt und 13-jährigen Amerikanern vorbehalten ist. Erst glaubt er, er sei an einem Herzfehler gestorben, aber als sein ehemaliger Klassenkamerad Johnny in der Stadt auftaucht, erfährt Oliver, genannt Boo, dass sie beide von einem mysteriösen Gunboy erschossen worden sind, der vermutlich auch mit ihnen im Himmel ist. Also beschließen sie, ihn aufzuspüren und herauszufinden, warum er sie getötet hat.

Wie sind Sie zu einer so eigenartigen Geschichte gekommen?

Als ich ungefähr so alt war wie Oliver, starb meine ältere Schwester beinahe und mein älterer Bruder starb tatsächlich. Ich war Atheist und glaubte nicht an den Himmel der Bibel, aber ich stellte mir gerne einen Ort vor, an dem mein Bruder gelandet sein könnte. Solche Überlegungen gaben mir Trost. Ich stellte mir meinen Himmel so vor, wie die Städte und Dörfer Amerikas.

Ich lebte zu dieser Zeit in Utah, einem sehr religiösen Staat Amerikas, bewohnt von Mormonen, und ich stellte  ihnen sehr konkrete Fragen zu ihrem Himmel, z.B.: „Müssen wir uns die Zähne im Himmel putzen?“ Oder: „Gibt’s im Himmel Toiletten“ Für die war ich ein schräger Vogel. Angesichts der riesigen Zahl an Gestorbenen von Anbeginn der Zeit, ging ich davon aus, der Himmel müsse nach Nationalität und Altersstufen aufgeteilt sein.

Durch Klick aufs Foto geht’s zum Buch (c)Uwe Frauendorf

Boo ist 13 Jahre alt, er lebt in einem Jenseits mit lauter 13-Jährigen. Also ein Roman für Teenager? Wie würden Sie den potentiellen Leser dieses Buchs beschreiben?

Es ist ein Buch für Teenager wie für Erwachsene, genau wie Wer die Nachtigall stört, Herr der Fliegen oder Alles, was wir geben mussten kann es von beiden Leserschaften gelesen werden. Ich habe Briefe meiner Leser,  ganz unterschiedlichen Alters  bekommen. Hundert 14-Jährige einer High-School in British Columbia nahmen den Roman durch und luden mich zu einem Vortrag dort ein. Demnächst bin ich für einen anderen Vortrag und eine Lesung in einem Frauengefängnis in Quebec. Das Buch ist auf Englisch, Französisch, Deutsch, Niederländisch, Portugiesisch, Tschechisch und Chinesisch erschienen. Die Themen des Buches scheinen also universell zu sein.

Als ein Verdächtiger als Gunboy gefunden ist, kommt es zu einem Gerichtsverfahren. Wie Sie die Dynamik im Rest der Gruppe beschreiben, hat mich beeindruckt, den Rachedurst, den Verlust der Reflexion. Ist jede Gesellschaft in Gefahr, solchen Dynamiken zu erliegen?

Ja, ich glaube, Rachedurst ist eine Falle, in die viele Menschen und Gesellschaften geraten. Nach dem 11. September war das offensichtlich und wir sehen es jetzt wieder in Amerika, wenn Minderheiten und Einwanderer für die Nöte der Gesellschaft verantwortlich gemacht werden.

Das Buch ist außerdem voller Musik-und Literaturzitate der 70er. Wie kommt das?

Ich wollte Das Leben nach Boo nicht in der Gegenwart ansiedeln. Ich wollte aktuelle Technologien nicht beschreiben oder das stärker sexualisierte Umfeld, in dem Jugendliche heute aufwachsen.  Außerdem sind im Buch ja 13 Jahre vergangen, als Boo in den 90ern noch mal kurz eine Verbindung zur Welt der Lebenden herstellt. Bücher halfen mir, meine eigene traumatische Kindheit zu überleben, eine Zeit, in der ich zwei kanadischen Provinzen und drei amerikanischen Bundesstaaten lebte. Wir zogen so oft um, dass Bücher zu meinen besten Freunden wurden, gerade viele der im Buch zitierten Bücher. Musik und Literatur waren so wichtig für meine eigene Kindheit, dass ich sie in meinen Roman einweben wollte.

Inmitten der Mördersuche und einem Jenseits, das kein Paradies ist, ist trotzdem alles voller Humor.

Das Buch sollte die Leichtigkeit von Kinderbüchern mit der Dunkelheit von Romanen verknüpfen, die man in der Regel erwachsenen Lesern zuschreibt.Humor war zentral, um die dunklen Themen aufzuhellen, die der Roman anschneidet. Außerdem ist das Leben nun mal eine Mischung aus Komödie und Tragödie.

Was für Argumente würden Sie Buchhändlern an die Hand geben wollen, um Ihr Buch zu verkaufen?

Ich bin nicht gut zu Empfehlen. Das machen die Marketing-Experten der Verlagshäuser viel besser als ich. Aber ich würde sagen, das ist ein Buch, das Kindheit und Erwachsen sein zusammenbringt und deswegen beiden gefällt. Und dass es Schweres eben überraschen humorvoll präsentiert.

Ihr deutscher Verlag Schöffling&Co hat elf Coverversionen gemacht. Wie haben Sie reagiert, als Sie von der Idee hörten?

Ich war begeistert. Kein anderer Verlag, in keinem anderen Land, hat sich so etwas einfallen lassen. Als ich das Paket mit meinen elf Covern bekam, habe ich sie in meinem Esszimmer ausgelegt und war hingerissen. Es ist sowieso faszinierend, wie jedes Land das Coverdesign neu denkt. Die Cover unterscheiden sich stark, aber bisher hatten alle eine Zeichnung von Boo. Mit Ausnahme des deutschen Covers.

Welches gefällt Ihnen denn am besten?

Ich mag die lieber, die farbige Schrift mit farbigem Hintergrund kombinieren, statt schwarzer oder weißer Schrift. Meine zwei Favoriten sind der blaue Hintergrund mit der pinken Schrift und der türkise Hintergrund mit der orangenen Schrift.

Was lesen Sie selbst gern?

Einige meiner Lieblingsbücher: Alles, was wir geben mussten von Kazuo Ishiguro, Wir haben schon immer im Schloss gelebt von Shirley Jackson, Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen von Aimee Bender, Das Licht der letzten Tage von Emily St. John Mandel und andere.

Die Fragen stellte Franziska Altepost

In der vorigen Woche sprachen wir mit Janet Clark über ihr neues Buch „Black Memory“ (Heyne)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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