Heute: Martina Schmidt, bei Deuticke Lektorin von Daniel Glattauer

Wer eigentlich hat Daniel Glattauers neuen Roman Alle sieben Wellen lektoriert?

Eine Frage, die viele Buchhändler umtreibt. Anlass genug für buchmarkt.de, sich um diese Berufsgruppe, die ja hauptsächlich im Hintergrund wirkt zu kümmern. In regelmäßiger Folge wollen wir an dieser Stelle Macher vorstellen, die dafür sorgen, dass uns der Lesestoff nicht ausgeht.

Die Lektorin
Martina Schmidt, 49 Jahre jung, gebürtig aus (leider, sagt sie) Braunau am Inn, hat an der Hochschule für Angewandte Kunst sowie an der Universität in Wien Gebrauchsgraphik und Germanistik studiert, in der sie mit einer Dissertation über die Essays Hugo von Hofmannsthal promovierte.

In Wien hat sie auch in einer Buchhandlung und an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (zum Beispiel an der Edition von Arthur Schnitzlers Tagebüchern) gearbeitet. Dort ist sie seit 1991 – nach einer Bewerbung auf gut Glück, als sie erkannte, dass die Welt der Wissenschaften nicht die ihre war – beim Verlag Deuticke tätig, zunächst als „Mädchen für alles“ und Lektorin, später außerdem für Lizenzen zuständig, schließlich Verlagsleiterin (von 2000 bis 2003 – als beide Verlage zu Klett gehörten, auch für den Residenz Verlag). Seit 2004, als Hanser den Verlag übernahm und bei Zsolnay angliederte, ist Martina Schmidt Programmleiterin für Deuticke.

Das Buch: Martina Schmidts besondere Empfehlung aus seinem aktuellem Programm:
Der Roman: Daniel Glattauer, Alle sieben Wellen

Auf seinen Erstling Gut gegen Nordwind (2006) erhielten der Autor Daniel Glattauer und wir in seinem Verlag tonnenweise Zuschriften von begeisterten Leserinnen und Lesern. Enttäuscht waren sie nur vom traurigen Ende dieser Geschichte.

Mit einem Zufall, einem falsch adressierten E-Mail, hatte es angefangen, dass Leo und Emmi, ohne einander persönlich je zu begegnen – der ganze Roman besteht nur aus E-Mails – sich ineinander verlieben. Und es endet damit, dass Bernhard, Emmis Ehemann, dahinter kommt und, ohne dass Emmi es je erfährt, Leo anfleht – der Kinder wegen – sofort Schluss zu machen. Was Leo dann auch tut und nach Amerika entschwindet. Aus.

Das kann doch nicht alles gewesen sein, meinten viele Leser.

„Dieser Glattauer sollte eine Fortsetzung schreiben“, sagte mein Mann, der die Dinge gern beim Namen nennt und nicht so das Tragen von Samthandschuhen im Umgang mit Autoren gewohnt ist wie ich. „Das sagst Du ihm aber bitte nicht“, sagte ich, „so etwas geht doch nicht auf Bestellung.“

Wenig später treffe ich Daniel Glattauer, und er verblüfft mich mit der Frage: „Was würdest Du eigentlich davon halten, wenn ich eine Fortsetzung zum Nordwind schreibe?“

Wir einigten uns darauf, dass er es versuchen sollte, aber ohne Druck: „Wir machen es nur, wenn es wirklich gut wird.“

Bald darauf beobachtete ich meinen Mann, wir waren auf Urlaub, wie er kichernd im Liegestuhl hing und – als einer der ersten – das Manuskript von Alle sieben Wellen las. Er hat es in einem Stück verschlungen. „Das ist wirklich perfekt“, sagte er.

In Alle sieben Wellen taucht Leo wieder auf, und diesmal treffen die beiden einander. Mehr möchte ich aber nicht verraten, um niemandem die Spannung bei der Lektüre zu rauben. Außerdem ist es auch nicht so, dass man dieses Buch besonders gut beschreibt, wenn man seinen Inhalt erzählt. „Das klingt ja nach seitenlangem Gesülze“, sagte eine recht forsche Branchenkollegin, als ich es wider besseres Wissen einmal doch versucht habe.

Ist es jedoch ganz und gar nicht. Natürlich interessiert es auch hier, ob die beiden Liebenden sich am Ende kriegen oder nicht. Das Thema ist bekanntlich ein Dauerbrenner, in der Literatur und außerhalb. Aber das allein macht noch keinen Roman interessant, erfolgreich oder – wie Gut gegen den Nordwind – sogar zu einem (auch uns im Verlag überraschenden) Bestseller. Dazu gehört schon ein bisschen mehr.

Das Besondere bei Daniel Glattauer ist auch diesmal wieder, dass hier ein Autor ganz genau und präzise die Dynamik einer Beziehung beschreibt, die Gefühle auf beiden Seiten, auch die widersprüchlichen. Und das wirkt dann außerdem noch ganz leicht, ganz einfach. Zu erreichen, dass es so leicht wirkt – das aber ist sehr, sehr schwer. Dazu muss ein Autor viel verstehen, und zwar von beidem: vom Schreiben und von den Gefühlen.

„Dass ein Mann das überhaupt kann“, haben sich viele Frauen gewundert, die uns zu diesem Buch geschrieben haben. Das ist ein Kompliment für den Autor, stellt allerdings auch ein trauriges Urteil für die Männerwelt dar.

Aber jetzt kommt die gute Nachricht: Auch sehr viele Männer haben sich bei uns gemeldet. Sie haben sich in Leo wiedererkannt. Sie haben uns geschrieben, dass der Autor ihre Gefühle – ja, Sie haben ganz recht gelesen, Gefühle – , verstanden hat. (Und so hatte ja auch schon mein erster, privater Testleser reagiert.)

„Das ist ein richtiger Frauenversteher, der Glattauer“, sagte der eine oder andere Autor, ein bisschen abschätzig, mit Blick auf den Erfolg des Kollegen. Wieso das ein Fehler sein soll, habe ich noch nie begriffen.

Denn Daniel Glattauer ist eben nicht bloß ein Frauenversteher, sondern, wie sein neuer Roman Alle sieben Wellen von neuem beweist – vor allem auch ein „Männerversteher“. Und das soll ihm erst einmal eine(r) nachmachen …

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert