Diese Frage stellen wir immer zuerst: Worum geht es in dem Buch?
Simona Stoytchkova: In meinem Buch beschreibe ich in großer Offenheit meinen Weg vom Plattenbau in den Vorstand einer der weltweit größten Banken und wie entscheidend mich meine ostdeutsche Herkunft und die damit verbundenen Transformationserfahrungen geprägt haben. Ich zeige auch die Hürden auf meinem Weg und wie sie überwunden werden können.
Wie entstand die Idee, darüber ein Buch zu schreiben?
Über dreißig Jahre nach der Wende sind ostdeutsche Führungskräfte in Unternehmen immer noch eine Seltenheit – und mit meinem Buch möchte ich einen Anstoß geben und andere inspirieren, einen ähnlichen Weg einzuschlagen. Damit wir Zuschreibungen wie „Ost“ und „West“ endlich über Bord werfen können, braucht es positive Narrative und einen echten Aufbruch. Wenn ich dazu nur einen kleinen Beitrag leisten kann, hat sich das Buch schon gelohnt.
Was war dabei die besondere Herausforderung?
Tatsächlich habe ich den Schreibprozess unterschätzt – denn das letzte „größere“ Schreibprojekt war meine Bachelorarbeit, die ich vor über zwanzig Jahren geschrieben habe. Um so dankbarer bin ich dem Murmann Verlag und meiner Lektorin, die mich beim Schreiben sehr unterstützt haben.
An welche Leserschaft richtet sich das Buch?
Es ist ein Buch für all diejenigen, die ähnliche Transformationserfahrungen gemacht haben wie ich – also Wendekinder und deren Kinder. Und es ist ein Buch für all diejenigen, die in der Wirtschaft als Führungskräfte positive Zukunftsnarrative mitgestalten wollen. Meine Hoffnung ist aber auch, dass es ein Buch für all diejenigen in Deutschland ist, die sich nach über 30 Jahren Einheit nicht mehr mit dem scheinbaren Gegensatz zwischen Ost und West zufrieden geben wollen, sondern auf der Suche nach einem gemeinsamen Vision für Deutschland sind.
Mit welchem Argument kann der Buchhändler es im Laden ideal verkaufen?
Es ist auf dem Markt das einzige Buch einer Spitzenführungskraft mit ostdeutschem Hintergrund, die offen über ihre Erfahrungen spricht. Auch, dass das Thema Ost-West aus einer primär wirtschaftlichen Perspektive beleuchtet wird, ist ein Alleinstellungsmerkmal meines Buches.
Welche drei Wörter beschreiben das Buch gut?
Eher ein Dreiklang, der aus der Feder von Steffen Mau stammt: „Umbruch ohne Aufbruch, neue Herausforderungen annehmen und doch Zurückblicken, Aufsteigen ohne Herabzusteigen“.
Sie haben Ihre Buch „Die aus dem Osten“ genannt. Wie oft bemerken Sie die Ost-West-Trennung im Alltag?
Ich war während meiner Karriere lange im Ausland – dort war ich überall nur „die Deutsche“. Als ich dann nach München zurückkam, war ich auf einmal wieder „die aus dem Osten“ und musste mir erneut die plattesten Bananenwitze anhören. Selbst Lapidares wie die Mundart stößt oft auf Ablehnung. So gab mit eine Headhunterin aus der Finanzbranche früh den Tipp, meine Dialektfärbung möglichst loszuwerden, weil sie für meine Ambitionen hinderlichen seien. Schwäbisch oder bayrisch seien aber eher förderlich. Es sind aber nicht nur diese alltäglichen Erlebnisse, die Trennung ist weiterhin systemischer Natur: Wir haben starke wirtschaftliche Unterschiede zwischen Ost und West, obwohl sich der Osten als Region der neuen Schlüsseltechnologien etabliert und wirtschaftlich wächst, gibt es immer noch kaum Unternehmenszentralen von Konzernen. Das muss sich ändern.
In Ihrem Buch beschreiben Sie, wie Sie bereits in jungen Jahren mit dem bedeutenden gesellschaftlichen Wandel der „Wende“ umgehen mussten. Können Wendekinder besser mit Veränderungen umgehen?
Ich habe beobachtet, dass Menschen, die Systemwandel oder tiefgreifende persönliche Einschnitte im Leben erlebt haben, mit Transformation besser umgehen können. Und ja, dazu gehören für mich – Stichwort Resilienz – ganz klar Wendekinder, die sich nach während der Wende in einem neuen System komplett neu erfinden mussten. Und dabei häufig auch früh Verantwortung für ihre Eltern übernehmen und sie in der Transformation unterstützen.
Was wünschen Sie sich für den Osten Deutschlands?
Ich wünsche mir, dass sich unsere Gesellschaft auf Dialog und Perspektivenwechsel einlässt und dabei die unterschiedlichen Erfahrungen und Sichtweisen anerkennt und wertschätzt. Für Unternehmen wünsche ich mir, dass sie den Osten endlich auch als Wirtschaftsstandort verstehen und damit den dort lebenden Menschen Perspektiven bieten. Nur so wird sich auch die Stimmung im Osten ändern, und Unternehmen werden engagierte, loyale und gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte für sich gewinnen. Wir müssen Vorurteile abbauen und als vereintes Deutschland in die Zukunft schauen. Die künstliche Trennung zwischen Ost und West können wir uns sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich nicht mehr leisten.
Franziska Altepost