Mit Hueber kann man über 30 Sprachen lernen – wobei Deutsch als Fremdsprache seit 70 Jahren das Kerngeschäft des Verlages ist. Zum 100. Verlagsgeburtstag sprachen wir im aktuellen September-BuchMarkt mit Verlegerin Michaela Hueber und Geschäftsführerin Marketing und Vertrieb Sylvia Tobias:
BuchMarkt: Ein Verlag mit 130 Mitarbeiter*innen ist eine mittelständische Firma. Warum kommt einem bei dem Namen Hueber der Gedanke an ‚Familienbetrieb‘?
Michaela Hueber: Es hat sicher auch mit unserem Thema zu tun: Bei uns ging es von Anfang an auch um das Miteinander, schon als mein Großvater Max Hueber den Verlag vor hundert Jahren gegründet hat. Und auch für meinen Vater Ernst, der 1950 kaum aus der Kriegs-gefangenschaft zurück, den Verlag übernahm, war Verständigung ein Herzens-Anliegen – nach außen, indem er z.B. auf alle Messen reiste, sobald es möglich war, nach Leipzig, Warschau, Moskau – aber auch nach innen zu der Belegschaft hin. Es war ihm wichtig, miteinander etwas zu bewegen. Und es wurde auch immer Zusätzliches für die Mitarbeiter*innen getan – nach unserem Umzug nach Ismaning wurde ein zum Beispiel ein Fahrdienst eingerichtet und allen stand ein Wohnhaus, ein Schwimmbad und eine Sauna zur Verfügung. Wir sind ein Familienbetrieb.
Wie haben Sie miteinander die Corona-Krise bewältigt?
MH: Die Pandemie hat uns vor allem im Bereich der Erwachsenenbildung sehr getroffen. Schließlich waren die Institutionen geschlossen, keine VHS-Kurse fanden mehr statt. Das betraf den gesamten D-A-CH-Raum. Aber wir sind ja in über 60 Ländern aktiv und in allen anderen außer den D-A-CH-Ländern begleiten wir das Sprachenlernen vom Kindergarten bis zur Hochschulreife, also im Schulbuch. Das ging normal weiter und war in dieser Zeit sehr wichtig für uns.
Wie geht es nun Ihrer Einschätzung nach weiter?
Sylvia Tobias: Ein wichtiger Punkt ist der Start der Integrationskurse im Bereich Deutsch als Fremdsprache (DaF). In diesem Segment sind wir ja marktführend. Da diese Kurse in kleineren Kreisen stattfinden werden als früher, erwarten wir hier nicht zu viel. Und auch die Fremdsprachen sind noch nicht so am Boomen, Auslandsreisen sind ja immer noch für viele Menschen schwierig oder zu kompliziert. Wir pendeln unsere Erwartungen auf den Vorjahres-Umsatz ein. Doch unser Sonnenschein ist das Auslandsgeschäft, dort werden die Lager fleißig gefüllt.
Wird das Lernen nach der Krise dauerhaft anders sein?
ST: Selbstverständlich wollen sich viele wieder persönlich zum Lernen treffen, doch wir gehen davon aus, dass sich hybride Modelle durchsetzen werden. Deshalb widmen wir in der Entwicklung dem Stichwort Blended Learning sehr viel Aufmerksamkeit: In autonomen Phasen erarbeiten die Schüler die Inhalte für sich in ihrem eigenen Turnus und Tempo; das so erworbene Wissen wenden sie dann im Präsenzunterricht mit den anderen Lernenden und der Lehrkraft an und üben es. Wir sprechen hier von einem Flipped Classroom.
Wie wirkt sich diese umgedrehte Methode auf die Inhalte der Lehrwerke aus?
MH: Wir beschäftigen uns seit über 30 Jahren mit der Digitalisierung und haben unseren Produktkranz auf vielfältige Weise um das Kernlehrwerk Buch herum erweitert: Integrierte Videoclips, Online-Dateien für das Hörverständnis und Online-Übungen helfen den Stoff auf fast schon unterhaltsame Weise zu festigen. Blended Learning hat auch noch andere Vorteile.
Welche?
MH: Die Reichweite der Institutionen wird viel größer. Das bedeutet, dass viel mehr Menschen an den Sprachkursen teilnehmen können. Stellen Sie sich eine Stadt wie Mexiko City vor. Dort werden künftig höchstens 20 Prozent der Kursteilnehmer vor Ort teilnehmen, weil sehr viel Teilnehmer einfach zu weit entfernt sind, um z.B. das Goethe Institut zu erreichen. Auf diese Weise können viel mehr Menschen Sprachen erlernen. Das wird das neue Normal sein. Dennoch halten wir die sozialen Kontakte beim Lernen für wichtig. Zumal man ja auch das Lernen lernen muss. Das ist aus der Ferne schwierig.. Sie wollen das digitale Geschäft von derzeit 4 Prozent in den nächsten Jahren auf 20 – 25 Prozent ausweiten. Was bedeutet das für den Buchhandel – kann er daran teilhaben?
ST: Das ist sogar eine richtig gute Nachricht für den stationären Handel. Denn in jedem Buch wird die interaktive Version per Code mitgeliefert. Diese ist in den Preis integriert, davon profitiert natürlich auch der Buchhandel. Um mit den Angeboten vertraut zu werden, bieten wir allen interessierten Händler*innen Schulungen an – und wir wünschen uns, dass die Sprachen künftig nicht mehr in der dritten Etage versteckt werden. Während der Hochzeit der Flüchtlingswelle war das anders.
Sie sind nicht so ganz zufrieden mit dem Handel?
ST: Die Konzentration auf das stationäre Sortiment ist unser Modell – dafür setzen wir uns ein. In diesem Sinne hoffen wir – natürlich auch im Interesse des Handels – dass er das Potenzial im Spracherwerbs-Segment nicht komplett dem E-Commerce überlässt. Denn die Gewinner sind hier nach wie vor Amazon & Co. Das muss nicht so bleiben. Zurzeit läuft die Einführungsphase für unsere intermedialen Reihen „Miteinander“, „Vielfalt“ und „Momente“ – die Nachfolgeprodukte unserer am meisten benutzen Lehrwerke „Schritte Plus“ und „Menschen“. Unsere Redaktion bietet hier Seminare an, auch über die Sozialen Medien. Wenn man bedenkt, dass der Lebenszyklus dieser sehr aufwendig hergestellten Lehrwerke in der Regel bei etwa fünf Jahren liegt rentiert sich eine intensivere Auseinandersetzung der Händler*innen damit also auf jeden Fall. Und je besser der Buchhandel informiert ist, desto besser kann er beraten. In dieser Kompetenz liegt ja auch sein großer Vorsprung vor den Online-Portalen.
Auch das Geschäft mit den Institutionen, sprich Universitäten, Sprachinstituten etc. läuft übrigens zu 95 Prozent über den stationären Buchhandel. Hier geht es auch um die Materialien unserer Kooperationspartner wie etwa Alma Edizioni aus Italien oder Macmillan, um nur zwei zu nennen. Je mehr der Handel den Institutionen anbietet, umso mehr Umsatz kann er machen.
Es sind auch andere Verlage mit ihren Programmen an Ihren Vertrieb angekoppelt, die alle einen Sprach-Kontext haben ….
ST: Alles, was wir nicht selber besser machen können, verkaufen wir gerne von Anderen. Diese Kooperationen haben uns in der Krise auch sehr geholfen. Das Programm von Grubbe Media passt bestens zu uns und auch das zweisprachige bi:libri-Programm. Dies ist mittlerweile in sechs Sprachen verfügbar und, das ist auch ein wenig pandemiebedingt, äußerst beliebt geworden.
Hier gibt es übrigens eine Neuigkeit: Zum 1. Oktober dürfen wir mit dem Cox-Verlag einen neuen Partner begrüßen. Cox ist ein kleiner Verlag, der sich mit der deutsch-englischen Reihe ‚Emmi Cox‘ an Kinder ab acht wendet und verschiedene Wissensgebiete kombiniert, in dem sich die spannenden Geschichten rund um ein mutiges Mädchen um Gewürze und ihre Herkunftsländer drehen. Auf die Zusammenarbeit mit der Autorin und Verlegerin Solveig Ariane Prusko, die übrigens selbst auch Buchhändlerin ist, freuen wir uns sehr.
Frau Hueber, Sie sagen, Sie treffen überall auf begeisterte Menschen?
MH: Ja, wir sind schon eine eingeschworene Gemeinde innerhalb unserer Nische. Nach so vielen Jahren auf Kongressen und Deutschlehrer:innentagen weltweit kennt man sich. Dort sind viele Lehrende mit sehr viel Engagement und Herzblut im Einsatz.
SH: Das liegt aber auch an Michaela, die so humorvoll engagiert ist und alles mitmacht. Ob es nun eine Präsentation in der Bongo Bar mit ihrem ehemaligen Nachbarn Gerhard Polt ist oder eine Sprachkurs-Spende an den FC-Bayern-Trainer Trappatoni nach dessen legendärer Pressekonferenz – an solchen Aktionen haben wir einfach Spaß.
Der Frauen-Anteil bei Hueber liegt bei über 80 Prozent. Alle Führungspositionen sind mit Frauen besetzt …
MH: Wir haben weltweit auch mehr Lehrerinnen als Lehrer. Vielleicht liegt das an unserem Thema, Kommunikation …
Und Ihre Tochter Helen steht schon in den Startlöchern, um die Verlagsleitung von Ihnen zu übernehmen?
Ja. Sie ist 22 Jahre alt und studiert noch bis zum nächsten Jahr, danach wird sie wohl erst einmal in anderen Verlagen arbeiten – und dann will sie bei uns einsteigen. Es geht also weiter mit dem Familienbetrieb.
Die Fragens tellte Barbara Meixner