„Weltsprache Europäisch. Eine Kulturgeschichte unserer Wörter“ heißt ein Buch, das Jacoby & Stuart -Verleger Edmund Jacoby demnächst bei Europa vorlegt. Und wenn ein Verleger selber ein Buch schreibt, dann ist das Anlass für Nachfragen:
„Weltsprache Europäisch. Eine Kulturgeschichte unserer Wörter“ – wie sind Sie eigentlich auf das Thema gestoßen?
Edmund Jacoby: Nun, die Geschichte der Wörter und die Sprachen Europas (andere kenne ich leider nicht) haben mich schon immer interessiert, und als gelernter Historiker und Philosoph auch Kultur- und Begriffsgeschichte. Außerdem bin ich überzeugter Gegner der Nationalstaaterei, gerade wenn sie sich auf angeblich fest umrissene Sprach-und Kulturgemeinschaften beruft, was Blödsinn ist – da meinte ich, ein bisschen Aufklärung treiben zu können.
Und dann lag es nahe, das Buch dem Europa Velag anzubieten …
… klar, Europaverlag, das lag bei dem Thema doch sehr nahe, und meine kluge Agentin hat das auch gleich gewusst. Außerdem kenne ich Christian Strasser schon aus alten Zeiten und finde, dass der Verlag ein gutes Programm hat.
Worum geht es in Ihrer Kulturgeschichte denn genau?
Fast alle Wörter der europäischen Sprachen haben verwandte Wörter in anderen Sprachen, und fast immer steckt dahinter eine gemeinsame Vorstellung. So stammen fast alle abstrakteren Wörter oder solche, die etwas Technisches bezeichnen, aus dem Griechischen oder Lateinischen oder sind Lehnübersetzungen aus diesen Sprachen. Die Sprache der Wissenschaft ist weltweit sowieso Griechisch/Lateinisch.
Und was lernen wir?
Wie sich Wörter verbreitet haben, ist Kulturgeschichte; die Bezeichnungen für technische und kulturelle Errungenschaften oder neugezüchtete Früchte oder irgendwelche Moden verbreiten sich regelmäßig in der Sprache, in der sie zuerst aufgekommen sind.
Gibts ein Beispiel fürs Verkaufsgepräch?
Nehmen wir das Wort Buchmarkt. Buch (book usw) kommt von den zusammengehefteten wachsbezogenen hölzernen Schreibtäfelchen aus Buche, die den Römern als Notizblock dienten, das Wort wurde dann auch auf die Schriftrollen aus Papyrus (Papier!) – griechisch bíblos wie die Bibel – und die aus Folien, d.h. Blättern aus Pergament (einer Erfindung aus Pergamon) zusammen gebundenen Folianten oder Codices übertragen. Im späteren Mittelalter wurde das Pergament durch das aus China importierte Papier ersetzt, und noch später die Handschrift durch Druckbuchstaben. Das lässt sich natürlich noch weiter ausführen. Markt wiederum, vom spätlateinischen mercatus, heißt so gut wie in allen europäischen Sprachen ähnlich. Nur die slawischen Wörter für Markt, wie etwa russisch rynok, gehen auf ein deutsches Wort zurück, nämlich Ring; die ältesten Märkte wurden offenbar im Kreis aufgebaut …
Uff… und der tiefere Sinn der Übung ist?
Jeder auf Sprache sich stützende Nationalismus ist gefährlicher Blödsinn. Die Grenzen zwischen den Sprachen sind politisch gezogen und nicht die eines jeweiligen mystischen „Volkes“. Wenn die Ostukraine angeblich russisch ist, nur weil dort meist Russisch gesprochen wird und entsprechend mit Gewalt „heim ins Reich“ geholt werden soll, so ist das ein übler Fall von Sprachnationalismus. Besonders auch auf dem Balkan, wo die Sprachen recht kleinteilig verteilt sind, hat Sprachnationalismus, die Idee, dass zu einer Sprache auch ein einheitliches Territorium gehört, bis heute immer wieder Unheil angerichtet.
Es gibt aus Ihrer Sicht auch keine „Fremdwörter“…
… genaus, das Wort Fremdwort sollte verschwinden. Und die Verwischung der Wortgeschichten durch rein phonetische Schreibweisen ist auch nicht sehr sinnvoll.
Sie reden damit einem europäischen Nationalismus das Wort?
Nein, ich bin Europäer, aber auch Weltbürger. Der größte Teil der Menschheit spricht heute Europäisch (vor allem die Weltsprachen Englisch, Spanisch, Französisch, Russisch und Portugiesisch) oder nutzt es als Verkehrssprache. Das hat auch mit den Verbrechen des europäischen Kolonialismus zu tun. Andererseits ist auch aber die Idee von Humanität, die, dass „alle Menschen Brüder“ sind, in Europa entstanden und in der europäischen Sprache fest verankert.
Das ist immer meine Standardfrage: Wem könnte man Ihr Buch mit welchem Argument am besten verkaufen?
Natürlich allen, die sich für Sprache und Geschichte interessieren, aber gerade auch Journalisten wie Ihnen, die gerne in ihren Glossen (von griechisch glossa, Zunge), mit Worten und ihren Bedeutungen spielen, um ihre LeserInnen zu einer Einsicht zu stupsen.
Ich sehe, das wird eine über 400 Seiten-Schwarte – wie soll man so ein dickes Buch lesen?
Das Buch ist in etwa 100 Wortfeld-Häppchen eingeteilt. Jeden Abend vor dem Einschlafen eins.
Das will ich natürlich auch wissen: Was hat das mit Ihrer Tätigkeit als Verleger zu tun?
Nichts, außer dass wir mit unseren Büchern ein ähnliches Ziel verfolgen wie ich mit meinem Buch: Aufklärung leisten gegen Dummheit, gegen Nationalismus, Rassismus und andere Ideologien, die sich gegen Menschen- und Freiheitsrechte richten.
Was gerade auch anerkannt wurde …
… ja, wir freuen uns sehr, dass wir für diese unsere verlegerische Arbeit diesmal einen der drei Spitzenpreise des Deutschen Verlagspreises bekommen haben.
Sie wollen unseren Lesern im Buchhandel noch einen Geheimtipp aus Ihrem Priogramm mit auf den Weg geben.
Gern! Unser internationaler Kinderbuchbestseller Das Farbenmonster läuft und läuft immer besser. Es wird „unsere Kleine Raupe“, sagen wir alten Gerstenbergler unter uns.
Die Fragen stellte Christian von Zittwitz
Mit Erstaunen sehe ich daß n Zeiten der ukrainischen Flüchtlinge Kinderbücher nun auch auf Ukrainisch angeboten werden. Wo sind die Bücher auf Pashto, Dari, Arabisch, Kurdisch, Tigriya?