Ein Meinungsbeitrag von Solibro-Verleger Wolfgang Neumann „Als wenn die Gefahr von Büchern ausginge“

Gedanken eines Verlegers in abenteuerlichen Zeiten – ein Kommentar von Wolfgang Neumann, Verleger des Solibro Verlags:

Als wenn die Gefahr von Büchern ausginge. Ja gut, inhaltlich wohl doch hoffentlich, aber das auch immer weniger, wenn Verlage Bücher canceln, weil die Autoren auf einmal in „falscher“ Gesellschaft gewähnt werden, KI die Leser nur noch zu Kostgängern von Vorgekautem degradiert und – festhalten – öffentliche (!) Bibliotheken nach Gusto Warnhinweise in nicht indexierte Bücher einkleben (Münster). Aber physisch? Soll damit etwa der Brockhaus gemeint sein, der auf das krabbelnde Baby stürzen könnte?

Da haben wir mitten im stressigen Weihnachtsgeschäft uns alle unterwürfig mit einer in großen Teilen für den Buchmarkt überflüssigen, hoch strafbewehrten Verordnung zu beschäftigen, zu der es nicht einmal eindeutige, erschöpfende Durchführungshinweise für die Buchbranche gibt. Ist eigentlich bekannt, dass es schon ewig ein Produkthaftungsgesetz in Deutschland gibt, laut dessen selbst der Geschäftsführer einer haftungsbeschränkten GmbH persönlich mit seinem Privathäuschen haftet? Klar, ein Minipressebuch und Non-Books könnten gefährlich sein, aber die 99,9 % der Standardbücher doch wohl nun wirklich nicht.

Immer mehr unproduktive Verpflichtungen kommen ungefragt auf die ohnehin gebeutelte Branche zu – ja ja, Tiktok und New Adult werden‘s schon richten –, wie die Verpackungsverordnung: redundante und geschätzte, statt tatsächliche, rückwirkende Meldungen auf unterschiedlichen Plattformen, die sich untereinander nicht abgleichen – erinnert an die Grundsteuerreform. Entwaldungsverordnung: ein bürokratisches Monster trotz löblichen Ziels. Es würde doch reichen, alle Erstinverkehrbringer von Papier oder fertigen Büchern aus dem Ausland in der EU zu Dokumentationsaufgaben zu verpflichten und Schluss. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: eine in der Praxis fragwürdige Gesetzgebung, da kleine Unternehmen keine Nachweispflichten haben, man als Kleinverlag aber trotzdem von Barsortimenten angeschrieben und gebeten wird, ein Onlineportal zu bedienen – natürlich im heimischen Englisch – um dort Nachweise zu erbringen, also eine Auslistung befürchten muss, wenn man gesetzeskonform handelt und sich das nicht antut.

Da scheinen überall, wie beim Plastikflaschendeckelirrsinn, wirklich lebensnahe Spezialisten zu sitzen. Und sie werden immer mehr. Einer Minderheit von Leistungsträgern steht eine nach jeder Legislaturperiode steigende Anzahl von unproduktiven Kostgängern in den Verwaltungen gegenüber. Na ja, langsam wird es auch für Otto Normalverbraucher sichtbar, wenn er von der höchsten Insolvenzrate seit Jahren hört und merkt, dass selbst Großkonzerne wie VW ins Straucheln geraten oder Mittelständler abwandern und die einst so starke und vorbildliche Bundesrepublik nun ernstlich angezählt ist.

Doch die Buchbranche ist mitschuld am weiteren dräuenden Niedergang. Denn man würde meinen, wenn irgendwo Bildungstradition und natürliche Entwicklung der Sprache gepflegt würden und Widerstand gegen sprachideologischen Irrsinn auf dem Fuße folgte, dann in der Buchbranche. Schlimm genug schon, dass Journalisten beim indirekten Zitat des geschätzten Politikers den Konjunktiv nicht mehr beherrschen (XY sagte, die Rente ist sicher). Doch dass man gerade in der Buchbranche die unsäglichen Rechtschreibreformen gegen jede Grammatik größtenteils mitgeht, ist unfassbar. Und der Nebeneffekt des Genderns scheint den meisten überhaupt nicht bewusst zu sein, denn es ist auch ein Angriff auf abstraktes Denken! Versuchen Sie doch mal „gendergerecht“ die geschlechtsunabhängigen Eigenschaften von Buchhändlern zu beschreiben. Honi soit qui mal y pense.

Von der sonstigen Sinnentstellung ganz abgesehen. So ist ein Schriftsteller immer auch ein Schreibender (wenn er gerade schreibt). Ein Schreibender in den meisten Fällen jedoch kein Schriftsteller. Hoppla, „Schreibender“ ist ja schon wieder ein generisches Maskulinum.

Oder dass man auch selbst nach Lektüre von „Fahrenheit 451“ es wagt, Bücher post mortem zu ändern. So etwas ist eigentlich nur mit einer gerüttelten Portion historischer Ignoranz möglich. Oder ist es bereits historische Unkenntnis? Die Berichte über das Lernniveau in den Schulen sprechen Bände.

Doch vielleicht löst sich das ja alles demnächst auf einen Schlag. Schließlich ist aus der Branche ebenfalls wenig dagegen zu hören, dass wir kurz vor dem Atomkrieg stehen. Es wird nicht begriffen, dass es ab einem bestimmten Punkt nicht mehr auf die Frage ankommt, wer schuld ist oder angefangen hat. Im umgekehrten Fall, der Kuba-Krise, hatte Chruschtschow begriffen, dass man ab einem gewissen Punkt den Schwanz einziehen MUSS, weil sonst alle verlieren. Wo bleibt eigentlich die SDGMP, die Sicherheitsverordnung, die uns vor den verantwortlichen Dilettanten, Glücksspielern und maßlosen Machiavellisten in der Politik schützt? Sonst hat es sich bald womöglich komplett ausgebüchert.

Wolfgang Neumann, Verleger Solibro Verlag

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